fuhr, da war es bald unverkennbar, daß er seine Ge- danken der Bergpredigt entnommen hatte. Thatsächlich enthielt seine Rede eine Reihe fast wörtlicher Citate aus dem sechsten Kapitel des Matthäusevangeliums. 1) So werden die Feinde des Christentums zu Zeugen Christi; an ihrem eigenen Beispiel beweisen sie, wie tief das Christentum in das Volk eingedrungen ist; sie selbst verbreiten die christlichen Wahrheiten und bereiten dem Herrn den Weg zum Herzen des ganzen Volkes. Und die Macht, die solches Wunder bewirkt, ist das Wort, das gedruckte Wort.
Infolgedessen, daß mehrere der bedeutendsten Zei- tungen von Christen redigiert werden, steht auch die Tagespresse nicht ganz außerhalb der christlichen Ein- flußsphäre. Zwar kommen ihre christlichen Überzeugungen selten direkt und unumwunden zum Ausdruck. Das Geschäftsinteresse verbietet das von selbst, und auch dem Christentum wäre wenig damit geholfen, da dann der Leserkreis jener Zeitungen sofort bedeutend zusammen- schrumpfen würde. Man muß sich also zufrieden geben, wenn ihre Aufsätze von christlichem Geiste durchweht sind und mittelbar wenigstens eine christliche Beeinflussung zur Folge haben.
Natürlich konnte das Christentum bei einer solchen Vertretung seiner Interessen nicht stehen bleiben. Es hat sich darum schon frühzeitig veranlaßt gesehen, selbst eine christliche Presse in das Leben zu rufen. Die Aus- führung dieses Unternehmens darf in vollem Maße als gelungen bezeichnet werden und das Verdienst fällt fast ausschließlich den japanischen Christen zu. Die christ- liche Presse ist durch nicht weniger als rund 40 Wochen-
1) Vergl. D. C. Greene, Outlook for Christianity in Japan.
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fuhr, da war es bald unverkennbar, daß er ſeine Ge- danken der Bergpredigt entnommen hatte. Thatſächlich enthielt ſeine Rede eine Reihe faſt wörtlicher Citate aus dem ſechſten Kapitel des Matthäusevangeliums. 1) So werden die Feinde des Chriſtentums zu Zeugen Chriſti; an ihrem eigenen Beiſpiel beweiſen ſie, wie tief das Chriſtentum in das Volk eingedrungen iſt; ſie ſelbſt verbreiten die chriſtlichen Wahrheiten und bereiten dem Herrn den Weg zum Herzen des ganzen Volkes. Und die Macht, die ſolches Wunder bewirkt, iſt das Wort, das gedruckte Wort.
Infolgedeſſen, daß mehrere der bedeutendſten Zei- tungen von Chriſten redigiert werden, ſteht auch die Tagespreſſe nicht ganz außerhalb der chriſtlichen Ein- flußſphäre. Zwar kommen ihre chriſtlichen Überzeugungen ſelten direkt und unumwunden zum Ausdruck. Das Geſchäftsintereſſe verbietet das von ſelbſt, und auch dem Chriſtentum wäre wenig damit geholfen, da dann der Leſerkreis jener Zeitungen ſofort bedeutend zuſammen- ſchrumpfen würde. Man muß ſich alſo zufrieden geben, wenn ihre Aufſätze von chriſtlichem Geiſte durchweht ſind und mittelbar wenigſtens eine chriſtliche Beeinfluſſung zur Folge haben.
Natürlich konnte das Chriſtentum bei einer ſolchen Vertretung ſeiner Intereſſen nicht ſtehen bleiben. Es hat ſich darum ſchon frühzeitig veranlaßt geſehen, ſelbſt eine chriſtliche Preſſe in das Leben zu rufen. Die Aus- führung dieſes Unternehmens darf in vollem Maße als gelungen bezeichnet werden und das Verdienſt fällt faſt ausſchließlich den japaniſchen Chriſten zu. Die chriſt- liche Preſſe iſt durch nicht weniger als rund 40 Wochen-
1) Vergl. D. C. Greene, Outlook for Christianity in Japan.
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fuhr, da war es bald unverkennbar, daß er ſeine Ge-
danken der Bergpredigt entnommen hatte. Thatſächlich
enthielt ſeine Rede eine Reihe faſt wörtlicher Citate
aus dem ſechſten Kapitel des Matthäusevangeliums. 1)
So werden die Feinde des Chriſtentums zu Zeugen
Chriſti; an ihrem eigenen Beiſpiel beweiſen ſie, wie tief
das Chriſtentum in das Volk eingedrungen iſt; ſie ſelbſt
verbreiten die chriſtlichen Wahrheiten und bereiten dem
Herrn den Weg zum Herzen des ganzen Volkes. Und
die Macht, die ſolches Wunder bewirkt, iſt das Wort,
das gedruckte Wort.
Infolgedeſſen, daß mehrere der bedeutendſten Zei-
tungen von Chriſten redigiert werden, ſteht auch die
Tagespreſſe nicht ganz außerhalb der chriſtlichen Ein-
flußſphäre. Zwar kommen ihre chriſtlichen Überzeugungen
ſelten direkt und unumwunden zum Ausdruck. Das
Geſchäftsintereſſe verbietet das von ſelbſt, und auch dem
Chriſtentum wäre wenig damit geholfen, da dann der
Leſerkreis jener Zeitungen ſofort bedeutend zuſammen-
ſchrumpfen würde. Man muß ſich alſo zufrieden geben,
wenn ihre Aufſätze von chriſtlichem Geiſte durchweht
ſind und mittelbar wenigſtens eine chriſtliche Beeinfluſſung
zur Folge haben.
Natürlich konnte das Chriſtentum bei einer ſolchen
Vertretung ſeiner Intereſſen nicht ſtehen bleiben. Es
hat ſich darum ſchon frühzeitig veranlaßt geſehen, ſelbſt
eine chriſtliche Preſſe in das Leben zu rufen. Die Aus-
führung dieſes Unternehmens darf in vollem Maße als
gelungen bezeichnet werden und das Verdienſt fällt faſt
ausſchließlich den japaniſchen Chriſten zu. Die chriſt-
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/417>, abgerufen am 24.11.2024.
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