Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

terofficiers; und aus dessen Handschrift Mi-
lord Montaigü, der es an der Aufschrift
der Briefe sehen konnte, ob sie ein Castrat
oder ein Kranker geschrieben hatte, gleich
würde erkannt haben, daß er weder krank
noch castrirt sey, im Fall er des Lords Kor-
respondent gewesen wäre: lieferte zu den
Beweisen aus alten und neuen Schriftstellern
für die Wahrheit der Physiognomik, einige
Supplemente aus den Maximen des gemei-
nen Lebens, die gelehrter Muthwille in
zwey lateinische Verse verfaßt hat. Sie
sind in keinem gedruckten Buche, wohl aber
zuweilen an den Fensterscheiben und Wän-
den der Wirthshäuser zu lesen, haben sich
durch diese Art Tradition schon durch man-
che Geschlechtsfolge herunter erhalten, und
geben Anweisung, aus der Beschaffenheit
einiger Theile des Gesichtes auf gewisse ver-
boxgene Talente zu schließen. Herr F**aff
konnte nicht aufhören darüber zu witzeln,
und meinte ein Kommentar über dieses phy-
siognomische Apophtegma, mit einigen my-
stischen Stellen unsrer Dichter aufgestuzt,
wär für Herrn Dodsley ein ergiebiger Ver-
lagsartikel, seinen verfallnen Finanzen wie-
der aufzuhelfen.

Doktor

terofficiers; und aus deſſen Handſchrift Mi-
lord Montaiguͤ, der es an der Aufſchrift
der Briefe ſehen konnte, ob ſie ein Caſtrat
oder ein Kranker geſchrieben hatte, gleich
wuͤrde erkannt haben, daß er weder krank
noch caſtrirt ſey, im Fall er des Lords Kor-
reſpondent geweſen waͤre: lieferte zu den
Beweiſen aus alten und neuen Schriftſtellern
fuͤr die Wahrheit der Phyſiognomik, einige
Supplemente aus den Maximen des gemei-
nen Lebens, die gelehrter Muthwille in
zwey lateiniſche Verſe verfaßt hat. Sie
ſind in keinem gedruckten Buche, wohl aber
zuweilen an den Fenſterſcheiben und Waͤn-
den der Wirthshaͤuſer zu leſen, haben ſich
durch dieſe Art Tradition ſchon durch man-
che Geſchlechtsfolge herunter erhalten, und
geben Anweiſung, aus der Beſchaffenheit
einiger Theile des Geſichtes auf gewiſſe ver-
boxgene Talente zu ſchließen. Herr F**aff
konnte nicht aufhoͤren daruͤber zu witzeln,
und meinte ein Kommentar uͤber dieſes phy-
ſiognomiſche Apophtegma, mit einigen my-
ſtiſchen Stellen unſrer Dichter aufgeſtuzt,
waͤr fuͤr Herrn Dodsley ein ergiebiger Ver-
lagsartikel, ſeinen verfallnen Finanzen wie-
der aufzuhelfen.

Doktor
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="86"/>
terofficiers; und aus de&#x017F;&#x017F;en Hand&#x017F;chrift Mi-<lb/>
lord Montaigu&#x0364;, der es an der Auf&#x017F;chrift<lb/>
der Briefe &#x017F;ehen konnte, ob &#x017F;ie ein Ca&#x017F;trat<lb/>
oder ein Kranker ge&#x017F;chrieben hatte, gleich<lb/>
wu&#x0364;rde erkannt haben, daß er weder krank<lb/>
noch ca&#x017F;trirt &#x017F;ey, im Fall er des Lords Kor-<lb/>
re&#x017F;pondent gewe&#x017F;en wa&#x0364;re: lieferte zu den<lb/>
Bewei&#x017F;en aus alten und neuen Schrift&#x017F;tellern<lb/>
fu&#x0364;r die Wahrheit der Phy&#x017F;iognomik, einige<lb/>
Supplemente aus den Maximen des gemei-<lb/>
nen Lebens, die gelehrter Muthwille in<lb/>
zwey lateini&#x017F;che Ver&#x017F;e verfaßt hat. Sie<lb/>
&#x017F;ind in keinem gedruckten Buche, wohl aber<lb/>
zuweilen an den Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben und Wa&#x0364;n-<lb/>
den der Wirthsha&#x0364;u&#x017F;er zu le&#x017F;en, haben &#x017F;ich<lb/>
durch die&#x017F;e Art Tradition &#x017F;chon durch man-<lb/>
che Ge&#x017F;chlechtsfolge herunter erhalten, und<lb/>
geben Anwei&#x017F;ung, aus der Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
einiger Theile des Ge&#x017F;ichtes auf gewi&#x017F;&#x017F;e ver-<lb/>
boxgene Talente zu &#x017F;chließen. Herr F**aff<lb/>
konnte nicht aufho&#x0364;ren daru&#x0364;ber zu witzeln,<lb/>
und meinte ein Kommentar u&#x0364;ber die&#x017F;es phy-<lb/>
&#x017F;iognomi&#x017F;che Apophtegma, mit einigen my-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Stellen un&#x017F;rer Dichter aufge&#x017F;tuzt,<lb/>
wa&#x0364;r fu&#x0364;r Herrn Dodsley ein ergiebiger Ver-<lb/>
lagsartikel, &#x017F;einen verfallnen Finanzen wie-<lb/>
der aufzuhelfen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Doktor</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] terofficiers; und aus deſſen Handſchrift Mi- lord Montaiguͤ, der es an der Aufſchrift der Briefe ſehen konnte, ob ſie ein Caſtrat oder ein Kranker geſchrieben hatte, gleich wuͤrde erkannt haben, daß er weder krank noch caſtrirt ſey, im Fall er des Lords Kor- reſpondent geweſen waͤre: lieferte zu den Beweiſen aus alten und neuen Schriftſtellern fuͤr die Wahrheit der Phyſiognomik, einige Supplemente aus den Maximen des gemei- nen Lebens, die gelehrter Muthwille in zwey lateiniſche Verſe verfaßt hat. Sie ſind in keinem gedruckten Buche, wohl aber zuweilen an den Fenſterſcheiben und Waͤn- den der Wirthshaͤuſer zu leſen, haben ſich durch dieſe Art Tradition ſchon durch man- che Geſchlechtsfolge herunter erhalten, und geben Anweiſung, aus der Beſchaffenheit einiger Theile des Geſichtes auf gewiſſe ver- boxgene Talente zu ſchließen. Herr F**aff konnte nicht aufhoͤren daruͤber zu witzeln, und meinte ein Kommentar uͤber dieſes phy- ſiognomiſche Apophtegma, mit einigen my- ſtiſchen Stellen unſrer Dichter aufgeſtuzt, waͤr fuͤr Herrn Dodsley ein ergiebiger Ver- lagsartikel, ſeinen verfallnen Finanzen wie- der aufzuhelfen. Doktor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/92
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/92>, abgerufen am 03.05.2024.