Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Schlag ein, sprach ich, wandt mich und
bot meinem Philipp die Hand, bist mein
Mann: hast 'n weiches menschliches Herz,
hab dich drum lieber. Aber der Markus
wird dir dein Mitleid schlecht lohnen, ist
ein verwogner grundböser Kerl.

Phil. 'S kann ihn doch niemand ei-
nes Bubenstücks zeyhen.

Das nicht; aber betracht nur das Ge-
sicht, das der Kerl hat.

Phil. Je nun, hat 'n dick Wurstmaul
einen hämischen Blick und straubig Haar wie
Schweinsborsten. Daran hat er nicht Schuld.

Jch auch nicht. Doch das all' sollt' mich
nicht irren; aber merk auf was ich dir iezt
sag. Als ich vergangnen Winter alle meine
Leut' silhouettirt', nahm ich auch den Mar-
kus vor, hatt' dabey kein' argen Gedanken
wider ihn, veriüngt' drauf seinen Kopf, wie
die andern Schattenköpf' und nagelt' ihn in
mein Kloset, dacht nicht mehr daran, bis
einer meiner physiognomischen Freund kam,
und mit seinem Glaß die Schattenbildlein
durchlorgnirt'. Der macht' mich aufmerk-
sam, sprach: was macht Rüdgerodt da, in
der Gesellschaft ehrlicher Leut? -- Das ist
Markus mein Schäfer erwiederte ich, und

nicht

Schlag ein, ſprach ich, wandt mich und
bot meinem Philipp die Hand, biſt mein
Mann: haſt ’n weiches menſchliches Herz,
hab dich drum lieber. Aber der Markus
wird dir dein Mitleid ſchlecht lohnen, iſt
ein verwogner grundboͤſer Kerl.

Phil. ’S kann ihn doch niemand ei-
nes Bubenſtuͤcks zeyhen.

Das nicht; aber betracht nur das Ge-
ſicht, das der Kerl hat.

Phil. Je nun, hat ’n dick Wurſtmaul
einen haͤmiſchen Blick und ſtraubig Haar wie
Schweinsborſten. Daran hat er nicht Schuld.

Jch auch nicht. Doch das all’ ſollt’ mich
nicht irren; aber merk auf was ich dir iezt
ſag. Als ich vergangnen Winter alle meine
Leut’ ſilhouettirt’, nahm ich auch den Mar-
kus vor, hatt’ dabey kein’ argen Gedanken
wider ihn, veriuͤngt’ drauf ſeinen Kopf, wie
die andern Schattenkoͤpf’ und nagelt’ ihn in
mein Kloſet, dacht nicht mehr daran, bis
einer meiner phyſiognomiſchen Freund kam,
und mit ſeinem Glaß die Schattenbildlein
durchlorgnirt’. Der macht’ mich aufmerk-
ſam, ſprach: was macht Ruͤdgerodt da, in
der Geſellſchaft ehrlicher Leut? — Das iſt
Markus mein Schaͤfer erwiederte ich, und

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0040" n="34"/>
          <p>Schlag ein, &#x017F;prach ich, wandt mich und<lb/>
bot meinem Philipp die Hand, bi&#x017F;t mein<lb/>
Mann: ha&#x017F;t &#x2019;n weiches men&#x017F;chliches Herz,<lb/>
hab dich drum lieber. Aber der Markus<lb/>
wird dir dein Mitleid &#x017F;chlecht lohnen, i&#x017F;t<lb/>
ein verwogner grundbo&#x0364;&#x017F;er Kerl.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Phil.</hi> &#x2019;S kann ihn doch niemand ei-<lb/>
nes Buben&#x017F;tu&#x0364;cks zeyhen.</p><lb/>
          <p>Das nicht; aber betracht nur das Ge-<lb/>
&#x017F;icht, das der Kerl hat.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Phil.</hi> Je nun, hat &#x2019;n dick Wur&#x017F;tmaul<lb/>
einen ha&#x0364;mi&#x017F;chen Blick und &#x017F;traubig Haar wie<lb/>
Schweinsbor&#x017F;ten. Daran hat er nicht Schuld.</p><lb/>
          <p>Jch auch nicht. Doch das all&#x2019; &#x017F;ollt&#x2019; mich<lb/>
nicht irren; aber merk auf was ich dir iezt<lb/>
&#x017F;ag. Als ich vergangnen Winter alle meine<lb/>
Leut&#x2019; &#x017F;ilhouettirt&#x2019;, nahm ich auch den Mar-<lb/>
kus vor, hatt&#x2019; dabey kein&#x2019; argen Gedanken<lb/>
wider ihn, veriu&#x0364;ngt&#x2019; drauf &#x017F;einen Kopf, wie<lb/>
die andern Schattenko&#x0364;pf&#x2019; und nagelt&#x2019; ihn in<lb/>
mein Klo&#x017F;et, dacht nicht mehr daran, bis<lb/>
einer meiner phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Freund kam,<lb/>
und mit &#x017F;einem Glaß die Schattenbildlein<lb/>
durchlorgnirt&#x2019;. Der macht&#x2019; mich aufmerk-<lb/>
&#x017F;am, &#x017F;prach: was macht Ru&#x0364;dgerodt da, in<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ehrlicher Leut? &#x2014; Das i&#x017F;t<lb/>
Markus mein Scha&#x0364;fer erwiederte ich, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0040] Schlag ein, ſprach ich, wandt mich und bot meinem Philipp die Hand, biſt mein Mann: haſt ’n weiches menſchliches Herz, hab dich drum lieber. Aber der Markus wird dir dein Mitleid ſchlecht lohnen, iſt ein verwogner grundboͤſer Kerl. Phil. ’S kann ihn doch niemand ei- nes Bubenſtuͤcks zeyhen. Das nicht; aber betracht nur das Ge- ſicht, das der Kerl hat. Phil. Je nun, hat ’n dick Wurſtmaul einen haͤmiſchen Blick und ſtraubig Haar wie Schweinsborſten. Daran hat er nicht Schuld. Jch auch nicht. Doch das all’ ſollt’ mich nicht irren; aber merk auf was ich dir iezt ſag. Als ich vergangnen Winter alle meine Leut’ ſilhouettirt’, nahm ich auch den Mar- kus vor, hatt’ dabey kein’ argen Gedanken wider ihn, veriuͤngt’ drauf ſeinen Kopf, wie die andern Schattenkoͤpf’ und nagelt’ ihn in mein Kloſet, dacht nicht mehr daran, bis einer meiner phyſiognomiſchen Freund kam, und mit ſeinem Glaß die Schattenbildlein durchlorgnirt’. Der macht’ mich aufmerk- ſam, ſprach: was macht Ruͤdgerodt da, in der Geſellſchaft ehrlicher Leut? — Das iſt Markus mein Schaͤfer erwiederte ich, und nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/40
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/40>, abgerufen am 09.10.2024.