Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

freylich im nein Jtinerarium: Fasttag --,
mahlt ein groß Kreuz dazu, und dacht: da-
her komm ich nicht wieder.

Den Webbel konnt ich den ganzen Mor-
gen nicht verdauen. War sein Glück, daß
ihm nicht enfiel, mir's Geleit zu geben,
fürcht, daß ich ihm mit einem sinnlichen
Argument ins Gesicht gefahren wär: denn
nun fing mich sein gestrig Gered' an erst
recht zu wurmen. Auch kam mir wie ge-
rufen in den Sinn die herzige Apostrophe
des Lavaters an Menschenfreunde, Littera-
toren und Jünglingslehrer, da er spricht:
verhütets doch, daß ungeübte physiognomi-
sche Schwätzer, die nichts sehen, oder nur
halb und schief sehen, durch ihr Gewäsch'
uns nicht die gute göttliche Wahrheit der
Physiognomik verderben. Nicht verwan-
deln ihre Herrlichkeit in unvernünftige Vieh-
heit. Mich dünkt, er hab' recht solche
Ketzer, als der Mag. Wabbel einer war,

vor
G 5

freylich im nein Jtinerarium: Faſttag —,
mahlt ein groß Kreuz dazu, und dacht: da-
her komm ich nicht wieder.

Den Webbel konnt ich den ganzen Mor-
gen nicht verdauen. War ſein Gluͤck, daß
ihm nicht enfiel, mir’s Geleit zu geben,
fuͤrcht, daß ich ihm mit einem ſinnlichen
Argument ins Geſicht gefahren waͤr: denn
nun fing mich ſein geſtrig Gered’ an erſt
recht zu wurmen. Auch kam mir wie ge-
rufen in den Sinn die herzige Apoſtrophe
des Lavaters an Menſchenfreunde, Littera-
toren und Juͤnglingslehrer, da er ſpricht:
verhuͤtets doch, daß ungeuͤbte phyſiognomi-
ſche Schwaͤtzer, die nichts ſehen, oder nur
halb und ſchief ſehen, durch ihr Gewaͤſch’
uns nicht die gute goͤttliche Wahrheit der
Phyſiognomik verderben. Nicht verwan-
deln ihre Herrlichkeit in unvernuͤnftige Vieh-
heit. Mich duͤnkt, er hab’ recht ſolche
Ketzer, als der Mag. Wabbel einer war,

vor
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="105"/>
freylich im nein Jtinerarium: Fa&#x017F;ttag &#x2014;,<lb/>
mahlt ein groß Kreuz dazu, und dacht: da-<lb/>
her komm ich nicht wieder.</p><lb/>
        <p>Den Webbel konnt ich den ganzen Mor-<lb/>
gen nicht verdauen. War &#x017F;ein Glu&#x0364;ck, daß<lb/>
ihm nicht enfiel, mir&#x2019;s Geleit zu geben,<lb/>
fu&#x0364;rcht, daß ich ihm mit einem &#x017F;innlichen<lb/>
Argument ins Ge&#x017F;icht gefahren wa&#x0364;r: denn<lb/>
nun fing mich &#x017F;ein ge&#x017F;trig Gered&#x2019; an er&#x017F;t<lb/>
recht zu wurmen. Auch kam mir wie ge-<lb/>
rufen in den Sinn die herzige Apo&#x017F;trophe<lb/>
des Lavaters an Men&#x017F;chenfreunde, Littera-<lb/>
toren und Ju&#x0364;nglingslehrer, da er &#x017F;pricht:<lb/>
verhu&#x0364;tets doch, daß ungeu&#x0364;bte phy&#x017F;iognomi-<lb/>
&#x017F;che Schwa&#x0364;tzer, die nichts &#x017F;ehen, oder nur<lb/>
halb und &#x017F;chief &#x017F;ehen, durch ihr Gewa&#x0364;&#x017F;ch&#x2019;<lb/>
uns nicht die gute go&#x0364;ttliche Wahrheit der<lb/>
Phy&#x017F;iognomik verderben. Nicht verwan-<lb/>
deln ihre Herrlichkeit in unvernu&#x0364;nftige Vieh-<lb/>
heit. Mich du&#x0364;nkt, er hab&#x2019; recht &#x017F;olche<lb/>
Ketzer, als der Mag. Wabbel einer war,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">vor</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0105] freylich im nein Jtinerarium: Faſttag —, mahlt ein groß Kreuz dazu, und dacht: da- her komm ich nicht wieder. Den Webbel konnt ich den ganzen Mor- gen nicht verdauen. War ſein Gluͤck, daß ihm nicht enfiel, mir’s Geleit zu geben, fuͤrcht, daß ich ihm mit einem ſinnlichen Argument ins Geſicht gefahren waͤr: denn nun fing mich ſein geſtrig Gered’ an erſt recht zu wurmen. Auch kam mir wie ge- rufen in den Sinn die herzige Apoſtrophe des Lavaters an Menſchenfreunde, Littera- toren und Juͤnglingslehrer, da er ſpricht: verhuͤtets doch, daß ungeuͤbte phyſiognomi- ſche Schwaͤtzer, die nichts ſehen, oder nur halb und ſchief ſehen, durch ihr Gewaͤſch’ uns nicht die gute goͤttliche Wahrheit der Phyſiognomik verderben. Nicht verwan- deln ihre Herrlichkeit in unvernuͤnftige Vieh- heit. Mich duͤnkt, er hab’ recht ſolche Ketzer, als der Mag. Wabbel einer war, vor G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/105
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/105>, abgerufen am 21.11.2024.