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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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sind, und die zur Seite des Tempels nur wenige Fuß
über der Erde aufgehängte Glocke, welche mittels eines
schwebenden Holzbalkens angeschlagen wird, zeichnet sich
in der Regel durch einen wunderbar reinen und sym-
pathischen Ton aus.

Nicht wenige tera, und gerade die schönsten unter
ihnen, werden zu gottesdienstlichen Zwecken so gut wie
gar nicht gebraucht. Sie sind Weihgeschenke an die
hotoke, keine Stätten der Andacht; und den großen
Toshogu in Nikko, der dem als Gongen-sama vergött-
lichten Iyeyasu geweiht ist, möchte ich eher eine Ge-
dächtnishalle, denn einen Götzentempel nennen. Dagegen
erfreuen sich andere tera im höchsten Grade des religiösen
Zuspruchs des andächtigen Volks. Einen Sonntag
oder auch sonst einen bestimmten Tag oder bestimmte
Stunden zu gemeinsamer Andacht kennt der Buddhismus
nicht. Der Gläubige geht zum Tempel, je nachdem er
etwas auf dem Herzen hat, zu jeder Tageszeit, ja selbst
bei Nacht. Bei den kleinen Tempeln, etwa auf dem
Dorf, ist der Besuch spärlich; da könnte man sich stunden-
lang, mitunter selbst tagelang hinstellen, ohne daß ein
Beter zu sehen wäre; aber sind es auch durchschnittlich
recht wenige Besucher an einem Tage, so kommen die
Woche hindurch doch schließlich so viele zusammen, als
am Sonntag in mancher christlichen Kirche in Deutsch-
land zu sehen sind. In den populären Tempeln in den
großen Städten dagegen geht es beständig aus und ein
wie in einem Wirtshaus bei einer Kirchweihe. Und
in der That wird man an eine Kirchweihe oder einen
Jahrmarkt schon beim Näherkommen an den tera er-
innert. Da sind vor dem Tempel entlang dem Zu-
gangsweg eine Reihe von Kaufbuden, wo man neben
Rosenkränzen, Räuchervasen, Kerzen (die man vor den

ſind, und die zur Seite des Tempels nur wenige Fuß
über der Erde aufgehängte Glocke, welche mittels eines
ſchwebenden Holzbalkens angeſchlagen wird, zeichnet ſich
in der Regel durch einen wunderbar reinen und ſym-
pathiſchen Ton aus.

Nicht wenige tera, und gerade die ſchönſten unter
ihnen, werden zu gottesdienſtlichen Zwecken ſo gut wie
gar nicht gebraucht. Sie ſind Weihgeſchenke an die
hotoke, keine Stätten der Andacht; und den großen
Tōſhōgu in Nikkō, der dem als Gongen-ſama vergött-
lichten Iyeyaſu geweiht iſt, möchte ich eher eine Ge-
dächtnishalle, denn einen Götzentempel nennen. Dagegen
erfreuen ſich andere tera im höchſten Grade des religiöſen
Zuſpruchs des andächtigen Volks. Einen Sonntag
oder auch ſonſt einen beſtimmten Tag oder beſtimmte
Stunden zu gemeinſamer Andacht kennt der Buddhismus
nicht. Der Gläubige geht zum Tempel, je nachdem er
etwas auf dem Herzen hat, zu jeder Tageszeit, ja ſelbſt
bei Nacht. Bei den kleinen Tempeln, etwa auf dem
Dorf, iſt der Beſuch ſpärlich; da könnte man ſich ſtunden-
lang, mitunter ſelbſt tagelang hinſtellen, ohne daß ein
Beter zu ſehen wäre; aber ſind es auch durchſchnittlich
recht wenige Beſucher an einem Tage, ſo kommen die
Woche hindurch doch ſchließlich ſo viele zuſammen, als
am Sonntag in mancher chriſtlichen Kirche in Deutſch-
land zu ſehen ſind. In den populären Tempeln in den
großen Städten dagegen geht es beſtändig aus und ein
wie in einem Wirtshaus bei einer Kirchweihe. Und
in der That wird man an eine Kirchweihe oder einen
Jahrmarkt ſchon beim Näherkommen an den tera er-
innert. Da ſind vor dem Tempel entlang dem Zu-
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[250/0264] ſind, und die zur Seite des Tempels nur wenige Fuß über der Erde aufgehängte Glocke, welche mittels eines ſchwebenden Holzbalkens angeſchlagen wird, zeichnet ſich in der Regel durch einen wunderbar reinen und ſym- pathiſchen Ton aus. Nicht wenige tera, und gerade die ſchönſten unter ihnen, werden zu gottesdienſtlichen Zwecken ſo gut wie gar nicht gebraucht. Sie ſind Weihgeſchenke an die hotoke, keine Stätten der Andacht; und den großen Tōſhōgu in Nikkō, der dem als Gongen-ſama vergött- lichten Iyeyaſu geweiht iſt, möchte ich eher eine Ge- dächtnishalle, denn einen Götzentempel nennen. Dagegen erfreuen ſich andere tera im höchſten Grade des religiöſen Zuſpruchs des andächtigen Volks. Einen Sonntag oder auch ſonſt einen beſtimmten Tag oder beſtimmte Stunden zu gemeinſamer Andacht kennt der Buddhismus nicht. Der Gläubige geht zum Tempel, je nachdem er etwas auf dem Herzen hat, zu jeder Tageszeit, ja ſelbſt bei Nacht. Bei den kleinen Tempeln, etwa auf dem Dorf, iſt der Beſuch ſpärlich; da könnte man ſich ſtunden- lang, mitunter ſelbſt tagelang hinſtellen, ohne daß ein Beter zu ſehen wäre; aber ſind es auch durchſchnittlich recht wenige Beſucher an einem Tage, ſo kommen die Woche hindurch doch ſchließlich ſo viele zuſammen, als am Sonntag in mancher chriſtlichen Kirche in Deutſch- land zu ſehen ſind. In den populären Tempeln in den großen Städten dagegen geht es beſtändig aus und ein wie in einem Wirtshaus bei einer Kirchweihe. Und in der That wird man an eine Kirchweihe oder einen Jahrmarkt ſchon beim Näherkommen an den tera er- innert. Da ſind vor dem Tempel entlang dem Zu- gangsweg eine Reihe von Kaufbuden, wo man neben Roſenkränzen, Räuchervaſen, Kerzen (die man vor den

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/264>, abgerufen am 24.11.2024.