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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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daher einen verbindlichen Brief an den deutschen Fabri-
kanten, worin sie sich hübsch bedankten für all das, was
er sie gelehrt habe; jetzt aber seien sie in einer großen
Verlegenheit; er möge doch so freundlich sein, ihnen
seine neuen Pläne und Einrichtungen mitzuteilen. Für
die volle Wahrheit dieser Geschichte stehe ich nicht ein.
Aber so abenteuerlich sie klingt, sie könnte recht wohl
wahr sein. Die Sache ist ganz japanisch. Sie ist nicht
bloß charakteristisch für ihren Spür- und Spioniersinn,
sondern auch für ihre scheinbar harmlose naive Unge-
niertheit; vor allem aber ist sie dafür bezeichnend, daß
die Japaner nachahmen, und zwar geschickt nachahmen,
daß sie aber nicht originell sind.

Was sie haben, haben sie durch das Ausland. Ihre
alte Kultur erhielten sie von China, ja teilweise sogar
von dem heutzutage völlig verrohten Korea. Daher kam
die Religion des gemeinen Volkes, der Buddhismus;
daher kam die Religion der oberen Kasten, der Kon-
fuzianismus. Daher kam ihre Sittlichkeit; die japanische
Sprache hat ursprünglich sehr wenig Worte, um sittliche
Begriffe auszudrücken. Alles muß durch chinesische Worte
wiedergegeben werden, sowie bei uns viele wissenschaft-
liche Begriffe durch lateinische und griechische Fremd-
wörter ausgedrückt werden, wogegen unsere ethischen
Begriffsausdrücke zu den echtesten Bestandteilen der
deutschen Sprache gehören. Von China erhielten sie
ferner ihre gebräuchliche Schrift, und selbst der Ursprung
der Silbenschrift Kana scheint nicht rein japanisch zu
sein. Von China kam ferner Poesie, Musik, Malerei
und plastische Kunst. Ebensoviel wie damals von den
Chinesen übernehmen sie heute von den Abendländern.
Sie entwickeln nicht nur Geschick in der Nachahmung
unserer Industrieerzeugnisse, sie naschen nicht allein an

daher einen verbindlichen Brief an den deutſchen Fabri-
kanten, worin ſie ſich hübſch bedankten für all das, was
er ſie gelehrt habe; jetzt aber ſeien ſie in einer großen
Verlegenheit; er möge doch ſo freundlich ſein, ihnen
ſeine neuen Pläne und Einrichtungen mitzuteilen. Für
die volle Wahrheit dieſer Geſchichte ſtehe ich nicht ein.
Aber ſo abenteuerlich ſie klingt, ſie könnte recht wohl
wahr ſein. Die Sache iſt ganz japaniſch. Sie iſt nicht
bloß charakteriſtiſch für ihren Spür- und Spionierſinn,
ſondern auch für ihre ſcheinbar harmloſe naive Unge-
niertheit; vor allem aber iſt ſie dafür bezeichnend, daß
die Japaner nachahmen, und zwar geſchickt nachahmen,
daß ſie aber nicht originell ſind.

Was ſie haben, haben ſie durch das Ausland. Ihre
alte Kultur erhielten ſie von China, ja teilweiſe ſogar
von dem heutzutage völlig verrohten Korea. Daher kam
die Religion des gemeinen Volkes, der Buddhismus;
daher kam die Religion der oberen Kaſten, der Kon-
fuzianismus. Daher kam ihre Sittlichkeit; die japaniſche
Sprache hat urſprünglich ſehr wenig Worte, um ſittliche
Begriffe auszudrücken. Alles muß durch chineſiſche Worte
wiedergegeben werden, ſowie bei uns viele wiſſenſchaft-
liche Begriffe durch lateiniſche und griechiſche Fremd-
wörter ausgedrückt werden, wogegen unſere ethiſchen
Begriffsausdrücke zu den echteſten Beſtandteilen der
deutſchen Sprache gehören. Von China erhielten ſie
ferner ihre gebräuchliche Schrift, und ſelbſt der Urſprung
der Silbenſchrift Kana ſcheint nicht rein japaniſch zu
ſein. Von China kam ferner Poeſie, Muſik, Malerei
und plaſtiſche Kunſt. Ebenſoviel wie damals von den
Chineſen übernehmen ſie heute von den Abendländern.
Sie entwickeln nicht nur Geſchick in der Nachahmung
unſerer Induſtrieerzeugniſſe, ſie naſchen nicht allein an

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[68/0082] daher einen verbindlichen Brief an den deutſchen Fabri- kanten, worin ſie ſich hübſch bedankten für all das, was er ſie gelehrt habe; jetzt aber ſeien ſie in einer großen Verlegenheit; er möge doch ſo freundlich ſein, ihnen ſeine neuen Pläne und Einrichtungen mitzuteilen. Für die volle Wahrheit dieſer Geſchichte ſtehe ich nicht ein. Aber ſo abenteuerlich ſie klingt, ſie könnte recht wohl wahr ſein. Die Sache iſt ganz japaniſch. Sie iſt nicht bloß charakteriſtiſch für ihren Spür- und Spionierſinn, ſondern auch für ihre ſcheinbar harmloſe naive Unge- niertheit; vor allem aber iſt ſie dafür bezeichnend, daß die Japaner nachahmen, und zwar geſchickt nachahmen, daß ſie aber nicht originell ſind. Was ſie haben, haben ſie durch das Ausland. Ihre alte Kultur erhielten ſie von China, ja teilweiſe ſogar von dem heutzutage völlig verrohten Korea. Daher kam die Religion des gemeinen Volkes, der Buddhismus; daher kam die Religion der oberen Kaſten, der Kon- fuzianismus. Daher kam ihre Sittlichkeit; die japaniſche Sprache hat urſprünglich ſehr wenig Worte, um ſittliche Begriffe auszudrücken. Alles muß durch chineſiſche Worte wiedergegeben werden, ſowie bei uns viele wiſſenſchaft- liche Begriffe durch lateiniſche und griechiſche Fremd- wörter ausgedrückt werden, wogegen unſere ethiſchen Begriffsausdrücke zu den echteſten Beſtandteilen der deutſchen Sprache gehören. Von China erhielten ſie ferner ihre gebräuchliche Schrift, und ſelbſt der Urſprung der Silbenſchrift Kana ſcheint nicht rein japaniſch zu ſein. Von China kam ferner Poeſie, Muſik, Malerei und plaſtiſche Kunſt. Ebenſoviel wie damals von den Chineſen übernehmen ſie heute von den Abendländern. Sie entwickeln nicht nur Geſchick in der Nachahmung unſerer Induſtrieerzeugniſſe, ſie naſchen nicht allein an

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/82>, abgerufen am 24.11.2024.