sitiv, wo wir negativ antworten würden. Auf die Frage: "Kaze ga fukanai ka?" (weht nicht Wind?) giebt der Japaner zur Antwort: "Hai, fukanai", "ja, er weht nicht" oder "hai, so desu", "ja so ist's", wo wir mit "nein" antworten würden. Doch hat der Japaner von seinem Standpunkt aus völlig Recht, und dieses leuchtet sofort ein, wenn wir den Satz so wiedergeben, wie ihn der Japaner empfindet. Die wörtlichste und korrekteste Übersetzung von "kaze ga fukanai ka?" ist: "(ist) Nicht- wehen des Windes?" Die logisch richtige Antwort darauf zur Bezeichnung dessen, daß kein Wind weht, ist: "Ja, es ist Nichtwehen" oder einfach: "Ja, es ist" (nämlich Nichtwehen). Die letzten Zweifel an der Richtigkeit des japanischen Ausdrucks werden schwinden, wenn wir das Wort "Nichtwehen" durch "Stille" er- setzen. Auf die Frage: "Ist Windstille?" erfolgt notwendig die Antwort: "Ja", wenn die Frage bestätigt werden soll.
Sobald man sich davon frei gemacht hat, in dem japanischen "fukanai" unser "wehen" und unser "nicht" als zwei getrennte Begriffe zu sehen, ist man über diese Schwierigkeit hinaus.
Was den Anfänger am meisten verwirrt, ist der antipodische Charakter der japanischen Sprache. Eine wörtliche Übersetzung aus dem Japanischen dünkt uns auf den ersten Blick der reinste Unsinn zu sein. Über den Satz: "Kangae no nai hanashi wo suru yori wa damatte iru ho ga ii to omou" (wörtlich: "Gedan- ken von nicht sein Reden machen als was betrifft schweigend sein Seite die gut daß glaube) bedarf es erst einigen Nachdenkens, bis es einem einfällt, daß man es ja mit einem Antipodenvolk zu thun habe, und daß darum vielleicht auch der Satz selbst und in dem Satz so ziemlich alle Redeteile auf den Kopf gestellt werden
ſitiv, wo wir negativ antworten würden. Auf die Frage: „Kaze ga fukanai ka?“ (weht nicht Wind?) giebt der Japaner zur Antwort: „Hai, fukanai“, „ja, er weht nicht“ oder „hai, so desu“, „ja ſo iſt’s“, wo wir mit „nein“ antworten würden. Doch hat der Japaner von ſeinem Standpunkt aus völlig Recht, und dieſes leuchtet ſofort ein, wenn wir den Satz ſo wiedergeben, wie ihn der Japaner empfindet. Die wörtlichſte und korrekteſte Überſetzung von „kaze ga fukanai ka?“ iſt: „(iſt) Nicht- wehen des Windes?“ Die logiſch richtige Antwort darauf zur Bezeichnung deſſen, daß kein Wind weht, iſt: „Ja, es iſt Nichtwehen“ oder einfach: „Ja, es iſt“ (nämlich Nichtwehen). Die letzten Zweifel an der Richtigkeit des japaniſchen Ausdrucks werden ſchwinden, wenn wir das Wort „Nichtwehen“ durch „Stille“ er- ſetzen. Auf die Frage: „Iſt Windſtille?“ erfolgt notwendig die Antwort: „Ja“, wenn die Frage beſtätigt werden ſoll.
Sobald man ſich davon frei gemacht hat, in dem japaniſchen „fukanai“ unſer „wehen“ und unſer „nicht“ als zwei getrennte Begriffe zu ſehen, iſt man über dieſe Schwierigkeit hinaus.
Was den Anfänger am meiſten verwirrt, iſt der antipodiſche Charakter der japaniſchen Sprache. Eine wörtliche Überſetzung aus dem Japaniſchen dünkt uns auf den erſten Blick der reinſte Unſinn zu ſein. Über den Satz: „Kangae no nai hanashi wo suru yori wa damatte iru hō ga ii to omou“ (wörtlich: „Gedan- ken von nicht ſein Reden machen als was betrifft ſchweigend ſein Seite die gut daß glaube) bedarf es erſt einigen Nachdenkens, bis es einem einfällt, daß man es ja mit einem Antipodenvolk zu thun habe, und daß darum vielleicht auch der Satz ſelbſt und in dem Satz ſo ziemlich alle Redeteile auf den Kopf geſtellt werden
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ſitiv, wo wir negativ antworten würden. Auf die Frage:
„Kaze ga fukanai ka?“ (weht nicht Wind?) giebt der
Japaner zur Antwort: „Hai, fukanai“, „ja, er weht
nicht“ oder „hai, so desu“, „ja ſo iſt’s“, wo wir mit
„nein“ antworten würden. Doch hat der Japaner von
ſeinem Standpunkt aus völlig Recht, und dieſes leuchtet
ſofort ein, wenn wir den Satz ſo wiedergeben, wie ihn
der Japaner empfindet. Die wörtlichſte und korrekteſte
Überſetzung von „kaze ga fukanai ka?“ iſt: „(iſt) Nicht-
wehen des Windes?“ Die logiſch richtige Antwort
darauf zur Bezeichnung deſſen, daß kein Wind weht,
iſt: „Ja, es iſt Nichtwehen“ oder einfach: „Ja, es iſt“
(nämlich Nichtwehen). Die letzten Zweifel an der
Richtigkeit des japaniſchen Ausdrucks werden ſchwinden,
wenn wir das Wort „Nichtwehen“ durch „Stille“ er-
ſetzen. Auf die Frage: „Iſt Windſtille?“ erfolgt notwendig
die Antwort: „Ja“, wenn die Frage beſtätigt werden ſoll.
Sobald man ſich davon frei gemacht hat, in dem
japaniſchen „fukanai“ unſer „wehen“ und unſer „nicht“
als zwei getrennte Begriffe zu ſehen, iſt man über dieſe
Schwierigkeit hinaus.
Was den Anfänger am meiſten verwirrt, iſt der
antipodiſche Charakter der japaniſchen Sprache. Eine
wörtliche Überſetzung aus dem Japaniſchen dünkt uns
auf den erſten Blick der reinſte Unſinn zu ſein. Über
den Satz: „Kangae no nai hanashi wo suru yori wa
damatte iru hō ga ii to omou“ (wörtlich: „Gedan-
ken von nicht ſein Reden machen als was betrifft
ſchweigend ſein Seite die gut daß glaube) bedarf es
erſt einigen Nachdenkens, bis es einem einfällt, daß man
es ja mit einem Antipodenvolk zu thun habe, und daß
darum vielleicht auch der Satz ſelbſt und in dem Satz
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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