Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. Capitel.
Zweyge; daher die Aeste und Zweyge wie der
Stamme und die Wurtzel auf alle Seithen wach-
set. Es wird aber der Nehr-Safft gereiniget/ von
allem/ was sich nicht zum Wachßtum schicket/
oder das durch die holen Gänglein nicht tringen
kan/ als die je länger je änger gestaltet sind; durch
diese Reinigung krieget der flüchtig Geist desto
grössere Freyheit und freyere Bewegung sich im-
mer höher zu schwingen/ daher ist er viel vollkom-
ner in den Aesten als in der Wurtzel und dem
Stammen/ aber zum vollkommensten in dem
Blust/ durch dessen lieblichen und geistreichen Ge-
rung er sich am empfindlichsten zeiget: Endlich
stossen uns noch die überigen Theile der Gewäch-
sen auch zu erklähren. Nennen wir

Acinum, so verstehen wir dardurch nicht das
Kernlein in den Trauben/ sonder die gantze Frucht/
das gantz Beehre/ dessen Safft samt dem Kern-
lein noch inner der Haut eingeschlossen ist.

Durch Alabastros deuten wir an die grünen
Hertz-Blätlein und Knöpffe/ eher sich die Blu-
me aufschliesset.

Cima ist eine neue Geburt/ so zu erst herfür
sprosset und grünet/ als das allerzärtestes und
dinnestes Stängelein/ wie am Kabis zu ersehen.

Gluma oder Utviculus ist die Hülse oder Saa-
mengehalter an denen Erd-Früchten; hat seinen
Nammen von dem Glubendo oder Schellen/ weil
diese Hülse von dem Kernlein abgeschellet werden
muß/ als die denselben gleichsam in sich verschlukt

hal-

Das 1. Capitel.
Zweyge; daher die Aeſte und Zweyge wie der
Stamme und die Wurtzel auf alle Seithen wach-
ſet. Es wird aber der Nehr-Safft gereiniget/ von
allem/ was ſich nicht zum Wachßtum ſchicket/
oder das durch die holen Gaͤnglein nicht tringen
kan/ als die je laͤnger je aͤnger geſtaltet ſind; durch
dieſe Reinigung krieget der fluͤchtig Geiſt deſto
groͤſſere Freyheit und freyere Bewegung ſich im-
mer hoͤher zu ſchwingen/ daher iſt er viel vollkom-
ner in den Aeſten als in der Wurtzel und dem
Stammen/ aber zum vollkommenſten in dem
Bluſt/ durch deſſen lieblichen und geiſtreichen Ge-
rung er ſich am empfindlichſten zeiget: Endlich
ſtoſſen uns noch die uͤberigen Theile der Gewaͤch-
ſen auch zu erklaͤhren. Nennen wir

Acinum, ſo verſtehen wir dardurch nicht das
Kernlein in den Trauben/ ſonder die gantze Frucht/
das gantz Beehre/ deſſen Safft ſamt dem Kern-
lein noch inner der Haut eingeſchloſſen iſt.

Durch Alabaſtros deuten wir an die gruͤnen
Hertz-Blaͤtlein und Knoͤpffe/ eher ſich die Blu-
me aufſchlieſſet.

Cima iſt eine neue Geburt/ ſo zu erſt herfuͤr
ſproſſet und gruͤnet/ als das allerzaͤrteſtes und
dinneſtes Staͤngelein/ wie am Kabis zu erſehen.

Gluma oder Utviculus iſt die Huͤlſe oder Saa-
mengehalter an denen Erd-Fruͤchten; hat ſeinen
Nammen von dem Glubendo oder Schellen/ weil
dieſe Huͤlſe von dem Kernlein abgeſchellet werden
muß/ als die denſelben gleichſam in ſich verſchlukt

hal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. Capitel.</hi></fw><lb/>
Zweyge; daher die Ae&#x017F;te und Zweyge wie der<lb/>
Stamme und die Wurtzel auf alle Seithen wach-<lb/>
&#x017F;et. Es wird aber der Nehr-Safft gereiniget/ von<lb/>
allem/ was &#x017F;ich nicht zum Wachßtum &#x017F;chicket/<lb/>
oder das durch die holen Ga&#x0364;nglein nicht tringen<lb/>
kan/ als die je la&#x0364;nger je a&#x0364;nger ge&#x017F;taltet &#x017F;ind; durch<lb/>
die&#x017F;e Reinigung krieget der flu&#x0364;chtig Gei&#x017F;t de&#x017F;to<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Freyheit und freyere Bewegung &#x017F;ich im-<lb/>
mer ho&#x0364;her zu &#x017F;chwingen/ daher i&#x017F;t er viel vollkom-<lb/>
ner in den Ae&#x017F;ten als in der Wurtzel und dem<lb/>
Stammen/ aber zum vollkommen&#x017F;ten in dem<lb/>
Blu&#x017F;t/ durch de&#x017F;&#x017F;en lieblichen und gei&#x017F;treichen Ge-<lb/>
rung er &#x017F;ich am empfindlich&#x017F;ten zeiget: Endlich<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en uns noch die u&#x0364;berigen Theile der Gewa&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;en auch zu erkla&#x0364;hren. Nennen wir</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Acinum,</hi> &#x017F;o ver&#x017F;tehen wir dardurch nicht das<lb/>
Kernlein in den Trauben/ &#x017F;onder die gantze Frucht/<lb/>
das gantz Beehre/ de&#x017F;&#x017F;en Safft &#x017F;amt dem Kern-<lb/>
lein noch inner der Haut einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Durch <hi rendition="#aq">Alaba&#x017F;tros</hi> deuten wir an die gru&#x0364;nen<lb/>
Hertz-Bla&#x0364;tlein und Kno&#x0364;pffe/ eher &#x017F;ich die Blu-<lb/>
me auf&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Cima</hi> i&#x017F;t eine neue Geburt/ &#x017F;o zu er&#x017F;t herfu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;et und gru&#x0364;net/ als das allerza&#x0364;rte&#x017F;tes und<lb/>
dinne&#x017F;tes Sta&#x0364;ngelein/ wie am Kabis zu er&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Gluma</hi> oder <hi rendition="#aq">Utviculus</hi> i&#x017F;t die Hu&#x0364;l&#x017F;e oder Saa-<lb/>
mengehalter an denen Erd-Fru&#x0364;chten; hat &#x017F;einen<lb/>
Nammen von dem <hi rendition="#aq">Glubendo</hi> oder Schellen/ weil<lb/>
die&#x017F;e Hu&#x0364;l&#x017F;e von dem Kernlein abge&#x017F;chellet werden<lb/>
muß/ als die den&#x017F;elben gleich&#x017F;am in &#x017F;ich ver&#x017F;chlukt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hal-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0046] Das 1. Capitel. Zweyge; daher die Aeſte und Zweyge wie der Stamme und die Wurtzel auf alle Seithen wach- ſet. Es wird aber der Nehr-Safft gereiniget/ von allem/ was ſich nicht zum Wachßtum ſchicket/ oder das durch die holen Gaͤnglein nicht tringen kan/ als die je laͤnger je aͤnger geſtaltet ſind; durch dieſe Reinigung krieget der fluͤchtig Geiſt deſto groͤſſere Freyheit und freyere Bewegung ſich im- mer hoͤher zu ſchwingen/ daher iſt er viel vollkom- ner in den Aeſten als in der Wurtzel und dem Stammen/ aber zum vollkommenſten in dem Bluſt/ durch deſſen lieblichen und geiſtreichen Ge- rung er ſich am empfindlichſten zeiget: Endlich ſtoſſen uns noch die uͤberigen Theile der Gewaͤch- ſen auch zu erklaͤhren. Nennen wir Acinum, ſo verſtehen wir dardurch nicht das Kernlein in den Trauben/ ſonder die gantze Frucht/ das gantz Beehre/ deſſen Safft ſamt dem Kern- lein noch inner der Haut eingeſchloſſen iſt. Durch Alabaſtros deuten wir an die gruͤnen Hertz-Blaͤtlein und Knoͤpffe/ eher ſich die Blu- me aufſchlieſſet. Cima iſt eine neue Geburt/ ſo zu erſt herfuͤr ſproſſet und gruͤnet/ als das allerzaͤrteſtes und dinneſtes Staͤngelein/ wie am Kabis zu erſehen. Gluma oder Utviculus iſt die Huͤlſe oder Saa- mengehalter an denen Erd-Fruͤchten; hat ſeinen Nammen von dem Glubendo oder Schellen/ weil dieſe Huͤlſe von dem Kernlein abgeſchellet werden muß/ als die denſelben gleichſam in ſich verſchlukt hal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/46
Zitationshilfe: Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muralt_lustgarte_1715/46>, abgerufen am 21.11.2024.