Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

bis zu Ende; konnts ihm aber bald an der
Physiognomie abmerken, daß er was in
petto hab' damit er nicht raus wollt'.
Derohalben wackelt' ich so lang an dem
Zahn, bis ich ihn aus der Wurzel hob.

Da ergab sich nun so viel, daß Mag.
Oelgötz an der physiognomischen Kunst selbst
nichts meistern wollt, die sey, sagt' er, über
seinen Horizont. Daran that er auch wohl,
hätt' mir derselb wahrlich! ins Auge gegrif-
fen, wenn er sich daran gewagt hätt'; aber
an meinem Styl fand er viel zu mustern,
meint' der wär nicht just, wär nach der Wei-
se der Altfranken, müßt ihn erst ein wenig
vermodernisiren lassen, eh' ich mit meinem
Büchlein herausrückt'. Statt aller Wider-
legung langt ich ein Stück der Frankfurter
gelehrten Zeitung aus der Taschen hervor, die
ich zu gewissem Gebrauch immer bey mir zu
tragen pflege: Da les' der Herr, sprach ich,
die Herren da verstehn sich doch wohl auf
den deutschen Styl so gut, als die Gesell-
schafter von Bernburg; ist auch manch fein
Büchlein ganz neuerdings in dieser schlicht
und rechten herzigen Mundart geschrieben.
Der schnurrige Asmus, sonst genarnit der

Wands-

bis zu Ende; konnts ihm aber bald an der
Phyſiognomie abmerken, daß er was in
petto hab’ damit er nicht raus wollt’.
Derohalben wackelt’ ich ſo lang an dem
Zahn, bis ich ihn aus der Wurzel hob.

Da ergab ſich nun ſo viel, daß Mag.
Oelgoͤtz an der phyſiognomiſchen Kunſt ſelbſt
nichts meiſtern wollt, die ſey, ſagt’ er, uͤber
ſeinen Horizont. Daran that er auch wohl,
haͤtt’ mir derſelb wahrlich! ins Auge gegrif-
fen, wenn er ſich daran gewagt haͤtt’; aber
an meinem Styl fand er viel zu muſtern,
meint’ der waͤr nicht juſt, waͤr nach der Wei-
ſe der Altfranken, muͤßt ihn erſt ein wenig
vermoderniſiren laſſen, eh’ ich mit meinem
Buͤchlein herausruͤckt’. Statt aller Wider-
legung langt ich ein Stuͤck der Frankfurter
gelehrten Zeitung aus der Taſchen hervor, die
ich zu gewiſſem Gebrauch immer bey mir zu
tragen pflege: Da leſ’ der Herr, ſprach ich,
die Herren da verſtehn ſich doch wohl auf
den deutſchen Styl ſo gut, als die Geſell-
ſchafter von Bernburg; iſt auch manch fein
Buͤchlein ganz neuerdings in dieſer ſchlicht
und rechten herzigen Mundart geſchrieben.
Der ſchnurrige Aſmus, ſonſt genarnit der

Wands-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0022" n="16"/>
bis zu Ende; konnts ihm aber bald an der<lb/>
Phy&#x017F;iognomie abmerken, daß er was in<lb/><hi rendition="#aq">petto</hi> hab&#x2019; damit er nicht raus wollt&#x2019;.<lb/>
Derohalben wackelt&#x2019; ich &#x017F;o lang an dem<lb/>
Zahn, bis ich ihn aus der Wurzel hob.</p><lb/>
            <p>Da ergab &#x017F;ich nun &#x017F;o viel, daß Mag.<lb/>
Oelgo&#x0364;tz an der phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Kun&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nichts mei&#x017F;tern wollt, die &#x017F;ey, &#x017F;agt&#x2019; er, u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;einen Horizont. Daran that er auch wohl,<lb/>
ha&#x0364;tt&#x2019; mir der&#x017F;elb wahrlich! ins Auge gegrif-<lb/>
fen, wenn er &#x017F;ich daran gewagt ha&#x0364;tt&#x2019;; aber<lb/>
an meinem Styl fand er viel zu mu&#x017F;tern,<lb/>
meint&#x2019; der wa&#x0364;r nicht ju&#x017F;t, wa&#x0364;r nach der Wei-<lb/>
&#x017F;e der Altfranken, mu&#x0364;ßt ihn er&#x017F;t ein wenig<lb/>
vermoderni&#x017F;iren la&#x017F;&#x017F;en, eh&#x2019; ich mit meinem<lb/>
Bu&#x0364;chlein herausru&#x0364;ckt&#x2019;. Statt aller Wider-<lb/>
legung langt ich ein Stu&#x0364;ck der Frankfurter<lb/>
gelehrten Zeitung aus der Ta&#x017F;chen hervor, die<lb/>
ich zu gewi&#x017F;&#x017F;em Gebrauch immer bey mir zu<lb/>
tragen pflege: Da le&#x017F;&#x2019; der Herr, &#x017F;prach ich,<lb/>
die Herren da ver&#x017F;tehn &#x017F;ich doch wohl auf<lb/>
den deut&#x017F;chen Styl &#x017F;o gut, als die Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafter von Bernburg; i&#x017F;t auch manch fein<lb/>
Bu&#x0364;chlein ganz neuerdings in die&#x017F;er &#x017F;chlicht<lb/>
und rechten herzigen Mundart ge&#x017F;chrieben.<lb/>
Der &#x017F;chnurrige A&#x017F;mus, &#x017F;on&#x017F;t genarnit der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wands-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0022] bis zu Ende; konnts ihm aber bald an der Phyſiognomie abmerken, daß er was in petto hab’ damit er nicht raus wollt’. Derohalben wackelt’ ich ſo lang an dem Zahn, bis ich ihn aus der Wurzel hob. Da ergab ſich nun ſo viel, daß Mag. Oelgoͤtz an der phyſiognomiſchen Kunſt ſelbſt nichts meiſtern wollt, die ſey, ſagt’ er, uͤber ſeinen Horizont. Daran that er auch wohl, haͤtt’ mir derſelb wahrlich! ins Auge gegrif- fen, wenn er ſich daran gewagt haͤtt’; aber an meinem Styl fand er viel zu muſtern, meint’ der waͤr nicht juſt, waͤr nach der Wei- ſe der Altfranken, muͤßt ihn erſt ein wenig vermoderniſiren laſſen, eh’ ich mit meinem Buͤchlein herausruͤckt’. Statt aller Wider- legung langt ich ein Stuͤck der Frankfurter gelehrten Zeitung aus der Taſchen hervor, die ich zu gewiſſem Gebrauch immer bey mir zu tragen pflege: Da leſ’ der Herr, ſprach ich, die Herren da verſtehn ſich doch wohl auf den deutſchen Styl ſo gut, als die Geſell- ſchafter von Bernburg; iſt auch manch fein Buͤchlein ganz neuerdings in dieſer ſchlicht und rechten herzigen Mundart geſchrieben. Der ſchnurrige Aſmus, ſonſt genarnit der Wands-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/22
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/22>, abgerufen am 29.03.2024.