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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Gebundenheit gewöhnt können wir es kaum begreifen,
daß der Japaner, ohne irgendwie seiner Sprache Zwang
anzuthun, ein Sätzchen von sechs Worten einige Dutzend
Mal variieren kann. Ich will mich mit einer kleinen
Probe begnügen, indem ich einige Variationen des
Satzes: "Dieses Zeichen ist gut geschrieben" gebe.

kono ji wa yoku kaite aru
kono ji ga yoku kaite aru
kono ji no kakikata wa ii
kono ji no kakikata ga ii
kono ji wa kakikata ga ii
kono ji wa kakikata wa ii
kono ji ga kakikata wa ii
kono ji wa yoi kakikata desu
kono ji wa kakikata no yoi ji desu
kono ji ga kakikata no yoi ji desu
kono ji no kakikata wa yoi kakikata desu
kono ji no kakikata ga yoi kakikata desu

Die Zahl dieser Variationen ließe sich durch kleine
Veränderungen bis auf sechzig bringen. Das sieht nun
allerdings wie Spielerei aus und der Unkundige ist
versucht, ungläubig zu lächeln. Und doch klingen alle
diese Formen dem japanischen Ohr natürlich, darum
weil sie direkte Ausdrücke einzelner Vorstellungen sind.
Ein jedes Ding und ein jeder Vorgang läßt sich von
verschiedenen Seiten betrachten, und die Vorstellungs-
bilder im Geist sind mehr oder weniger verschieden je
nach der Art der Betrachtung. Die Fähigkeit, diese
verschiedenen Nuancierungen auch möglichst direkt und
getreu wiederzugeben, hat sich die japanische Sprache
mehr bewahrt als die unsrigen, während man sie andrer-
seits wegen Mangels an festen Formen von dem Vor-
wurf einer gewissen Zerfahrenheit nicht freisprechen kann.

Gebundenheit gewöhnt können wir es kaum begreifen,
daß der Japaner, ohne irgendwie ſeiner Sprache Zwang
anzuthun, ein Sätzchen von ſechs Worten einige Dutzend
Mal variieren kann. Ich will mich mit einer kleinen
Probe begnügen, indem ich einige Variationen des
Satzes: „Dieſes Zeichen iſt gut geſchrieben“ gebe.

kono ji wa yoku kaite aru
kono ji ga yoku kaite aru
kono ji no kakikata wa ii
kono ji no kakikata ga ii
kono ji wa kakikata ga ii
kono ji wa kakikata wa ii
kono ji ga kakikata wa ii
kono ji wa yoi kakikata desu
kono ji wa kakikata no yoi ji desu
kono ji ga kakikata no yoi ji desu
kono ji no kakikata wa yoi kakikata desu
kono ji no kakikata ga yoi kakikata desu

Die Zahl dieſer Variationen ließe ſich durch kleine
Veränderungen bis auf ſechzig bringen. Das ſieht nun
allerdings wie Spielerei aus und der Unkundige iſt
verſucht, ungläubig zu lächeln. Und doch klingen alle
dieſe Formen dem japaniſchen Ohr natürlich, darum
weil ſie direkte Ausdrücke einzelner Vorſtellungen ſind.
Ein jedes Ding und ein jeder Vorgang läßt ſich von
verſchiedenen Seiten betrachten, und die Vorſtellungs-
bilder im Geiſt ſind mehr oder weniger verſchieden je
nach der Art der Betrachtung. Die Fähigkeit, dieſe
verſchiedenen Nuancierungen auch möglichſt direkt und
getreu wiederzugeben, hat ſich die japaniſche Sprache
mehr bewahrt als die unſrigen, während man ſie andrer-
ſeits wegen Mangels an feſten Formen von dem Vor-
wurf einer gewiſſen Zerfahrenheit nicht freiſprechen kann.

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[45/0059] Gebundenheit gewöhnt können wir es kaum begreifen, daß der Japaner, ohne irgendwie ſeiner Sprache Zwang anzuthun, ein Sätzchen von ſechs Worten einige Dutzend Mal variieren kann. Ich will mich mit einer kleinen Probe begnügen, indem ich einige Variationen des Satzes: „Dieſes Zeichen iſt gut geſchrieben“ gebe. kono ji wa yoku kaite aru kono ji ga yoku kaite aru kono ji no kakikata wa ii kono ji no kakikata ga ii kono ji wa kakikata ga ii kono ji wa kakikata wa ii kono ji ga kakikata wa ii kono ji wa yoi kakikata desu kono ji wa kakikata no yoi ji desu kono ji ga kakikata no yoi ji desu kono ji no kakikata wa yoi kakikata desu kono ji no kakikata ga yoi kakikata desu Die Zahl dieſer Variationen ließe ſich durch kleine Veränderungen bis auf ſechzig bringen. Das ſieht nun allerdings wie Spielerei aus und der Unkundige iſt verſucht, ungläubig zu lächeln. Und doch klingen alle dieſe Formen dem japaniſchen Ohr natürlich, darum weil ſie direkte Ausdrücke einzelner Vorſtellungen ſind. Ein jedes Ding und ein jeder Vorgang läßt ſich von verſchiedenen Seiten betrachten, und die Vorſtellungs- bilder im Geiſt ſind mehr oder weniger verſchieden je nach der Art der Betrachtung. Die Fähigkeit, dieſe verſchiedenen Nuancierungen auch möglichſt direkt und getreu wiederzugeben, hat ſich die japaniſche Sprache mehr bewahrt als die unſrigen, während man ſie andrer- ſeits wegen Mangels an feſten Formen von dem Vor- wurf einer gewiſſen Zerfahrenheit nicht freiſprechen kann.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/59>, abgerufen am 23.11.2024.