Schatten nicht ganz fehlen. Und Japan hat seine Schattenseiten. Das japanische Meer ist stürmisch. Der Reisende, welcher von Europa herkommt, hat in der Regel in den japanischen Gewässern seine schlechteste Fahrt. An Fischerkähnen und großen Schiffen fordert das Ungetüm alljährlich große Opfer. Manchmal auch wälzt es sich über weite Strecken des Landes und schwemmt Häuser und Felder hinweg. So ergoß sich Ende 1896 eine Flutwelle weit hinein in das Land und verschlang ganze Dörfer und Städte in ihren Wassern und bereitete 27 Tausend Menschen ein nasses Grab. Was am Abend zuvor noch ein blühendes Paradies gewesen, lag am nächsten Morgen da als das Tohuwabohu eines wüsten Leichenfeldes. Unheim- lich nicht allein zur See, sondern auch für die Be- wohner des Landes sind die Taifune, jene schrecklichen Stürme, welche durch furchtbare Gewalt Schiffen und Häusern gleich gefährlich werden. Ein betäubendes Heulen erfüllt die Lüfte und alle Gewalten der Hölle scheinen losgelassen. Deutschland wird es noch lange nicht verschmerzen, daß unser Kanonenboot Iltis in einem solchen Taifun seinen Untergang fand. Als die traurige Kunde von dem Verluste des mir wohlbe- kannten Schiffes kam, gedachte ich mit Wehmut der Erzählungen unserer wackeren Seeleute, wie sie sich freuten, wenn sie auf dieser Nußschale von einem Schiff sich wieder einmal glücklich durch die Wellen zwischen China und Japan hindurch gearbeitet hatten, und wie sie besorgten Herzens zu neuer Fahrt sich anschickten. Nun hat sich ihr trauriges Geschick erfüllt.
Nicht minder schlimm sind die Vulkane. Japan ist das Land der Vulkane. Bei einer Statistik der Vulkane der Erde steht Japan mit obenan. Jahr-
Schatten nicht ganz fehlen. Und Japan hat ſeine Schattenſeiten. Das japaniſche Meer iſt ſtürmiſch. Der Reiſende, welcher von Europa herkommt, hat in der Regel in den japaniſchen Gewäſſern ſeine ſchlechteſte Fahrt. An Fiſcherkähnen und großen Schiffen fordert das Ungetüm alljährlich große Opfer. Manchmal auch wälzt es ſich über weite Strecken des Landes und ſchwemmt Häuſer und Felder hinweg. So ergoß ſich Ende 1896 eine Flutwelle weit hinein in das Land und verſchlang ganze Dörfer und Städte in ihren Waſſern und bereitete 27 Tauſend Menſchen ein naſſes Grab. Was am Abend zuvor noch ein blühendes Paradies geweſen, lag am nächſten Morgen da als das Tohuwabohu eines wüſten Leichenfeldes. Unheim- lich nicht allein zur See, ſondern auch für die Be- wohner des Landes ſind die Taifune, jene ſchrecklichen Stürme, welche durch furchtbare Gewalt Schiffen und Häuſern gleich gefährlich werden. Ein betäubendes Heulen erfüllt die Lüfte und alle Gewalten der Hölle ſcheinen losgelaſſen. Deutſchland wird es noch lange nicht verſchmerzen, daß unſer Kanonenboot Iltis in einem ſolchen Taifun ſeinen Untergang fand. Als die traurige Kunde von dem Verluſte des mir wohlbe- kannten Schiffes kam, gedachte ich mit Wehmut der Erzählungen unſerer wackeren Seeleute, wie ſie ſich freuten, wenn ſie auf dieſer Nußſchale von einem Schiff ſich wieder einmal glücklich durch die Wellen zwiſchen China und Japan hindurch gearbeitet hatten, und wie ſie beſorgten Herzens zu neuer Fahrt ſich anſchickten. Nun hat ſich ihr trauriges Geſchick erfüllt.
Nicht minder ſchlimm ſind die Vulkane. Japan iſt das Land der Vulkane. Bei einer Statiſtik der Vulkane der Erde ſteht Japan mit obenan. Jahr-
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Schatten nicht ganz fehlen. Und Japan hat ſeine
Schattenſeiten. Das japaniſche Meer iſt ſtürmiſch.
Der Reiſende, welcher von Europa herkommt, hat in
der Regel in den japaniſchen Gewäſſern ſeine ſchlechteſte
Fahrt. An Fiſcherkähnen und großen Schiffen fordert
das Ungetüm alljährlich große Opfer. Manchmal auch
wälzt es ſich über weite Strecken des Landes und
ſchwemmt Häuſer und Felder hinweg. So ergoß ſich
Ende 1896 eine Flutwelle weit hinein in das Land
und verſchlang ganze Dörfer und Städte in ihren
Waſſern und bereitete 27 Tauſend Menſchen ein naſſes
Grab. Was am Abend zuvor noch ein blühendes
Paradies geweſen, lag am nächſten Morgen da als
das Tohuwabohu eines wüſten Leichenfeldes. Unheim-
lich nicht allein zur See, ſondern auch für die Be-
wohner des Landes ſind die Taifune, jene ſchrecklichen
Stürme, welche durch furchtbare Gewalt Schiffen und
Häuſern gleich gefährlich werden. Ein betäubendes
Heulen erfüllt die Lüfte und alle Gewalten der Hölle
ſcheinen losgelaſſen. Deutſchland wird es noch lange
nicht verſchmerzen, daß unſer Kanonenboot Iltis in
einem ſolchen Taifun ſeinen Untergang fand. Als die
traurige Kunde von dem Verluſte des mir wohlbe-
kannten Schiffes kam, gedachte ich mit Wehmut der
Erzählungen unſerer wackeren Seeleute, wie ſie ſich
freuten, wenn ſie auf dieſer Nußſchale von einem Schiff
ſich wieder einmal glücklich durch die Wellen zwiſchen
China und Japan hindurch gearbeitet hatten, und wie
ſie beſorgten Herzens zu neuer Fahrt ſich anſchickten.
Nun hat ſich ihr trauriges Geſchick erfüllt.
Nicht minder ſchlimm ſind die Vulkane. Japan
iſt das Land der Vulkane. Bei einer Statiſtik der
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/21>, abgerufen am 24.11.2024.
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