behren können, das waren freylich Schlacken; aber ich gewann daraus den Silberblick eines geübten Gedächtnisses und Muth zur Ar- beit, daß ich hernach mich frisch ins Zeug warf, wenn ich die Bürde der Geschäfte hinter mir herschleppen mußte.
Mit meinem Heidesheimer Emigranten würde ich nun wohl kurzen Prozeß machen, wenn er nicht von meiner Donna protegirt würde, die nicht die Zweite sondern die er- ste Person hier im Hause ist. Jch bin, doch das unter uns, Weiber Lehn! Wie kan das anders seyn? Sie ein iunges rasches Weib, ehemals Hofdame obendrein, und ich ein Graubart. Venus und Vulkan! Tritt er nicht ans Gebläse, wenn sie ihn streichelt, flucht und wettert in seiner Werkstatt, und schmiedet ihr doch ganz dienstfertig Waffen- rüstung, wie sie es begehrt.
Jn dem Modekrahm meiner Frau schwimmt die leidige Physiognomik iezt oben auf, darin- nen ist nun das Hausgenie ein großer Mei- ster, oder giebt sich wenigstens dafür aus: denn verschmizt ist er wie ein Fuchs. Moch- te wohl bald merken wie hier die Actien stünden, und wenn er der Dame vom Hau- se unter die Flügel kröch, daß ihm warm
und
behren koͤnnen, das waren freylich Schlacken; aber ich gewann daraus den Silberblick eines geuͤbten Gedaͤchtniſſes und Muth zur Ar- beit, daß ich hernach mich friſch ins Zeug warf, wenn ich die Buͤrde der Geſchaͤfte hinter mir herſchleppen mußte.
Mit meinem Heidesheimer Emigranten wuͤrde ich nun wohl kurzen Prozeß machen, wenn er nicht von meiner Donna protegirt wuͤrde, die nicht die Zweite ſondern die er- ſte Perſon hier im Hauſe iſt. Jch bin, doch das unter uns, Weiber Lehn! Wie kan das anders ſeyn? Sie ein iunges raſches Weib, ehemals Hofdame obendrein, und ich ein Graubart. Venus und Vulkan! Tritt er nicht ans Geblaͤſe, wenn ſie ihn ſtreichelt, flucht und wettert in ſeiner Werkſtatt, und ſchmiedet ihr doch ganz dienſtfertig Waffen- ruͤſtung, wie ſie es begehrt.
Jn dem Modekrahm meiner Frau ſchwimmt die leidige Phyſiognomik iezt oben auf, darin- nen iſt nun das Hausgenie ein großer Mei- ſter, oder giebt ſich wenigſtens dafuͤr aus: denn verſchmizt iſt er wie ein Fuchs. Moch- te wohl bald merken wie hier die Actien ſtuͤnden, und wenn er der Dame vom Hau- ſe unter die Fluͤgel kroͤch, daß ihm warm
und
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behren koͤnnen, das waren freylich Schlacken;
aber ich gewann daraus den Silberblick eines
geuͤbten Gedaͤchtniſſes und Muth zur Ar-
beit, daß ich hernach mich friſch ins Zeug
warf, wenn ich die Buͤrde der Geſchaͤfte
hinter mir herſchleppen mußte.
Mit meinem Heidesheimer Emigranten
wuͤrde ich nun wohl kurzen Prozeß machen,
wenn er nicht von meiner Donna protegirt
wuͤrde, die nicht die Zweite ſondern die er-
ſte Perſon hier im Hauſe iſt. Jch bin, doch
das unter uns, Weiber Lehn! Wie kan das
anders ſeyn? Sie ein iunges raſches Weib,
ehemals Hofdame obendrein, und ich ein
Graubart. Venus und Vulkan! Tritt er
nicht ans Geblaͤſe, wenn ſie ihn ſtreichelt,
flucht und wettert in ſeiner Werkſtatt, und
ſchmiedet ihr doch ganz dienſtfertig Waffen-
ruͤſtung, wie ſie es begehrt.
Jn dem Modekrahm meiner Frau ſchwimmt
die leidige Phyſiognomik iezt oben auf, darin-
nen iſt nun das Hausgenie ein großer Mei-
ſter, oder giebt ſich wenigſtens dafuͤr aus:
denn verſchmizt iſt er wie ein Fuchs. Moch-
te wohl bald merken wie hier die Actien
ſtuͤnden, und wenn er der Dame vom Hau-
ſe unter die Fluͤgel kroͤch, daß ihm warm
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/72>, abgerufen am 08.07.2024.
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