Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.man über die Leute fällt, auch oft etwas bei. In einem Stücke bin ich nicht mit Ihnen zufrieden. Sie haben nicht die besten Begriffe von mir. Sie fragen mich: ob mir das Herz nicht stärker schlägt, wenn ich höre, daß sich Jemand in Lobsprüche über mich heraus läßt, wollen Sie mir dadurch einen Vorwurf meiner allzugroßen Eigenliebe machen? Haben Sie davon Beweise in Händen, daß ich mir etwas darauf habe zu gute gethan, wenn ich bin gelobet worden? Ich denke nicht, seitdem ich aus der Schule bin, hat man mir nie etwas zu meinen Lobe ins Gesichte gesagt, darauf ich hätte können stolz seyn. Dort verdiente ich manchmal von meinem Informator eine kleine Lobrede, wenn ich den langen Psalm ohne Anstoß herbeten konnte. Ich will es Ihnen gedenken, daß Sie mich für ein so ruhmräthiges Mädchen halten. Warum nicht auch für falsch? Die Ruhmrätigen und Falschen stehen sonst immer bei einander. Bald hätte ich Lust, eine Lanze mit Ihnen deswegen zu brechen. Dieser Ausdruck, der Ihnen eigenthümlich man über die Leute fällt, auch oft etwas bei. In einem Stücke bin ich nicht mit Ihnen zufrieden. Sie haben nicht die besten Begriffe von mir. Sie fragen mich: ob mir das Herz nicht stärker schlägt, wenn ich höre, daß sich Jemand in Lobsprüche über mich heraus läßt, wollen Sie mir dadurch einen Vorwurf meiner allzugroßen Eigenliebe machen? Haben Sie davon Beweise in Händen, daß ich mir etwas darauf habe zu gute gethan, wenn ich bin gelobet worden? Ich denke nicht, seitdem ich aus der Schule bin, hat man mir nie etwas zu meinen Lobe ins Gesichte gesagt, darauf ich hätte können stolz seyn. Dort verdiente ich manchmal von meinem Informator eine kleine Lobrede, wenn ich den langen Psalm ohne Anstoß herbeten konnte. Ich will es Ihnen gedenken, daß Sie mich für ein so ruhmräthiges Mädchen halten. Warum nicht auch für falsch? Die Ruhmrätigen und Falschen stehen sonst immer bei einander. Bald hätte ich Lust, eine Lanze mit Ihnen deswegen zu brechen. Dieser Ausdruck, der Ihnen eigenthümlich <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="74"/> man über die Leute fällt, auch oft etwas bei. In einem Stücke bin ich nicht mit Ihnen zufrieden. Sie haben nicht die besten Begriffe von mir. Sie fragen mich: ob mir das Herz nicht stärker schlägt, wenn ich höre, daß sich Jemand in Lobsprüche über mich heraus läßt, wollen Sie mir dadurch einen Vorwurf meiner allzugroßen Eigenliebe machen? Haben Sie davon Beweise in Händen, daß ich mir etwas darauf habe zu gute gethan, wenn ich bin gelobet worden? Ich denke nicht, seitdem ich aus der Schule bin, hat man mir nie etwas zu meinen Lobe ins Gesichte gesagt, darauf ich hätte können stolz seyn. Dort verdiente ich manchmal von meinem Informator eine kleine Lobrede, wenn ich den langen Psalm ohne Anstoß herbeten konnte. Ich will es Ihnen gedenken, daß Sie mich für ein so ruhmräthiges Mädchen halten. Warum nicht auch für falsch? Die Ruhmrätigen und Falschen stehen sonst immer bei einander. Bald hätte ich Lust, eine Lanze mit Ihnen deswegen zu brechen. Dieser Ausdruck, der Ihnen eigenthümlich </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0076]
man über die Leute fällt, auch oft etwas bei. In einem Stücke bin ich nicht mit Ihnen zufrieden. Sie haben nicht die besten Begriffe von mir. Sie fragen mich: ob mir das Herz nicht stärker schlägt, wenn ich höre, daß sich Jemand in Lobsprüche über mich heraus läßt, wollen Sie mir dadurch einen Vorwurf meiner allzugroßen Eigenliebe machen? Haben Sie davon Beweise in Händen, daß ich mir etwas darauf habe zu gute gethan, wenn ich bin gelobet worden? Ich denke nicht, seitdem ich aus der Schule bin, hat man mir nie etwas zu meinen Lobe ins Gesichte gesagt, darauf ich hätte können stolz seyn. Dort verdiente ich manchmal von meinem Informator eine kleine Lobrede, wenn ich den langen Psalm ohne Anstoß herbeten konnte. Ich will es Ihnen gedenken, daß Sie mich für ein so ruhmräthiges Mädchen halten. Warum nicht auch für falsch? Die Ruhmrätigen und Falschen stehen sonst immer bei einander. Bald hätte ich Lust, eine Lanze mit Ihnen deswegen zu brechen. Dieser Ausdruck, der Ihnen eigenthümlich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |