dicht besetzt mit Menschen, so daß an ein Durchkommen kaum zu denken war. Ich fragte einen Polizisten, was denn los sei. Derselbe gab mir in höflicher Weise den Bescheid, daß ein Trupp chinesischer Kriegsgefangener vom Bahnhof her erwartet werde. In der Schlacht von Pingyang waren ungefähr tausend Chinesen ge- fangen worden, welche man jetzt auf die größten Städte Japans verteilte. Nach Osaka kamen ungefähr ein hundert und sechzig. Selbstverständlich war auch ich neugierig, die Gefangenen, die ersten in Japan, zu sehen. Ich stellte mich daher gleichfalls neben der Straße auf, der einzige Europäer unter Tausenden von Eingeborenen, in einer politisch hoch erregten Zeit; aber nicht das geringste kam vor, höchstens, daß man mich neugierig betrachtete. Als ich etwa eine Stunde gewartet hatte, sah ich aus der Ferne den Zug herankommen. Voran und zu beiden Seiten japanische Infanterie mit ge- fälltem Gewehr, in ihrem Äußern fast genau wie preußische Soldaten; hinterher japanische Kavallerie, diese in Uniformen nach französischer Art. Dazwischen die Gefangenen. Es war ein erbarmungswürdiger Anblick. Leute von fünfzehn bis zu sechzig Jahren, halbe Kinder und Greise mit grauen Haaren, schlecht genährt, schlecht gekleidet. Einige verhüllten mit der Hand das Gesicht, andere schauten finster zu Boden; nur wenige wagten es, sich umzuschauen. Es war ihnen bang um das Herz. Sie glaubten, sie würden hierher gebracht, um zur Belustigung des Volkes eines grau- samen Todes sterben zu müssen, wie ja die Chinesen ihrerseits japanische Gefangene kurzer Hand töteten. Daß es ihnen in der Gefangenschaft gut gehen sollte, den meisten wohl besser als je zuvor in ihrem Leben, das ahnten sie damals noch nicht. Den Eindruck von
dicht beſetzt mit Menſchen, ſo daß an ein Durchkommen kaum zu denken war. Ich fragte einen Poliziſten, was denn los ſei. Derſelbe gab mir in höflicher Weiſe den Beſcheid, daß ein Trupp chineſiſcher Kriegsgefangener vom Bahnhof her erwartet werde. In der Schlacht von Pingyang waren ungefähr tauſend Chineſen ge- fangen worden, welche man jetzt auf die größten Städte Japans verteilte. Nach Oſaka kamen ungefähr ein hundert und ſechzig. Selbſtverſtändlich war auch ich neugierig, die Gefangenen, die erſten in Japan, zu ſehen. Ich ſtellte mich daher gleichfalls neben der Straße auf, der einzige Europäer unter Tauſenden von Eingeborenen, in einer politiſch hoch erregten Zeit; aber nicht das geringſte kam vor, höchſtens, daß man mich neugierig betrachtete. Als ich etwa eine Stunde gewartet hatte, ſah ich aus der Ferne den Zug herankommen. Voran und zu beiden Seiten japaniſche Infanterie mit ge- fälltem Gewehr, in ihrem Äußern faſt genau wie preußiſche Soldaten; hinterher japaniſche Kavallerie, dieſe in Uniformen nach franzöſiſcher Art. Dazwiſchen die Gefangenen. Es war ein erbarmungswürdiger Anblick. Leute von fünfzehn bis zu ſechzig Jahren, halbe Kinder und Greiſe mit grauen Haaren, ſchlecht genährt, ſchlecht gekleidet. Einige verhüllten mit der Hand das Geſicht, andere ſchauten finſter zu Boden; nur wenige wagten es, ſich umzuſchauen. Es war ihnen bang um das Herz. Sie glaubten, ſie würden hierher gebracht, um zur Beluſtigung des Volkes eines grau- ſamen Todes ſterben zu müſſen, wie ja die Chineſen ihrerſeits japaniſche Gefangene kurzer Hand töteten. Daß es ihnen in der Gefangenſchaft gut gehen ſollte, den meiſten wohl beſſer als je zuvor in ihrem Leben, das ahnten ſie damals noch nicht. Den Eindruck von
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dicht beſetzt mit Menſchen, ſo daß an ein Durchkommen
kaum zu denken war. Ich fragte einen Poliziſten, was
denn los ſei. Derſelbe gab mir in höflicher Weiſe den
Beſcheid, daß ein Trupp chineſiſcher Kriegsgefangener
vom Bahnhof her erwartet werde. In der Schlacht
von Pingyang waren ungefähr tauſend Chineſen ge-
fangen worden, welche man jetzt auf die größten Städte
Japans verteilte. Nach Oſaka kamen ungefähr ein
hundert und ſechzig. Selbſtverſtändlich war auch ich
neugierig, die Gefangenen, die erſten in Japan, zu ſehen.
Ich ſtellte mich daher gleichfalls neben der Straße auf,
der einzige Europäer unter Tauſenden von Eingeborenen,
in einer politiſch hoch erregten Zeit; aber nicht das
geringſte kam vor, höchſtens, daß man mich neugierig
betrachtete. Als ich etwa eine Stunde gewartet hatte,
ſah ich aus der Ferne den Zug herankommen. Voran
und zu beiden Seiten japaniſche Infanterie mit ge-
fälltem Gewehr, in ihrem Äußern faſt genau wie
preußiſche Soldaten; hinterher japaniſche Kavallerie,
dieſe in Uniformen nach franzöſiſcher Art. Dazwiſchen
die Gefangenen. Es war ein erbarmungswürdiger
Anblick. Leute von fünfzehn bis zu ſechzig Jahren,
halbe Kinder und Greiſe mit grauen Haaren, ſchlecht
genährt, ſchlecht gekleidet. Einige verhüllten mit der
Hand das Geſicht, andere ſchauten finſter zu Boden;
nur wenige wagten es, ſich umzuſchauen. Es war ihnen
bang um das Herz. Sie glaubten, ſie würden hierher
gebracht, um zur Beluſtigung des Volkes eines grau-
ſamen Todes ſterben zu müſſen, wie ja die Chineſen
ihrerſeits japaniſche Gefangene kurzer Hand töteten.
Daß es ihnen in der Gefangenſchaft gut gehen ſollte,
den meiſten wohl beſſer als je zuvor in ihrem Leben,
das ahnten ſie damals noch nicht. Den Eindruck von
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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