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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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sich im Hochmut auf, spottet über Abwesende und lacht
sie aus. All das ist nicht in Übereinstimmung mit dem,
was sich einer Frau geziemt. Die einzigen Eigenschaften,
welche ihr gut anstehen, sind Sanftmut, Gehorsam,
Keuschheit, Milde und Ruhe. In China nennt man
die Heirat Rückkehr; denn eine Frau muß ihres Mannes
Haus als ihre wahre Heimat betrachten, und wenn sie
heiratet, so ist das eine Rückkehr dahin, wo sie in
Wahrheit zu Hause ist. Wie ärmlich auch immer des
Gatten Haushalt ist, sie soll ihn nie darüber zur Rede
stellen. Ihre einzige große lebenslängliche Pflicht ist
Gehorsam. Wenn ihr Gatte ungehörig oder schlecht
handelt, so soll sie mit ruhigem Gesicht vor ihn hin-
treten und mit sanfter und freundlicher Stimme ihm
Vorhaltungen machen. Wenn er ärgerlich wird und
auf die Mahnungen nicht hören will, soll sie eine Zeit-
lang warten, um erst dann wieder die Sache zur Sprache
zu bringen, wenn sich sein Herz beruhigt hat. Niemals
trete die Frau mit scharfen Zügen und schneidender
Stimme gegen den Gatten auf. Eine Frau sollte immer
auf den Beinen sein und streng auf ihr eigenes Be-
tragen achthaben. Morgens muß sie früh aufstehen
und abends spät zu Bette gehen; unter Mittag soll sie
nicht ruhen. Nimmer soll sie müde werden zu weben,
zu spinnen und zu nähen. Sie soll nicht viel Sake
trinken, und zu Tempeln und andern Orten, wo große
Massen zusammenkommen, soll sie nur selten gehen, bis
sie vierzig Jahre alt geworden ist. In ihrer Eigen-
schaft als Gattin muß sie ihres Mannes Haushalt in
guter Ordnung halten. Unnötige Ausgaben meide sie,
und mit Bezug auf Speise und Kleidung halte sie es
so, wie es mit der gesellschaftlichen Stellung ihres Gatten
im Einklang steht. Luxus und protzenhaftes Wesen soll

ſich im Hochmut auf, ſpottet über Abweſende und lacht
ſie aus. All das iſt nicht in Übereinſtimmung mit dem,
was ſich einer Frau geziemt. Die einzigen Eigenſchaften,
welche ihr gut anſtehen, ſind Sanftmut, Gehorſam,
Keuſchheit, Milde und Ruhe. In China nennt man
die Heirat Rückkehr; denn eine Frau muß ihres Mannes
Haus als ihre wahre Heimat betrachten, und wenn ſie
heiratet, ſo iſt das eine Rückkehr dahin, wo ſie in
Wahrheit zu Hauſe iſt. Wie ärmlich auch immer des
Gatten Haushalt iſt, ſie ſoll ihn nie darüber zur Rede
ſtellen. Ihre einzige große lebenslängliche Pflicht iſt
Gehorſam. Wenn ihr Gatte ungehörig oder ſchlecht
handelt, ſo ſoll ſie mit ruhigem Geſicht vor ihn hin-
treten und mit ſanfter und freundlicher Stimme ihm
Vorhaltungen machen. Wenn er ärgerlich wird und
auf die Mahnungen nicht hören will, ſoll ſie eine Zeit-
lang warten, um erſt dann wieder die Sache zur Sprache
zu bringen, wenn ſich ſein Herz beruhigt hat. Niemals
trete die Frau mit ſcharfen Zügen und ſchneidender
Stimme gegen den Gatten auf. Eine Frau ſollte immer
auf den Beinen ſein und ſtreng auf ihr eigenes Be-
tragen achthaben. Morgens muß ſie früh aufſtehen
und abends ſpät zu Bette gehen; unter Mittag ſoll ſie
nicht ruhen. Nimmer ſoll ſie müde werden zu weben,
zu ſpinnen und zu nähen. Sie ſoll nicht viel Saké
trinken, und zu Tempeln und andern Orten, wo große
Maſſen zuſammenkommen, ſoll ſie nur ſelten gehen, bis
ſie vierzig Jahre alt geworden iſt. In ihrer Eigen-
ſchaft als Gattin muß ſie ihres Mannes Haushalt in
guter Ordnung halten. Unnötige Ausgaben meide ſie,
und mit Bezug auf Speiſe und Kleidung halte ſie es
ſo, wie es mit der geſellſchaftlichen Stellung ihres Gatten
im Einklang ſteht. Luxus und protzenhaftes Weſen ſoll

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[140/0154] ſich im Hochmut auf, ſpottet über Abweſende und lacht ſie aus. All das iſt nicht in Übereinſtimmung mit dem, was ſich einer Frau geziemt. Die einzigen Eigenſchaften, welche ihr gut anſtehen, ſind Sanftmut, Gehorſam, Keuſchheit, Milde und Ruhe. In China nennt man die Heirat Rückkehr; denn eine Frau muß ihres Mannes Haus als ihre wahre Heimat betrachten, und wenn ſie heiratet, ſo iſt das eine Rückkehr dahin, wo ſie in Wahrheit zu Hauſe iſt. Wie ärmlich auch immer des Gatten Haushalt iſt, ſie ſoll ihn nie darüber zur Rede ſtellen. Ihre einzige große lebenslängliche Pflicht iſt Gehorſam. Wenn ihr Gatte ungehörig oder ſchlecht handelt, ſo ſoll ſie mit ruhigem Geſicht vor ihn hin- treten und mit ſanfter und freundlicher Stimme ihm Vorhaltungen machen. Wenn er ärgerlich wird und auf die Mahnungen nicht hören will, ſoll ſie eine Zeit- lang warten, um erſt dann wieder die Sache zur Sprache zu bringen, wenn ſich ſein Herz beruhigt hat. Niemals trete die Frau mit ſcharfen Zügen und ſchneidender Stimme gegen den Gatten auf. Eine Frau ſollte immer auf den Beinen ſein und ſtreng auf ihr eigenes Be- tragen achthaben. Morgens muß ſie früh aufſtehen und abends ſpät zu Bette gehen; unter Mittag ſoll ſie nicht ruhen. Nimmer ſoll ſie müde werden zu weben, zu ſpinnen und zu nähen. Sie ſoll nicht viel Saké trinken, und zu Tempeln und andern Orten, wo große Maſſen zuſammenkommen, ſoll ſie nur ſelten gehen, bis ſie vierzig Jahre alt geworden iſt. In ihrer Eigen- ſchaft als Gattin muß ſie ihres Mannes Haushalt in guter Ordnung halten. Unnötige Ausgaben meide ſie, und mit Bezug auf Speiſe und Kleidung halte ſie es ſo, wie es mit der geſellſchaftlichen Stellung ihres Gatten im Einklang ſteht. Luxus und protzenhaftes Weſen ſoll

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/154>, abgerufen am 22.11.2024.