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Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.

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Das 1. Capitel
reitzet. Obwol aber jeder Geschmack seinen Ur-
sprung von einem Saltze hat/ ist er doch under-
scheiden und veränderet je nach der Vermischung
anderer Theilen in denen Dingen/ die man kiesen
kan/ und diese Vermischung und Veränderung
gebiehret so viel Hauptgattungen des Geschmaks/
daß sie kaum in gewüsse Ordnungen zu bringen/
geschweige/ daß dann desse absonderliche Gattun-
gen von einem Gemüthe begriffen werden mögen.

Und ob wir schon hier ins besonder des Saltzes
gedacht/ thun wir doch Meldung des Geschmacks
eines gantzen Gewächses/ weil wir dessen Krafft
auß dem Geschmack erforschen: dann der Scheid-
Kunst (chymiae) stehet zu dessen jede absönderliche
Theile zu undersuchen.

Die verschiedene Bildung der Saltzen kommet
her von der verschiedenen Bewegung der Mate-
ryen; Also entspringen die flüchtigen Saltze von ei-
ner stärkeren/ die sauren und fixen von einer schwä-
cheren Bewegung. Daß aber die Bewegung man-
cherley Gestalten abbilde/ ist in denen chymischen
Kristalisierungen/ in der Arbeit der Haffneren/ und
in allerley Trächßler-Wercken zu gewahren.

Man kan auch die Würckungen dieser Saltzen
in denen verschiedenen Geschmäcken selbs wahr-
nemmen/ als zum Beyspiele: Der stechend Ge-
schmack ist wie eine Nadel/ der reissend und zehrend
wie ein Angel/ Stachel und Messer/ der beissend
wie ein Keil und Zahn/ u. a. a. gestaltet/ an denen
die starck-bewegten Theilein zerbrochen die Ecklein
abgeschliffen/ und so weit getrieben werden/ biß sie

kugel-

Das 1. Capitel
reitzet. Obwol aber jeder Geſchmack ſeinen Ur-
ſprung von einem Saltze hat/ iſt er doch under-
ſcheiden und veraͤnderet je nach der Vermiſchung
anderer Theilen in denen Dingen/ die man kieſen
kan/ und dieſe Vermiſchung und Veraͤnderung
gebiehret ſo viel Hauptgattungen des Geſchmaks/
daß ſie kaum in gewuͤſſe Ordnungen zu bringen/
geſchweige/ daß dann deſſe abſonderliche Gattun-
gen von einem Gemuͤthe begriffen werden moͤgen.

Und ob wir ſchon hier ins beſonder des Saltzes
gedacht/ thun wir doch Meldung des Geſchmacks
eines gantzen Gewaͤchſes/ weil wir deſſen Krafft
auß dem Geſchmack erforſchen: dañ der Scheid-
Kunſt (chymiæ) ſtehet zu deſſen jede abſoͤnderliche
Theile zu underſuchen.

Die verſchiedene Bildung der Saltzen kom̃et
her von der verſchiedenen Bewegung der Mate-
ryen; Alſo entſpringen die fluͤchtigen Saltze von ei-
ner ſtaͤrkeren/ die ſauren und fixen von einer ſchwaͤ-
cheren Bewegung. Daß aber die Bewegung man-
cherley Geſtalten abbilde/ iſt in denen chymiſchen
Kriſtaliſierungen/ in der Arbeit der Haffneren/ und
in allerley Traͤchßler-Wercken zu gewahren.

Man kan auch die Wuͤrckungen dieſer Saltzen
in denen verſchiedenen Geſchmaͤcken ſelbs wahr-
nemmen/ als zum Beyſpiele: Der ſtechend Ge-
ſchmack iſt wie eine Nadel/ der reiſſend und zehrend
wie ein Angel/ Stachel und Meſſer/ der beiſſend
wie ein Keil und Zahn/ u. a. a. geſtaltet/ an denen
die ſtarck-bewegten Theilein zerbrochen die Ecklein
abgeſchliffen/ und ſo weit getrieben werden/ biß ſie

kugel-
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[18/0050] Das 1. Capitel reitzet. Obwol aber jeder Geſchmack ſeinen Ur- ſprung von einem Saltze hat/ iſt er doch under- ſcheiden und veraͤnderet je nach der Vermiſchung anderer Theilen in denen Dingen/ die man kieſen kan/ und dieſe Vermiſchung und Veraͤnderung gebiehret ſo viel Hauptgattungen des Geſchmaks/ daß ſie kaum in gewuͤſſe Ordnungen zu bringen/ geſchweige/ daß dann deſſe abſonderliche Gattun- gen von einem Gemuͤthe begriffen werden moͤgen. Und ob wir ſchon hier ins beſonder des Saltzes gedacht/ thun wir doch Meldung des Geſchmacks eines gantzen Gewaͤchſes/ weil wir deſſen Krafft auß dem Geſchmack erforſchen: dañ der Scheid- Kunſt (chymiæ) ſtehet zu deſſen jede abſoͤnderliche Theile zu underſuchen. Die verſchiedene Bildung der Saltzen kom̃et her von der verſchiedenen Bewegung der Mate- ryen; Alſo entſpringen die fluͤchtigen Saltze von ei- ner ſtaͤrkeren/ die ſauren und fixen von einer ſchwaͤ- cheren Bewegung. Daß aber die Bewegung man- cherley Geſtalten abbilde/ iſt in denen chymiſchen Kriſtaliſierungen/ in der Arbeit der Haffneren/ und in allerley Traͤchßler-Wercken zu gewahren. Man kan auch die Wuͤrckungen dieſer Saltzen in denen verſchiedenen Geſchmaͤcken ſelbs wahr- nemmen/ als zum Beyſpiele: Der ſtechend Ge- ſchmack iſt wie eine Nadel/ der reiſſend und zehrend wie ein Angel/ Stachel und Meſſer/ der beiſſend wie ein Keil und Zahn/ u. a. a. geſtaltet/ an denen die ſtarck-bewegten Theilein zerbrochen die Ecklein abgeſchliffen/ und ſo weit getrieben werden/ biß ſie kugel-

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Zitationshilfe: Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/50>, abgerufen am 21.11.2024.