Thurmmütze Trepp auf, Trepp nieder, und hatte auf sein geschäftiges Gesinde ein wachsames Auge. Wir speißten in seiner Gaststube. Weil ich glaubte, daß er sich meinetwegen in solche Unkosten gesteckt hätte; so sann ich schon bei dem ersten Gerichte auf ein Entschuldigungscompliment, daß ich ihm wider Vermuthen so viele Ungelegenheit verursachen sollte; allein ich hatte nicht nöthig, dieses anzubringen. Bei dem ersten Becher Wein, der herum gegeben wurde, und der eben so wohl als die übrigen nebst dem Flaschen und Kelchgläsern mit Epheu und Blumenkränzen gezieret war, wurde ich meines Irrthums inne. Der Doctor nahm einen Becher in die Hand, und nachdem er sich von seinem Stuhle erhoben, hielt er diese Anrede an uns: Geliebtesten Freunde, Sie werden sich ohne Zweifel wundern, daß ich heute, da ich mir die Ehre Ihrer Gesellschaft erbethen habe, wider meine Gewohnheit verschwenderisch in Anschaffung der Speise und des Trankes gewesen scheine. Sie sehen diese Tafel mit so vielen Gerichten besetzt, daß solche hinreichend
Thurmmütze Trepp auf, Trepp nieder, und hatte auf sein geschäftiges Gesinde ein wachsames Auge. Wir speißten in seiner Gaststube. Weil ich glaubte, daß er sich meinetwegen in solche Unkosten gesteckt hätte; so sann ich schon bei dem ersten Gerichte auf ein Entschuldigungscompliment, daß ich ihm wider Vermuthen so viele Ungelegenheit verursachen sollte; allein ich hatte nicht nöthig, dieses anzubringen. Bei dem ersten Becher Wein, der herum gegeben wurde, und der eben so wohl als die übrigen nebst dem Flaschen und Kelchgläsern mit Epheu und Blumenkränzen gezieret war, wurde ich meines Irrthums inne. Der Doctor nahm einen Becher in die Hand, und nachdem er sich von seinem Stuhle erhoben, hielt er diese Anrede an uns: Geliebtesten Freunde, Sie werden sich ohne Zweifel wundern, daß ich heute, da ich mir die Ehre Ihrer Gesellschaft erbethen habe, wider meine Gewohnheit verschwenderisch in Anschaffung der Speise und des Trankes gewesen scheine. Sie sehen diese Tafel mit so vielen Gerichten besetzt, daß solche hinreichend
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0377"n="362"/>
Thurmmütze Trepp auf, Trepp nieder, und hatte auf sein geschäftiges Gesinde ein wachsames Auge. Wir speißten in seiner Gaststube. Weil ich glaubte, daß er sich meinetwegen in solche Unkosten gesteckt hätte; so sann ich schon bei dem ersten Gerichte auf ein Entschuldigungscompliment, daß ich ihm wider Vermuthen so viele Ungelegenheit verursachen sollte; allein ich hatte nicht nöthig, dieses anzubringen. Bei dem ersten Becher Wein, der herum gegeben wurde, und der eben so wohl als die übrigen nebst dem Flaschen und Kelchgläsern mit Epheu und Blumenkränzen gezieret war, wurde ich meines Irrthums inne. Der Doctor nahm einen Becher in die Hand, und nachdem er sich von seinem Stuhle erhoben, hielt er diese Anrede an uns: Geliebtesten Freunde, Sie werden sich ohne Zweifel wundern, daß ich heute, da ich mir die Ehre Ihrer Gesellschaft erbethen habe, wider meine Gewohnheit verschwenderisch in Anschaffung der Speise und des Trankes gewesen scheine. Sie sehen diese Tafel mit so vielen Gerichten besetzt, daß solche hinreichend
</p></div></body></text></TEI>
[362/0377]
Thurmmütze Trepp auf, Trepp nieder, und hatte auf sein geschäftiges Gesinde ein wachsames Auge. Wir speißten in seiner Gaststube. Weil ich glaubte, daß er sich meinetwegen in solche Unkosten gesteckt hätte; so sann ich schon bei dem ersten Gerichte auf ein Entschuldigungscompliment, daß ich ihm wider Vermuthen so viele Ungelegenheit verursachen sollte; allein ich hatte nicht nöthig, dieses anzubringen. Bei dem ersten Becher Wein, der herum gegeben wurde, und der eben so wohl als die übrigen nebst dem Flaschen und Kelchgläsern mit Epheu und Blumenkränzen gezieret war, wurde ich meines Irrthums inne. Der Doctor nahm einen Becher in die Hand, und nachdem er sich von seinem Stuhle erhoben, hielt er diese Anrede an uns: Geliebtesten Freunde, Sie werden sich ohne Zweifel wundern, daß ich heute, da ich mir die Ehre Ihrer Gesellschaft erbethen habe, wider meine Gewohnheit verschwenderisch in Anschaffung der Speise und des Trankes gewesen scheine. Sie sehen diese Tafel mit so vielen Gerichten besetzt, daß solche hinreichend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/377>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.