Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch frug traulich: wo soll die Reise hin gehn
Landsmann?

Nirgends.

Hm! dacht' ich weiter, wenn den der
Narrenfresser nicht bald wegschnappt, so
frißt er keinen mehr. Alle diese Reden wa-
ren sonderbar genug, ließen sich nicht min-
der auf einen Strauchdieb, als einen Nar-
ren deuten; überdies sprach der Mann in
einem so mürrischen Ton, und schritt so be-
hend zu, als woll er uns in einen Hinter-
halt von Bergcorsen locken. Bey diesen
Umständen nahm ich meine Zuflucht zur
physiognomischen Kunst, eh's Nacht wurd';
denn ich begehrt' nicht in Winkelmanns Feh-
ler zu faller, der laut des Meisters Zeug-
niß, Physiognomist in einem außerordent-
lichen Grad war, und es doch seinem Mör-
der nicht ansah. Drum studiert ich alle
Menschengeschter, die mir auf der Straß'
begegneten, wiewol mir noch keins aufge-

stoßen
M

Jch frug traulich: wo ſoll die Reiſe hin gehn
Landsmann?

Nirgends.

Hm! dacht’ ich weiter, wenn den der
Narrenfreſſer nicht bald wegſchnappt, ſo
frißt er keinen mehr. Alle dieſe Reden wa-
ren ſonderbar genug, ließen ſich nicht min-
der auf einen Strauchdieb, als einen Nar-
ren deuten; uͤberdies ſprach der Mann in
einem ſo muͤrriſchen Ton, und ſchritt ſo be-
hend zu, als woll er uns in einen Hinter-
halt von Bergcorſen locken. Bey dieſen
Umſtaͤnden nahm ich meine Zuflucht zur
phyſiognomiſchen Kunſt, eh’s Nacht wurd’;
denn ich begehrt’ nicht in Winkelmanns Feh-
ler zu faller, der laut des Meiſters Zeug-
niß, Phyſiognomiſt in einem außerordent-
lichen Grad war, und es doch ſeinem Moͤr-
der nicht anſah. Drum ſtudiert ich alle
Menſchengeſchter, die mir auf der Straß’
begegneten, wiewol mir noch keins aufge-

ſtoßen
M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="177"/>
Jch frug traulich: wo &#x017F;oll die Rei&#x017F;e hin gehn<lb/>
Landsmann?</p><lb/>
        <p>Nirgends.</p><lb/>
        <p>Hm! dacht&#x2019; ich weiter, wenn den der<lb/>
Narrenfre&#x017F;&#x017F;er nicht bald weg&#x017F;chnappt, &#x017F;o<lb/>
frißt er keinen mehr. Alle die&#x017F;e Reden wa-<lb/>
ren &#x017F;onderbar genug, ließen &#x017F;ich nicht min-<lb/>
der auf einen Strauchdieb, als einen Nar-<lb/>
ren deuten; u&#x0364;berdies &#x017F;prach der Mann in<lb/>
einem &#x017F;o mu&#x0364;rri&#x017F;chen Ton, und &#x017F;chritt &#x017F;o be-<lb/>
hend zu, als woll er uns in einen Hinter-<lb/>
halt von Bergcor&#x017F;en locken. Bey die&#x017F;en<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden nahm ich meine Zuflucht zur<lb/>
phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Kun&#x017F;t, eh&#x2019;s Nacht wurd&#x2019;;<lb/>
denn ich begehrt&#x2019; nicht in Winkelmanns Feh-<lb/>
ler zu faller, der laut des Mei&#x017F;ters Zeug-<lb/>
niß, Phy&#x017F;iognomi&#x017F;t in einem außerordent-<lb/>
lichen Grad war, und es doch &#x017F;einem Mo&#x0364;r-<lb/>
der nicht an&#x017F;ah. Drum &#x017F;tudiert ich alle<lb/>
Men&#x017F;chenge&#x017F;chter, die mir auf der Straß&#x2019;<lb/>
begegneten, wiewol mir noch keins aufge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;toßen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0177] Jch frug traulich: wo ſoll die Reiſe hin gehn Landsmann? Nirgends. Hm! dacht’ ich weiter, wenn den der Narrenfreſſer nicht bald wegſchnappt, ſo frißt er keinen mehr. Alle dieſe Reden wa- ren ſonderbar genug, ließen ſich nicht min- der auf einen Strauchdieb, als einen Nar- ren deuten; uͤberdies ſprach der Mann in einem ſo muͤrriſchen Ton, und ſchritt ſo be- hend zu, als woll er uns in einen Hinter- halt von Bergcorſen locken. Bey dieſen Umſtaͤnden nahm ich meine Zuflucht zur phyſiognomiſchen Kunſt, eh’s Nacht wurd’; denn ich begehrt’ nicht in Winkelmanns Feh- ler zu faller, der laut des Meiſters Zeug- niß, Phyſiognomiſt in einem außerordent- lichen Grad war, und es doch ſeinem Moͤr- der nicht anſah. Drum ſtudiert ich alle Menſchengeſchter, die mir auf der Straß’ begegneten, wiewol mir noch keins aufge- ſtoßen M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/177
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/177>, abgerufen am 21.11.2024.