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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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mährgen wars vorbey, wollt' mir keins auf
den Nachmittag mehr glücken. Dafür be-
kam aber die Vernunft Audienz und leitet'
mich auf ein Paar philosophische Betrach-
tungen, die mich bis ins Nachtquartier ver-
gesellschafteten.

Die erste entspann sich aus der Erinne-
rung des befriedigenden Gefühls während
meiner Vision. Glaub' 's ist allen Men-
schen so, wie mir zu Muth war, wenn
sich eine sehr lebhafte Jdee ihrer Seel' be-
mächtiget hat, daß sie ein Vergnügen fin-
den, dieser nachzuhängen, und sie in tau-
send Gestalten zu formen, wie ein Knab'
eine Wachskugel zwischen den Fingern kne-
tet, Figuren daraus bildet, wie sie ihm die
Phantasie eingiebt, die er im Augenblick
drauf zerstöhrt, um andre zu erschaffen.
Die Reverie, wer sie versteht und drauf
achtet, ist, denk ich, das, was der Lava-
ter eine poetisirende Seel nennt: denn

poeti-

maͤhrgen wars vorbey, wollt’ mir keins auf
den Nachmittag mehr gluͤcken. Dafuͤr be-
kam aber die Vernunft Audienz und leitet’
mich auf ein Paar philoſophiſche Betrach-
tungen, die mich bis ins Nachtquartier ver-
geſellſchafteten.

Die erſte entſpann ſich aus der Erinne-
rung des befriedigenden Gefuͤhls waͤhrend
meiner Viſion. Glaub’ ’s iſt allen Men-
ſchen ſo, wie mir zu Muth war, wenn
ſich eine ſehr lebhafte Jdee ihrer Seel’ be-
maͤchtiget hat, daß ſie ein Vergnuͤgen fin-
den, dieſer nachzuhaͤngen, und ſie in tau-
ſend Geſtalten zu formen, wie ein Knab’
eine Wachskugel zwiſchen den Fingern kne-
tet, Figuren daraus bildet, wie ſie ihm die
Phantaſie eingiebt, die er im Augenblick
drauf zerſtoͤhrt, um andre zu erſchaffen.
Die Réverie, wer ſie verſteht und drauf
achtet, iſt, denk ich, das, was der Lava-
ter eine poetiſirende Seel nennt: denn

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[16/0016] maͤhrgen wars vorbey, wollt’ mir keins auf den Nachmittag mehr gluͤcken. Dafuͤr be- kam aber die Vernunft Audienz und leitet’ mich auf ein Paar philoſophiſche Betrach- tungen, die mich bis ins Nachtquartier ver- geſellſchafteten. Die erſte entſpann ſich aus der Erinne- rung des befriedigenden Gefuͤhls waͤhrend meiner Viſion. Glaub’ ’s iſt allen Men- ſchen ſo, wie mir zu Muth war, wenn ſich eine ſehr lebhafte Jdee ihrer Seel’ be- maͤchtiget hat, daß ſie ein Vergnuͤgen fin- den, dieſer nachzuhaͤngen, und ſie in tau- ſend Geſtalten zu formen, wie ein Knab’ eine Wachskugel zwiſchen den Fingern kne- tet, Figuren daraus bildet, wie ſie ihm die Phantaſie eingiebt, die er im Augenblick drauf zerſtoͤhrt, um andre zu erſchaffen. Die Réverie, wer ſie verſteht und drauf achtet, iſt, denk ich, das, was der Lava- ter eine poetiſirende Seel nennt: denn poeti-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/16>, abgerufen am 21.11.2024.