austhun: denn ich fürchtet', es möcht den armen Mann nur drücken. Aber ich ge- steh's und bekenn's, das überlaute Hüner- gluchzen über iedes philanthropinische Ey, das die Herren legen, ist mir höchlich zu- wider. Noch weniger kan ich's Wegbeis- sen und das Eyereinlegen in fremde Ne- ster vertragen: alle Hüner, die das auf meinem Hof' thun, müssen ohne Gnad' in den Topf.
Jm Gespräch mit meinem Gast gab ein Wort 's andre, wir stießen auf allerley sinnreiche Materien, sonderlich auf eine Prüfung des ietzigen Reichsfußes, sowohl des Münz- als Litteraturwesens in Deutsch- land. Hatten uns darein so vertieft, daß die gehörnte Luna mit ihrem abnehmenden Schimmer, schon über den hohen Fichten- wald ins aehrenreiche Blachfeld herab blik- te, und die reifenden Halmen versilbert', eh wir den Rasensitz unterm wilden Birn- baum verließen, und nach Haus giengen. Nachdem Magister Gratius wohlgenährt zur Ruh gebracht war, wiederkäuet' ich, wie ich zu thun gewohnt bin, in meinem Kloset das geführte Gespräch, fand's zum Theil so interessant, daß ich flugs folgen-
des
austhun: denn ich fuͤrchtet’, es moͤcht den armen Mann nur druͤcken. Aber ich ge- ſteh’s und bekenn’s, das uͤberlaute Huͤner- gluchzen uͤber iedes philanthropiniſche Ey, das die Herren legen, iſt mir hoͤchlich zu- wider. Noch weniger kan ich’s Wegbeiſ- ſen und das Eyereinlegen in fremde Ne- ſter vertragen: alle Huͤner, die das auf meinem Hof’ thun, muͤſſen ohne Gnad’ in den Topf.
Jm Geſpraͤch mit meinem Gaſt gab ein Wort ’s andre, wir ſtießen auf allerley ſinnreiche Materien, ſonderlich auf eine Pruͤfung des ietzigen Reichsfußes, ſowohl des Muͤnz- als Litteraturweſens in Deutſch- land. Hatten uns darein ſo vertieft, daß die gehoͤrnte Luna mit ihrem abnehmenden Schimmer, ſchon uͤber den hohen Fichten- wald ins aehrenreiche Blachfeld herab blik- te, und die reifenden Halmen verſilbert’, eh wir den Raſenſitz unterm wilden Birn- baum verließen, und nach Haus giengen. Nachdem Magiſter Gratius wohlgenaͤhrt zur Ruh gebracht war, wiederkaͤuet’ ich, wie ich zu thun gewohnt bin, in meinem Kloſet das gefuͤhrte Geſpraͤch, fand’s zum Theil ſo intereſſant, daß ich flugs folgen-
des
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austhun: denn ich fuͤrchtet’, es moͤcht den
armen Mann nur druͤcken. Aber ich ge-
ſteh’s und bekenn’s, das uͤberlaute Huͤner-
gluchzen uͤber iedes philanthropiniſche Ey,
das die Herren legen, iſt mir hoͤchlich zu-
wider. Noch weniger kan ich’s Wegbeiſ-
ſen und das Eyereinlegen in fremde Ne-
ſter vertragen: alle Huͤner, die das auf
meinem Hof’ thun, muͤſſen ohne Gnad’ in
den Topf.
Jm Geſpraͤch mit meinem Gaſt gab ein
Wort ’s andre, wir ſtießen auf allerley
ſinnreiche Materien, ſonderlich auf eine
Pruͤfung des ietzigen Reichsfußes, ſowohl
des Muͤnz- als Litteraturweſens in Deutſch-
land. Hatten uns darein ſo vertieft, daß
die gehoͤrnte Luna mit ihrem abnehmenden
Schimmer, ſchon uͤber den hohen Fichten-
wald ins aehrenreiche Blachfeld herab blik-
te, und die reifenden Halmen verſilbert’,
eh wir den Raſenſitz unterm wilden Birn-
baum verließen, und nach Haus giengen.
Nachdem Magiſter Gratius wohlgenaͤhrt
zur Ruh gebracht war, wiederkaͤuet’ ich,
wie ich zu thun gewohnt bin, in meinem
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/162>, abgerufen am 16.02.2025.
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