Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.DEDICATIO. stehe das allerherrlichst Kunst-Stuck desallerhöchsten Schöpfers/ den Menschen/ dessen Füssen er alles underworffen/ und doch in ihm ungleich es zusamen geparet/ sterbliches mit dem unsterblichen verein- baret hat/ daß bey ihme sich Freud und Leid abwechselte/ und das Zerbrüchliche endlich noch in die Unzerbrüchlichkeit ein- kleidete! Ja über das/ daß GOtt in dem Angesichte des Menschen noch zwey Wunder eingeimpfet/ da er die Gesichts- Linien jedem so weißlich underscheiden/ daß kaum zwey Menschen in der Welt einanderen durchauß gleich sehen/ ob- schon deren so viel Millionen tausend seyn/ und darbey jedessen Angesicht so ein- gerichtet/ daß man bey der allergering- sten Veränderung desselben spüren kan/ den Underscheid des Frölichen und des Traurigen an der Stirne/ des Züchtigen und des Schamhafften an den Wangen/ des Zornigen und des Sanfftmüthigen an den Augen/ des Hochmüthigen und des Demüthigen an den Augbrahmen/ des Gescheiden und des Thörichten an den Ohren/ des Hertzhafften und des Forchtsamen an den Backen/ des Ge- sunden und des Krancken an dem Mund und
DEDICATIO. ſtehe das allerherꝛlichſt Kunſt-Stuck desallerhoͤchſten Schoͤpfers/ den Menſchen/ deſſen Fuͤſſen er alles underworffen/ und doch in ihm ungleich es zuſamen geparet/ ſterbliches mit dem unſterblichen verein- baret hat/ daß bey ihme ſich Freud und Leid abwechſelte/ und das Zerbruͤchliche endlich noch in die Unzerbruͤchlichkeit ein- kleidete! Ja uͤber das/ daß GOtt in dem Angeſichte des Menſchen noch zwey Wunder eingeimpfet/ da er die Geſichts- Linien jedem ſo weißlich underſcheiden/ daß kaum zwey Menſchen in der Welt einanderen durchauß gleich ſehen/ ob- ſchon deren ſo viel Millionen tauſend ſeyn/ und darbey jedeſſen Angeſicht ſo ein- gerichtet/ daß man bey der allergering- ſten Veraͤnderung deſſelben ſpuͤren kan/ den Underſcheid des Froͤlichen und des Traurigen an der Stirne/ des Zuͤchtigen und des Schamhafften an den Wangen/ des Zornigen und des Sanfftmuͤthigen an den Augen/ des Hochmuͤthigen und des Demuͤthigen an den Augbrahmen/ des Geſcheiden und des Thoͤrichten an den Ohren/ des Hertzhafften und des Forchtſamen an den Backen/ des Ge- ſunden und des Krancken an dem Mund und
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DEDICATIO.
ſtehe das allerherꝛlichſt Kunſt-Stuck des
allerhoͤchſten Schoͤpfers/ den Menſchen/
deſſen Fuͤſſen er alles underworffen/ und
doch in ihm ungleich es zuſamen geparet/
ſterbliches mit dem unſterblichen verein-
baret hat/ daß bey ihme ſich Freud und
Leid abwechſelte/ und das Zerbruͤchliche
endlich noch in die Unzerbruͤchlichkeit ein-
kleidete! Ja uͤber das/ daß GOtt in dem
Angeſichte des Menſchen noch zwey
Wunder eingeimpfet/ da er die Geſichts-
Linien jedem ſo weißlich underſcheiden/
daß kaum zwey Menſchen in der Welt
einanderen durchauß gleich ſehen/ ob-
ſchon deren ſo viel Millionen tauſend
ſeyn/ und darbey jedeſſen Angeſicht ſo ein-
gerichtet/ daß man bey der allergering-
ſten Veraͤnderung deſſelben ſpuͤren kan/
den Underſcheid des Froͤlichen und des
Traurigen an der Stirne/ des Zuͤchtigen
und des Schamhafften an den Wangen/
des Zornigen und des Sanfftmuͤthigen
an den Augen/ des Hochmuͤthigen und
des Demuͤthigen an den Augbrahmen/
des Geſcheiden und des Thoͤrichten an
den Ohren/ des Hertzhafften und des
Forchtſamen an den Backen/ des Ge-
ſunden und des Krancken an dem Mund
und
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Zitationshilfe: | Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/8>, abgerufen am 25.07.2024. |