Das vernahm ich mit Freuden, dacht' alsbald bey mir selbst: du sollst der erste seyn, der auf Physiognomik auswandert, willst zu den Brüdern wallfahrten, deinen physiognomischen Glauben stärken und ver- gewissern. Mußt schon einen Ritt wagen, das all mit Augen zu sehn. Legt mich deshalb auf physiognomische Kundschaft, spührt die Kunstgenossen aus, die hie und da zerstreut sind auf Gottes deutschen Erd- boden, wie die Glieder der unsichtbaren Kirch' unter allen vier Winden des Him- mels. Bin eben von meiner ersten Reis' in meine Heirnath zurück, und zweifle nicht, daß mir bald andre in hellen Hauf- fen nachfahren werden. Kann's keinem wehren: steht der Weg einem ieden of- fen. Mag meinethalber ieder sein Ey nun auch auf die Spitze stellen, wie die Neider Christophori Columbi, nachdem er zuerst in die neue Welt geschifft war, und andern die Bahn gebrochen hatte.
Weißt
Wachsthum nicht mehr zu bezweifeln ſtehe.
Das vernahm ich mit Freuden, dacht’ alsbald bey mir ſelbſt: du ſollſt der erſte ſeyn, der auf Phyſiognomik auswandert, willſt zu den Bruͤdern wallfahrten, deinen phyſiognomiſchen Glauben ſtaͤrken und ver- gewiſſern. Mußt ſchon einen Ritt wagen, das all mit Augen zu ſehn. Legt mich deshalb auf phyſiognomiſche Kundſchaft, ſpuͤhrt die Kunſtgenoſſen aus, die hie und da zerſtreut ſind auf Gottes deutſchen Erd- boden, wie die Glieder der unſichtbaren Kirch’ unter allen vier Winden des Him- mels. Bin eben von meiner erſten Reiſ’ in meine Heirnath zuruͤck, und zweifle nicht, daß mir bald andre in hellen Hauf- fen nachfahren werden. Kann’s keinem wehren: ſteht der Weg einem ieden of- fen. Mag meinethalber ieder ſein Ey nun auch auf die Spitze ſtellen, wie die Neider Chriſtophori Columbi, nachdem er zuerſt in die neue Welt geſchifft war, und andern die Bahn gebrochen hatte.
Weißt
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Wachsthum nicht mehr zu bezweifeln
ſtehe.
Das vernahm ich mit Freuden, dacht’
alsbald bey mir ſelbſt: du ſollſt der erſte
ſeyn, der auf Phyſiognomik auswandert,
willſt zu den Bruͤdern wallfahrten, deinen
phyſiognomiſchen Glauben ſtaͤrken und ver-
gewiſſern. Mußt ſchon einen Ritt wagen,
das all mit Augen zu ſehn. Legt mich
deshalb auf phyſiognomiſche Kundſchaft,
ſpuͤhrt die Kunſtgenoſſen aus, die hie und
da zerſtreut ſind auf Gottes deutſchen Erd-
boden, wie die Glieder der unſichtbaren
Kirch’ unter allen vier Winden des Him-
mels. Bin eben von meiner erſten Reiſ’
in meine Heirnath zuruͤck, und zweifle
nicht, daß mir bald andre in hellen Hauf-
fen nachfahren werden. Kann’s keinem
wehren: ſteht der Weg einem ieden of-
fen. Mag meinethalber ieder ſein Ey
nun auch auf die Spitze ſtellen, wie die
Neider Chriſtophori Columbi, nachdem er
zuerſt in die neue Welt geſchifft war, und
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/19>, abgerufen am 08.07.2024.
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