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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Tag für Tag in Tausende von heidnischen und halb-
heidnischen Häusern, und zu wem sie auch kommen, der
muß sich anwehen lassen von einem Hauch christlichen
Geistes, und dieser Hauch mag ebenso ansteckend wirken
zum Heil, wie der Pesthauch der Sünde zum Verderben.
Aus den Missionsschulen werden alljährlich zweitausend
Jünglinge und junge Mädchen entlassen, nachdem sie
drei und vier Jahre unter dem direkten Einfluß christ-
licher Gesinnung gestanden haben, und wenn sie auch
nicht selbst die Taufe empfingen, so nehmen sie doch,
vielleicht ohne es zu wissen und zu wollen, etwas von
christlichem Geist mit hinüber in ihr späteres Leben
und in ihr eigenes zukünftiges Heim. Nicht anders ist
es mit den Zehntausenden von Kindern, welche die
Sonntagsschulen besuchen. Ist es auch nur ein Bruch-
teil, welcher schließlich die Taufe empfängt, so ist doch
der Same, welcher in die jungen Herzen gesät wurde,
deswegen noch nicht verloren. Er kann noch nach Jahren
aufgehen und seine Frucht bringen. Im Anfang der
neunziger Jahre war unter den Besuchern unserer
Sonntagsschule in Tokyo ein etwa fünfzehnjähriger
Knabe. Eines Tages blieb er aus, wir hörten und
sahen nichts mehr von ihm, und da derartige Fälle nicht
selten sind, so begruben wir die auf ihn gesetzte Hoff-
nung neben den hundert anderen, die man im Laufe der
Jahre zu Grabe trägt. Drei Jahre später kam ich zur
Besichtigung unserer dortigen noch jungen Station 1) nach
Osaka, und hier, hundert Wegstunden von Tokyo entfernt,
fand ich jenen ehemaligen Sonntagsschüler unserer Hongo-
kirche wieder unter den ersten Täuflingen unseres japa-
nischen Geistlichen. So war denn unsere Arbeit an ihm

1) Die Station mußte 1896 wieder aufgegeben werden.

Tag für Tag in Tauſende von heidniſchen und halb-
heidniſchen Häuſern, und zu wem ſie auch kommen, der
muß ſich anwehen laſſen von einem Hauch chriſtlichen
Geiſtes, und dieſer Hauch mag ebenſo anſteckend wirken
zum Heil, wie der Peſthauch der Sünde zum Verderben.
Aus den Miſſionsſchulen werden alljährlich zweitauſend
Jünglinge und junge Mädchen entlaſſen, nachdem ſie
drei und vier Jahre unter dem direkten Einfluß chriſt-
licher Geſinnung geſtanden haben, und wenn ſie auch
nicht ſelbſt die Taufe empfingen, ſo nehmen ſie doch,
vielleicht ohne es zu wiſſen und zu wollen, etwas von
chriſtlichem Geiſt mit hinüber in ihr ſpäteres Leben
und in ihr eigenes zukünftiges Heim. Nicht anders iſt
es mit den Zehntauſenden von Kindern, welche die
Sonntagsſchulen beſuchen. Iſt es auch nur ein Bruch-
teil, welcher ſchließlich die Taufe empfängt, ſo iſt doch
der Same, welcher in die jungen Herzen geſät wurde,
deswegen noch nicht verloren. Er kann noch nach Jahren
aufgehen und ſeine Frucht bringen. Im Anfang der
neunziger Jahre war unter den Beſuchern unſerer
Sonntagsſchule in Tokyo ein etwa fünfzehnjähriger
Knabe. Eines Tages blieb er aus, wir hörten und
ſahen nichts mehr von ihm, und da derartige Fälle nicht
ſelten ſind, ſo begruben wir die auf ihn geſetzte Hoff-
nung neben den hundert anderen, die man im Laufe der
Jahre zu Grabe trägt. Drei Jahre ſpäter kam ich zur
Beſichtigung unſerer dortigen noch jungen Station 1) nach
Oſaka, und hier, hundert Wegſtunden von Tokyo entfernt,
fand ich jenen ehemaligen Sonntagsſchüler unſerer Hongo-
kirche wieder unter den erſten Täuflingen unſeres japa-
niſchen Geiſtlichen. So war denn unſere Arbeit an ihm

1) Die Station mußte 1896 wieder aufgegeben werden.
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[396/0410] Tag für Tag in Tauſende von heidniſchen und halb- heidniſchen Häuſern, und zu wem ſie auch kommen, der muß ſich anwehen laſſen von einem Hauch chriſtlichen Geiſtes, und dieſer Hauch mag ebenſo anſteckend wirken zum Heil, wie der Peſthauch der Sünde zum Verderben. Aus den Miſſionsſchulen werden alljährlich zweitauſend Jünglinge und junge Mädchen entlaſſen, nachdem ſie drei und vier Jahre unter dem direkten Einfluß chriſt- licher Geſinnung geſtanden haben, und wenn ſie auch nicht ſelbſt die Taufe empfingen, ſo nehmen ſie doch, vielleicht ohne es zu wiſſen und zu wollen, etwas von chriſtlichem Geiſt mit hinüber in ihr ſpäteres Leben und in ihr eigenes zukünftiges Heim. Nicht anders iſt es mit den Zehntauſenden von Kindern, welche die Sonntagsſchulen beſuchen. Iſt es auch nur ein Bruch- teil, welcher ſchließlich die Taufe empfängt, ſo iſt doch der Same, welcher in die jungen Herzen geſät wurde, deswegen noch nicht verloren. Er kann noch nach Jahren aufgehen und ſeine Frucht bringen. Im Anfang der neunziger Jahre war unter den Beſuchern unſerer Sonntagsſchule in Tokyo ein etwa fünfzehnjähriger Knabe. Eines Tages blieb er aus, wir hörten und ſahen nichts mehr von ihm, und da derartige Fälle nicht ſelten ſind, ſo begruben wir die auf ihn geſetzte Hoff- nung neben den hundert anderen, die man im Laufe der Jahre zu Grabe trägt. Drei Jahre ſpäter kam ich zur Beſichtigung unſerer dortigen noch jungen Station 1) nach Oſaka, und hier, hundert Wegſtunden von Tokyo entfernt, fand ich jenen ehemaligen Sonntagsſchüler unſerer Hongo- kirche wieder unter den erſten Täuflingen unſeres japa- niſchen Geiſtlichen. So war denn unſere Arbeit an ihm 1) Die Station mußte 1896 wieder aufgegeben werden.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/410>, abgerufen am 24.11.2024.