Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.te sich wieder, und seine zweite Ehe war so "Der verstund's, sagt ich zu mir selbst, Jch wuchs unterdessen in ländlicher Un- "Dabey dacht' ich an die Familienphy- Er brütete vergebens über seinem Laster: Kurz nachher wurde mein Vater zu einer ne
te ſich wieder, und ſeine zweite Ehe war ſo „Der verſtund’s, ſagt ich zu mir ſelbſt, Jch wuchs unterdeſſen in laͤndlicher Un- „Dabey dacht’ ich an die Familienphy- Er bruͤtete vergebens uͤber ſeinem Laſter: Kurz nachher wurde mein Vater zu einer ne
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0104" n="98"/> te ſich wieder, und ſeine zweite Ehe war ſo<lb/> fruchtbar, daß er in vier Jahren ſieben Kin-<lb/> der mehr zaͤhlte.</p><lb/> <p>„Der verſtund’s, ſagt ich zu mir ſelbſt,<lb/> haͤtte wohl moͤgen heißen: allzeit Mehrer<lb/> des Reichs.“</p><lb/> <p>Jch wuchs unterdeſſen in laͤndlicher Un-<lb/> ſchuld heran. Der gnaͤdge Herr kam von<lb/> ſeinen Reiſen zuruͤck; er hatte ſich zehn Jahr<lb/> in Frankreich aufgehalten, und neun davon<lb/> in der Baſtille zugebracht Ungluͤkliche Lei-<lb/> denſchaft oder Hang einen Roman auszu-<lb/> fuͤhren, der ihn in der Pariſer Einſiedeley<lb/> amuͤſirt hatte, gab ihm ein, meiner Tugend<lb/> nachzuſtreben.</p><lb/> <p>„Dabey dacht’ ich an die Familienphy-<lb/> ſiognomien.“</p><lb/> <p>Er bruͤtete vergebens uͤber ſeinem Laſter:<lb/> ich wieß ihn mit Spott und Verachtung von<lb/> mir, und er beunruhigte mich nicht weiter.<lb/> Jch glaubte meinen Verfolger gedemuͤthiget,<lb/> und mir ſo viel Achtung bey ihm erworben<lb/> zu haben, daß er ſich ſeiner ſchaͤndlichen<lb/> Entwuͤrfe ſchaͤme.</p><lb/> <p>Kurz nachher wurde mein Vater zu einer<lb/> ſtrengen Rechenſchaft ſeiner bisherigen Ver-<lb/> waltung der Guͤter gezogen, man ſahe ſei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0104]
te ſich wieder, und ſeine zweite Ehe war ſo
fruchtbar, daß er in vier Jahren ſieben Kin-
der mehr zaͤhlte.
„Der verſtund’s, ſagt ich zu mir ſelbſt,
haͤtte wohl moͤgen heißen: allzeit Mehrer
des Reichs.“
Jch wuchs unterdeſſen in laͤndlicher Un-
ſchuld heran. Der gnaͤdge Herr kam von
ſeinen Reiſen zuruͤck; er hatte ſich zehn Jahr
in Frankreich aufgehalten, und neun davon
in der Baſtille zugebracht Ungluͤkliche Lei-
denſchaft oder Hang einen Roman auszu-
fuͤhren, der ihn in der Pariſer Einſiedeley
amuͤſirt hatte, gab ihm ein, meiner Tugend
nachzuſtreben.
„Dabey dacht’ ich an die Familienphy-
ſiognomien.“
Er bruͤtete vergebens uͤber ſeinem Laſter:
ich wieß ihn mit Spott und Verachtung von
mir, und er beunruhigte mich nicht weiter.
Jch glaubte meinen Verfolger gedemuͤthiget,
und mir ſo viel Achtung bey ihm erworben
zu haben, daß er ſich ſeiner ſchaͤndlichen
Entwuͤrfe ſchaͤme.
Kurz nachher wurde mein Vater zu einer
ſtrengen Rechenſchaft ſeiner bisherigen Ver-
waltung der Guͤter gezogen, man ſahe ſei-
ne
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |