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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Wie so ganz haben Sie Jhren guten Nahmen
dadurch verloren! "Jch habe immer geglaubt, ich dürfe
mir aus dem allgemeinen Urtheil nichts machen. Daher
habe ich nur einigen zu gefallen gesucht. Jtzt erfahre
ichs, wie viel an einem durch Tugend erworbenen guten
Nahmen gelegen ist."

Wie gleichgültig sind Sie dadurch gegen mora-
lische Freuden geworden, welche eine der würksamsten
Triebfedern zur Tugend, und ein wesentliches Stück der
wahren Glückseeligkeit sind! "Jn meinen jüngern Jah-
ren bin ich gegen die Freude an guten Gesinnungen und
Thaten ganz gleichgültig gewesen. Nachher habe ich
zwar wohl Vergnügen daran empfunden, wenn ich etwas
gethan, das ich für gut hielt. Aber nie habe ich unter
dieser edlen Freude und den Ergötzungen der Wollust ei-
nen Unterschied gemacht."

Wie viele Menschen haben Sie durch Jhre Wol-
lust unglücklich gemacht? -- Wie oft junge Mannsper-
sonen durch Jhr Exempel, auch wohl durch Ermunte-
rungen und durch Mittheilung Jhrer Grundsätze zu Aus-
schweifungen verführt? -- Sind Sie nicht dadurch Ur-
sache geworden, daß diese Unglücklichen alle obigen und
nachfolgenden Sünden begangen haben, oder doch bege-
hen konnten? -- Wie mancher Jhrer Verführten wird
seinen guten Nahmen verlohren und seine Gesundheit zer-
stört, wie mancher wohl gar seinen Tod auf den Wegen
der Wollust gefunden haben? -- Jst es nicht möglich,
daß verlassene Wittwen und verwaisete Kinder, deren
Männer und Väter durch die von Jhnen erlernte Wol-
lust getödtet worden sind, wider den verborgenen Urheber
ihres Unglücks, für den der Allwissende Sie erkennt, zu
Gott seufzen? -- Vielleicht ist dieser oder jener durch die
Ausschweifungen, zu denen Sie ihn angeführt haben, zu

den


Wie ſo ganz haben Sie Jhren guten Nahmen
dadurch verloren! “Jch habe immer geglaubt, ich duͤrfe
mir aus dem allgemeinen Urtheil nichts machen. Daher
habe ich nur einigen zu gefallen geſucht. Jtzt erfahre
ichs, wie viel an einem durch Tugend erworbenen guten
Nahmen gelegen iſt.„

Wie gleichguͤltig ſind Sie dadurch gegen mora-
liſche Freuden geworden, welche eine der wuͤrkſamſten
Triebfedern zur Tugend, und ein weſentliches Stuͤck der
wahren Gluͤckſeeligkeit ſind! “Jn meinen juͤngern Jah-
ren bin ich gegen die Freude an guten Geſinnungen und
Thaten ganz gleichguͤltig geweſen. Nachher habe ich
zwar wohl Vergnuͤgen daran empfunden, wenn ich etwas
gethan, das ich fuͤr gut hielt. Aber nie habe ich unter
dieſer edlen Freude und den Ergoͤtzungen der Wolluſt ei-
nen Unterſchied gemacht.„

Wie viele Menſchen haben Sie durch Jhre Wol-
luſt ungluͤcklich gemacht? — Wie oft junge Mannsper-
ſonen durch Jhr Exempel, auch wohl durch Ermunte-
rungen und durch Mittheilung Jhrer Grundſaͤtze zu Aus-
ſchweifungen verfuͤhrt? — Sind Sie nicht dadurch Ur-
ſache geworden, daß dieſe Ungluͤcklichen alle obigen und
nachfolgenden Suͤnden begangen haben, oder doch bege-
hen konnten? — Wie mancher Jhrer Verfuͤhrten wird
ſeinen guten Nahmen verlohren und ſeine Geſundheit zer-
ſtoͤrt, wie mancher wohl gar ſeinen Tod auf den Wegen
der Wolluſt gefunden haben? — Jſt es nicht moͤglich,
daß verlaſſene Wittwen und verwaiſete Kinder, deren
Maͤnner und Vaͤter durch die von Jhnen erlernte Wol-
luſt getoͤdtet worden ſind, wider den verborgenen Urheber
ihres Ungluͤcks, fuͤr den der Allwiſſende Sie erkennt, zu
Gott ſeufzen? — Vielleicht iſt dieſer oder jener durch die
Ausſchweifungen, zu denen Sie ihn angefuͤhrt haben, zu

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[58/0070] Wie ſo ganz haben Sie Jhren guten Nahmen dadurch verloren! “Jch habe immer geglaubt, ich duͤrfe mir aus dem allgemeinen Urtheil nichts machen. Daher habe ich nur einigen zu gefallen geſucht. Jtzt erfahre ichs, wie viel an einem durch Tugend erworbenen guten Nahmen gelegen iſt.„ Wie gleichguͤltig ſind Sie dadurch gegen mora- liſche Freuden geworden, welche eine der wuͤrkſamſten Triebfedern zur Tugend, und ein weſentliches Stuͤck der wahren Gluͤckſeeligkeit ſind! “Jn meinen juͤngern Jah- ren bin ich gegen die Freude an guten Geſinnungen und Thaten ganz gleichguͤltig geweſen. Nachher habe ich zwar wohl Vergnuͤgen daran empfunden, wenn ich etwas gethan, das ich fuͤr gut hielt. Aber nie habe ich unter dieſer edlen Freude und den Ergoͤtzungen der Wolluſt ei- nen Unterſchied gemacht.„ Wie viele Menſchen haben Sie durch Jhre Wol- luſt ungluͤcklich gemacht? — Wie oft junge Mannsper- ſonen durch Jhr Exempel, auch wohl durch Ermunte- rungen und durch Mittheilung Jhrer Grundſaͤtze zu Aus- ſchweifungen verfuͤhrt? — Sind Sie nicht dadurch Ur- ſache geworden, daß dieſe Ungluͤcklichen alle obigen und nachfolgenden Suͤnden begangen haben, oder doch bege- hen konnten? — Wie mancher Jhrer Verfuͤhrten wird ſeinen guten Nahmen verlohren und ſeine Geſundheit zer- ſtoͤrt, wie mancher wohl gar ſeinen Tod auf den Wegen der Wolluſt gefunden haben? — Jſt es nicht moͤglich, daß verlaſſene Wittwen und verwaiſete Kinder, deren Maͤnner und Vaͤter durch die von Jhnen erlernte Wol- luſt getoͤdtet worden ſind, wider den verborgenen Urheber ihres Ungluͤcks, fuͤr den der Allwiſſende Sie erkennt, zu Gott ſeufzen? — Vielleicht iſt dieſer oder jener durch die Ausſchweifungen, zu denen Sie ihn angefuͤhrt haben, zu den

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/70>, abgerufen am 23.11.2024.