forderte dem Vater seinen Lieblingssohn Ben- jamin ab. So weit mein Autor. -- Pos- sierlich ists, aber schwer hälts nicht, an dem Edukator Jacob zum Ritter zu werden und seine Methode unweise zu finden, wenn sie in Gedanken der Dessauer gegenüber ge- stellt wird. Doch ists auch wahr, daß der Patriarch nichts klügers hätte thun können, wenn zu seiner Zeit irgendwo ein Philan- thropium vorhanden gewesen wär, als seine männliche Descendenz sammt und sonders dahin zuschicken, und sie dort lieber als Se- migratisten oder Famulanten unterzubringen, als sich selbst mit der Erziehung zu befassen: denn dafür hatte der Altvater so wenig als Sie, mein Freund, Talent empfangen. Lassen Sie also den Wigand ihre liebe Ju- gend nur immer gängeln, wird nichts daran verderben; ist ein weidlicher Gesell und kein Gimpel, hat Menschenverstand, welchen ich ihm, als er bey mir herbergt, auf den er- sten Anblick abgemerkt hab, schwebt ihm auf der Stirn, und von da, zwischen den Augbraunen bis zur Nasenwurzel herab. Was mir aber absonderlich an dem Kerlgen gefiel, war sein physiognomischer Scharf- blick. Fühlt' ihm ein wenig auf den Zahn,
und
forderte dem Vater ſeinen Lieblingsſohn Ben- jamin ab. So weit mein Autor. — Poſ- ſierlich iſts, aber ſchwer haͤlts nicht, an dem Edukator Jacob zum Ritter zu werden und ſeine Methode unweiſe zu finden, wenn ſie in Gedanken der Deſſauer gegenuͤber ge- ſtellt wird. Doch iſts auch wahr, daß der Patriarch nichts kluͤgers haͤtte thun koͤnnen, wenn zu ſeiner Zeit irgendwo ein Philan- thropium vorhanden geweſen waͤr, als ſeine maͤnnliche Deſcendenz ſammt und ſonders dahin zuſchicken, und ſie dort lieber als Se- migratiſten oder Famulanten unterzubringen, als ſich ſelbſt mit der Erziehung zu befaſſen: denn dafuͤr hatte der Altvater ſo wenig als Sie, mein Freund, Talent empfangen. Laſſen Sie alſo den Wigand ihre liebe Ju- gend nur immer gaͤngeln, wird nichts daran verderben; iſt ein weidlicher Geſell und kein Gimpel, hat Menſchenverſtand, welchen ich ihm, als er bey mir herbergt, auf den er- ſten Anblick abgemerkt hab, ſchwebt ihm auf der Stirn, und von da, zwiſchen den Augbraunen bis zur Naſenwurzel herab. Was mir aber abſonderlich an dem Kerlgen gefiel, war ſein phyſiognomiſcher Scharf- blick. Fuͤhlt’ ihm ein wenig auf den Zahn,
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forderte dem Vater ſeinen Lieblingsſohn Ben-
jamin ab. So weit mein Autor. — Poſ-
ſierlich iſts, aber ſchwer haͤlts nicht, an
dem Edukator Jacob zum Ritter zu werden
und ſeine Methode unweiſe zu finden, wenn
ſie in Gedanken der Deſſauer gegenuͤber ge-
ſtellt wird. Doch iſts auch wahr, daß der
Patriarch nichts kluͤgers haͤtte thun koͤnnen,
wenn zu ſeiner Zeit irgendwo ein Philan-
thropium vorhanden geweſen waͤr, als ſeine
maͤnnliche Deſcendenz ſammt und ſonders
dahin zuſchicken, und ſie dort lieber als Se-
migratiſten oder Famulanten unterzubringen,
als ſich ſelbſt mit der Erziehung zu befaſſen:
denn dafuͤr hatte der Altvater ſo wenig als
Sie, mein Freund, Talent empfangen.
Laſſen Sie alſo den Wigand ihre liebe Ju-
gend nur immer gaͤngeln, wird nichts daran
verderben; iſt ein weidlicher Geſell und kein
Gimpel, hat Menſchenverſtand, welchen ich
ihm, als er bey mir herbergt, auf den er-
ſten Anblick abgemerkt hab, ſchwebt ihm
auf der Stirn, und von da, zwiſchen den
Augbraunen bis zur Naſenwurzel herab.
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/82>, abgerufen am 01.08.2024.
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