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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Götzen als Opfer anzündet), und kultischen Gegenständen
aller Art auch Kinderspielzeug und anderes mehr haben
kann. Da sind Gaukler und Akrobaten, die die festliche
Menge mit ihren Künsten erfreuen, und man hat Mühe,
sich durch das Getümmel hindurchzuarbeiten. Am
Tempel angekommen sieht man sie eintreten, zumeist
ältere Frauen. In dem Vorraum (haiden) vor dem
Gitter, das sie von dem Heiligen (honden) trennt, in
welchem die hotoke aufgestellt sind und die Priester im
Chor ihre Gebete verrichten, an denen das Volk aber weder
aktiven noch passiven Anteil nimmt, stellen oder knieen
sie sich hin, in Ehrfurcht legen sie die Handflächen flach
aufeinander, verneigen sich tief mit der Stirn bis zum
Boden und murmeln ein paarmal ihre Gebetsformel
vor sich hin. Nachdem sie noch eine kleine Weile an-
dächtig den hotoke betrachtet haben, stehen sie auf,
werfen eine kleine Kupfermünze in den Opferkasten,
soweit sie das nicht schon zu Anfang gethan haben, und
gehen davon; vielleicht um dem durch kein Gitterwerk
abgeschlossenen Binzuru-sama oder einem andern Lieb-
ling noch einen Besuch abzustatten, vielleicht um in das
festliche Getriebe draußen zurückzukehren. Auch der ge-
wöhnliche buddhistische Gottesdienst dauert nicht mehr
als eine bis zwei Minuten.

Die Bonzen sind nicht ganz so unbeschäftigt wie
ihre Shintokollegen. Ihre Hauptarbeit ist freilich auf
den Tempeldienst beschränkt. Seelsorge treiben auch sie
nicht. Auch hier giebt es keine zusammengehörigen
Gemeinden und kein Gemeindeleben. Bei der Geburt
und Eheschließung haben sie nichts zu thun. Dagegen
braucht man sie beim Tode. Von Mitake aus kam ich
einst in ein benachbartes d. h. etwa drei Stunden ent-
ferntes Dorf und kehrte mit meinen beiden Studenten

Götzen als Opfer anzündet), und kultiſchen Gegenſtänden
aller Art auch Kinderſpielzeug und anderes mehr haben
kann. Da ſind Gaukler und Akrobaten, die die feſtliche
Menge mit ihren Künſten erfreuen, und man hat Mühe,
ſich durch das Getümmel hindurchzuarbeiten. Am
Tempel angekommen ſieht man ſie eintreten, zumeiſt
ältere Frauen. In dem Vorraum (haiden) vor dem
Gitter, das ſie von dem Heiligen (honden) trennt, in
welchem die hotoke aufgeſtellt ſind und die Prieſter im
Chor ihre Gebete verrichten, an denen das Volk aber weder
aktiven noch paſſiven Anteil nimmt, ſtellen oder knieen
ſie ſich hin, in Ehrfurcht legen ſie die Handflächen flach
aufeinander, verneigen ſich tief mit der Stirn bis zum
Boden und murmeln ein paarmal ihre Gebetsformel
vor ſich hin. Nachdem ſie noch eine kleine Weile an-
dächtig den hotoke betrachtet haben, ſtehen ſie auf,
werfen eine kleine Kupfermünze in den Opferkaſten,
ſoweit ſie das nicht ſchon zu Anfang gethan haben, und
gehen davon; vielleicht um dem durch kein Gitterwerk
abgeſchloſſenen Binzuru-ſama oder einem andern Lieb-
ling noch einen Beſuch abzuſtatten, vielleicht um in das
feſtliche Getriebe draußen zurückzukehren. Auch der ge-
wöhnliche buddhiſtiſche Gottesdienſt dauert nicht mehr
als eine bis zwei Minuten.

Die Bonzen ſind nicht ganz ſo unbeſchäftigt wie
ihre Shintokollegen. Ihre Hauptarbeit iſt freilich auf
den Tempeldienſt beſchränkt. Seelſorge treiben auch ſie
nicht. Auch hier giebt es keine zuſammengehörigen
Gemeinden und kein Gemeindeleben. Bei der Geburt
und Eheſchließung haben ſie nichts zu thun. Dagegen
braucht man ſie beim Tode. Von Mitake aus kam ich
einſt in ein benachbartes d. h. etwa drei Stunden ent-
ferntes Dorf und kehrte mit meinen beiden Studenten

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[251/0265] Götzen als Opfer anzündet), und kultiſchen Gegenſtänden aller Art auch Kinderſpielzeug und anderes mehr haben kann. Da ſind Gaukler und Akrobaten, die die feſtliche Menge mit ihren Künſten erfreuen, und man hat Mühe, ſich durch das Getümmel hindurchzuarbeiten. Am Tempel angekommen ſieht man ſie eintreten, zumeiſt ältere Frauen. In dem Vorraum (haiden) vor dem Gitter, das ſie von dem Heiligen (honden) trennt, in welchem die hotoke aufgeſtellt ſind und die Prieſter im Chor ihre Gebete verrichten, an denen das Volk aber weder aktiven noch paſſiven Anteil nimmt, ſtellen oder knieen ſie ſich hin, in Ehrfurcht legen ſie die Handflächen flach aufeinander, verneigen ſich tief mit der Stirn bis zum Boden und murmeln ein paarmal ihre Gebetsformel vor ſich hin. Nachdem ſie noch eine kleine Weile an- dächtig den hotoke betrachtet haben, ſtehen ſie auf, werfen eine kleine Kupfermünze in den Opferkaſten, ſoweit ſie das nicht ſchon zu Anfang gethan haben, und gehen davon; vielleicht um dem durch kein Gitterwerk abgeſchloſſenen Binzuru-ſama oder einem andern Lieb- ling noch einen Beſuch abzuſtatten, vielleicht um in das feſtliche Getriebe draußen zurückzukehren. Auch der ge- wöhnliche buddhiſtiſche Gottesdienſt dauert nicht mehr als eine bis zwei Minuten. Die Bonzen ſind nicht ganz ſo unbeſchäftigt wie ihre Shintokollegen. Ihre Hauptarbeit iſt freilich auf den Tempeldienſt beſchränkt. Seelſorge treiben auch ſie nicht. Auch hier giebt es keine zuſammengehörigen Gemeinden und kein Gemeindeleben. Bei der Geburt und Eheſchließung haben ſie nichts zu thun. Dagegen braucht man ſie beim Tode. Von Mitake aus kam ich einſt in ein benachbartes d. h. etwa drei Stunden ent- ferntes Dorf und kehrte mit meinen beiden Studenten

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/265>, abgerufen am 24.11.2024.