bedeuten, so wie die Hütten selbst lauter Tem- pel sind: Einer der Tugend, der Andre der Geschichte, der Dritte der Weisheit und so ferner, gewidmet. Rings um ieden ist ein Rosenhayn, oder wie das Ding heißt, ge- pflanzet, und an dem Geländer schlingen sich Lilien, Jasmin und Geißblatt hinauf.
Toll genug! aber mein Garten hats em- pfunden: sieht aus, als wenn ihn die Maulwürfe durchwühlt hätten, so hat der Kauz der Hofmeister darinnen gewirthschaf- tet. Denn in meiner Abwesenheit hat er beynahe alles Blumenwerk heraus nehmen und in den Wald verpflanzen lassen, mich nimmt nur Wunder, daß er nicht Eichen und Birken in den Garten versetzt hat, so wär doch die verkehrte Welt vollkommen.
Das Spielwerk sollte mich zwar wenig kümmern, möchte er meinetwegen mit den Kindern täglich zu seinen Tempeln wallfar- then; für einen Spaziergang laß ichs gel- ten, nur sollte er nachher zu Hause sie desto fleißiger an die Schulbücher halten. Denn was er den Kindern draussen unter freiem Himmel aus dem Kopfe vorbetet, wenn er mit ihnen aus einem Hüttgen ins andre läuft, als ob er in iedem eine Messe zu le-
sen
bedeuten, ſo wie die Huͤtten ſelbſt lauter Tem- pel ſind: Einer der Tugend, der Andre der Geſchichte, der Dritte der Weisheit und ſo ferner, gewidmet. Rings um ieden iſt ein Roſenhayn, oder wie das Ding heißt, ge- pflanzet, und an dem Gelaͤnder ſchlingen ſich Lilien, Jasmin und Geißblatt hinauf.
Toll genug! aber mein Garten hats em- pfunden: ſieht aus, als wenn ihn die Maulwuͤrfe durchwuͤhlt haͤtten, ſo hat der Kauz der Hofmeiſter darinnen gewirthſchaf- tet. Denn in meiner Abweſenheit hat er beynahe alles Blumenwerk heraus nehmen und in den Wald verpflanzen laſſen, mich nimmt nur Wunder, daß er nicht Eichen und Birken in den Garten verſetzt hat, ſo waͤr doch die verkehrte Welt vollkommen.
Das Spielwerk ſollte mich zwar wenig kuͤmmern, moͤchte er meinetwegen mit den Kindern taͤglich zu ſeinen Tempeln wallfar- then; fuͤr einen Spaziergang laß ichs gel- ten, nur ſollte er nachher zu Hauſe ſie deſto fleißiger an die Schulbuͤcher halten. Denn was er den Kindern drauſſen unter freiem Himmel aus dem Kopfe vorbetet, wenn er mit ihnen aus einem Huͤttgen ins andre laͤuft, als ob er in iedem eine Meſſe zu le-
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bedeuten, ſo wie die Huͤtten ſelbſt lauter Tem-
pel ſind: Einer der Tugend, der Andre der
Geſchichte, der Dritte der Weisheit und ſo
ferner, gewidmet. Rings um ieden iſt ein
Roſenhayn, oder wie das Ding heißt, ge-
pflanzet, und an dem Gelaͤnder ſchlingen
ſich Lilien, Jasmin und Geißblatt hinauf.
Toll genug! aber mein Garten hats em-
pfunden: ſieht aus, als wenn ihn die
Maulwuͤrfe durchwuͤhlt haͤtten, ſo hat der
Kauz der Hofmeiſter darinnen gewirthſchaf-
tet. Denn in meiner Abweſenheit hat er
beynahe alles Blumenwerk heraus nehmen
und in den Wald verpflanzen laſſen, mich
nimmt nur Wunder, daß er nicht Eichen
und Birken in den Garten verſetzt hat, ſo
waͤr doch die verkehrte Welt vollkommen.
Das Spielwerk ſollte mich zwar wenig
kuͤmmern, moͤchte er meinetwegen mit den
Kindern taͤglich zu ſeinen Tempeln wallfar-
then; fuͤr einen Spaziergang laß ichs gel-
ten, nur ſollte er nachher zu Hauſe ſie deſto
fleißiger an die Schulbuͤcher halten. Denn
was er den Kindern drauſſen unter freiem
Himmel aus dem Kopfe vorbetet, wenn er
mit ihnen aus einem Huͤttgen ins andre
laͤuft, als ob er in iedem eine Meſſe zu le-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/70>, abgerufen am 16.02.2025.
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