that, als er beym Gastmahl des gestren- gen Junkers von Rosenberg zur Tafel saß, und seht wie's euch bekommt. Besser ists, der Natur den Lauf lassen, als Drang fühlen und mit Mückenkraft widerstehen; oder aus übertriebener Bescheidenheit ihn ersticken wollen.
Darfst nicht wähnen Leser, als ob dieser Drang Schriftstellerey zu treiben, iugend- licher Pruritus sey; oder als ob ich dir Ausschußkram vertrödeln wollt' wie die Zweygroschen Bude. Hab' meine Wort' und Reden all' säuberlich gesondert, und will dir sie fleißig zuzählen, wie meine Mutter selger mit den Erbsen thät, die sie in die Suppen kocht', iegliche reif, mehl- haft und sonderlich, auch keine zu viel und keine zu wenig.
Hab' auch die Materialien zu meinem Buch nicht aus der Luft gegriffen, wie iezt mehr thun, die Phantaseykram aufs Pa- pier ausschütten, und gleichsam Schatten- spiel an der Wand repräsentiren, das ei- gentlich nichts als Blendwerk ist; ob sie gleich dazu orgeln, daß man's auf Gassen
und
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that, als er beym Gaſtmahl des geſtren- gen Junkers von Roſenberg zur Tafel ſaß, und ſeht wie’s euch bekommt. Beſſer iſts, der Natur den Lauf laſſen, als Drang fuͤhlen und mit Muͤckenkraft widerſtehen; oder aus uͤbertriebener Beſcheidenheit ihn erſticken wollen.
Darfſt nicht waͤhnen Leſer, als ob dieſer Drang Schriftſtellerey zu treiben, iugend- licher Pruritus ſey; oder als ob ich dir Ausſchußkram vertroͤdeln wollt’ wie die Zweygroſchen Bude. Hab’ meine Wort’ und Reden all’ ſaͤuberlich geſondert, und will dir ſie fleißig zuzaͤhlen, wie meine Mutter ſelger mit den Erbſen thaͤt, die ſie in die Suppen kocht’, iegliche reif, mehl- haft und ſonderlich, auch keine zu viel und keine zu wenig.
Hab’ auch die Materialien zu meinem Buch nicht aus der Luft gegriffen, wie iezt mehr thun, die Phantaſeykram aufs Pa- pier ausſchuͤtten, und gleichſam Schatten- ſpiel an der Wand repraͤſentiren, das ei- gentlich nichts als Blendwerk iſt; ob ſie gleich dazu orgeln, daß man’s auf Gaſſen
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that, als er beym Gaſtmahl des geſtren-
gen Junkers von Roſenberg zur Tafel ſaß,
und ſeht wie’s euch bekommt. Beſſer iſts,
der Natur den Lauf laſſen, als Drang
fuͤhlen und mit Muͤckenkraft widerſtehen;
oder aus uͤbertriebener Beſcheidenheit ihn
erſticken wollen.
Darfſt nicht waͤhnen Leſer, als ob dieſer
Drang Schriftſtellerey zu treiben, iugend-
licher Pruritus ſey; oder als ob ich dir
Ausſchußkram vertroͤdeln wollt’ wie die
Zweygroſchen Bude. Hab’ meine Wort’
und Reden all’ ſaͤuberlich geſondert, und
will dir ſie fleißig zuzaͤhlen, wie meine
Mutter ſelger mit den Erbſen thaͤt, die ſie
in die Suppen kocht’, iegliche reif, mehl-
haft und ſonderlich, auch keine zu viel und
keine zu wenig.
Hab’ auch die Materialien zu meinem
Buch nicht aus der Luft gegriffen, wie iezt
mehr thun, die Phantaſeykram aufs Pa-
pier ausſchuͤtten, und gleichſam Schatten-
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gentlich nichts als Blendwerk iſt; ob ſie
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/13>, abgerufen am 26.07.2024.
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