Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Leichtsinnig haben Sie über die Sitten gedacht, Die Nation, die Sie regieren wollten, und also Sie haben endlich das allgemeine Misvergnügen So ernstlich und demüthigend diese Vorwürfe er E 5
Leichtſinnig haben Sie uͤber die Sitten gedacht, Die Nation, die Sie regieren wollten, und alſo Sie haben endlich das allgemeine Misvergnuͤgen So ernſtlich und demuͤthigend dieſe Vorwuͤrfe er E 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="73"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Leichtſinnig haben Sie uͤber die Sitten gedacht,<lb/> es zum Grundſatz angenommen, daß die Regierung ſich<lb/> darum nicht zu bekuͤmmern haͤtte, und durch Beyſpiele,<lb/> Darbietung verfuͤhreriſcher Gelegenheiten, ja gar durch<lb/> Geſetze und oͤffentliche Anordnungen das Verderben der<lb/> Sitten befoͤrdert. — “Er habe geglaubt, die Sitten<lb/> ſtuͤnden allein unter der Aufſicht der Geiſtlichen. Uebri-<lb/> gens habe er die Geſinnungen der Nation nach den ſeini-<lb/> gen beurtheilt, und ſich vorgeſtellt, daß jedermann, ſo<lb/> wie er, das Vergnuͤgen und eine ganz ungebundene Le-<lb/> bensart fuͤr ſeine ganze Gluͤckſeeligkeit hielte.„</p><lb/> <p>Die Nation, die Sie regieren wollten, und alſo<lb/> lieben und ehren mußten, haben ſie vielmehr geringe-<lb/> geſchaͤtzt und verachtet. — Mit Gleichguͤltigkeit das<lb/> Elend angeſehen und die Nahrloſigkeit, die ſich waͤhrend<lb/> Jhrer Adminiſtration aus ſehr begreiflichen Urſachen,<lb/> beſonders ſichtbar in der Hauptſtadt, verbreitet hat. —<lb/> “Er haͤtte das freylich wohl wahrgenommen, waͤre auch<lb/> nicht ſo ganz gleichguͤltig dabey geweſen, ſondern haͤtte<lb/> darauf gedacht, wie etwa neue Quellen der Nahrung<lb/> eroͤffnet werden koͤnnten.„</p><lb/> <p>Sie haben endlich das allgemeine Misvergnuͤgen<lb/> geſehen und empfunden. Sie ſind von Freunden und<lb/> Feinden gewarnet worden. Aber Sie achteten das alles<lb/> nicht, weil Jhre herrſchenden Begierden Jhnen kein<lb/> ernſtliches Nachdenken verſtatteten. — “Er habe ſich<lb/> immer mit der Hoffnung hingehalten, daß dieſe Unzu-<lb/> friedenheit ſich endlich legen, und ſeine Maaßregeln ihn<lb/> in Sicherheit ſetzen wuͤrden.„ — —</p><lb/> <p>So ernſtlich und demuͤthigend dieſe Vorwuͤrfe<lb/> waren, ſo bemerkte ich doch an dem Grafen nicht die<lb/> geringſte Empfindlichkeit daruͤber. Etwas weniges ſagte<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0085]
Leichtſinnig haben Sie uͤber die Sitten gedacht,
es zum Grundſatz angenommen, daß die Regierung ſich
darum nicht zu bekuͤmmern haͤtte, und durch Beyſpiele,
Darbietung verfuͤhreriſcher Gelegenheiten, ja gar durch
Geſetze und oͤffentliche Anordnungen das Verderben der
Sitten befoͤrdert. — “Er habe geglaubt, die Sitten
ſtuͤnden allein unter der Aufſicht der Geiſtlichen. Uebri-
gens habe er die Geſinnungen der Nation nach den ſeini-
gen beurtheilt, und ſich vorgeſtellt, daß jedermann, ſo
wie er, das Vergnuͤgen und eine ganz ungebundene Le-
bensart fuͤr ſeine ganze Gluͤckſeeligkeit hielte.„
Die Nation, die Sie regieren wollten, und alſo
lieben und ehren mußten, haben ſie vielmehr geringe-
geſchaͤtzt und verachtet. — Mit Gleichguͤltigkeit das
Elend angeſehen und die Nahrloſigkeit, die ſich waͤhrend
Jhrer Adminiſtration aus ſehr begreiflichen Urſachen,
beſonders ſichtbar in der Hauptſtadt, verbreitet hat. —
“Er haͤtte das freylich wohl wahrgenommen, waͤre auch
nicht ſo ganz gleichguͤltig dabey geweſen, ſondern haͤtte
darauf gedacht, wie etwa neue Quellen der Nahrung
eroͤffnet werden koͤnnten.„
Sie haben endlich das allgemeine Misvergnuͤgen
geſehen und empfunden. Sie ſind von Freunden und
Feinden gewarnet worden. Aber Sie achteten das alles
nicht, weil Jhre herrſchenden Begierden Jhnen kein
ernſtliches Nachdenken verſtatteten. — “Er habe ſich
immer mit der Hoffnung hingehalten, daß dieſe Unzu-
friedenheit ſich endlich legen, und ſeine Maaßregeln ihn
in Sicherheit ſetzen wuͤrden.„ — —
So ernſtlich und demuͤthigend dieſe Vorwuͤrfe
waren, ſo bemerkte ich doch an dem Grafen nicht die
geringſte Empfindlichkeit daruͤber. Etwas weniges ſagte
er
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