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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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anfangen. Die Sonne bewegt sich alle vier und zwanzig
Stunden um die Erde. Daher kommt Tag und Nacht.
Aber was verursacht die Jahrszeiten? Sie bewegt sich
in einem Schneckengange. Dadurch kömmt sie allmählig
der Erde näher, und macht die wärmern Jahrszeiten.
Wie verursacht sie aber die kältern? Sie geht zu rechter
Zeit in diesem Schneckengange wieder zurück und ent-
fernt sich von der Erde. Nun ist freylich Tag und Nacht,
Sommer und Winter erklärt. Aber die erste Hypothese,
daß die Sonne sich alle vier und zwanzig Stunden um
die Erde bewege, war dazu nicht hinlänglich. Sie
mußte noch durch andre Hypothesen unterstützt werden.
Die copernicanische Hypothese hingegen bedarf dieser Um-
schweife nicht und erklärt alles allein. Die Erde bewegt
sich um die Sonne, so daß sie sich täglich um ihre Axe,
und jährlich einmahl um die Sonne wälzt. Jst nun
nicht diese letzte der erstern weit vorzuziehen, und hat
sich nicht die Vernunft schon längst würklich für sie er-
klärt? -- Alle diese Voraussetzungen nahm der Graf
ohne Widerspruch für wahr und vernünftig an.

Jch wandte nun diese Regeln auf die Hypothese
an: der Mensch ist eine Maschine. Dieser Satz, sagte
ich, wird von Jhnen zur Erklärung der Erscheinungen,
die bey dem Menschen erblickt werden, angenommen.
Sie geben ihn, wie ich hoffe, für keine ausgemachte und
erweisliche Wahrheit aus, sonst müßte ich Sie bitten
mir einen richtigen Beweis davon zu führen. Er mag
vielleicht ausgeschmückt, und durch einige anatomische
Bemerkungen glaublich oder wohl gar wahrscheinlich ge-
macht werden können. Aber der Zergliederer kennt doch
ja nur die gröberen Theile des Menschen. Die seinern
und feinsten entziehen sich seinen Blicken. Daher ist kein
hinlänglicher Beweis davon möglich. Der Graf erbot
sich zwar zum Beweise. Aber alles lief darauf hinaus,

daß



anfangen. Die Sonne bewegt ſich alle vier und zwanzig
Stunden um die Erde. Daher kommt Tag und Nacht.
Aber was verurſacht die Jahrszeiten? Sie bewegt ſich
in einem Schneckengange. Dadurch koͤmmt ſie allmaͤhlig
der Erde naͤher, und macht die waͤrmern Jahrszeiten.
Wie verurſacht ſie aber die kaͤltern? Sie geht zu rechter
Zeit in dieſem Schneckengange wieder zuruͤck und ent-
fernt ſich von der Erde. Nun iſt freylich Tag und Nacht,
Sommer und Winter erklaͤrt. Aber die erſte Hypotheſe,
daß die Sonne ſich alle vier und zwanzig Stunden um
die Erde bewege, war dazu nicht hinlaͤnglich. Sie
mußte noch durch andre Hypotheſen unterſtuͤtzt werden.
Die copernicaniſche Hypotheſe hingegen bedarf dieſer Um-
ſchweife nicht und erklaͤrt alles allein. Die Erde bewegt
ſich um die Sonne, ſo daß ſie ſich taͤglich um ihre Axe,
und jaͤhrlich einmahl um die Sonne waͤlzt. Jſt nun
nicht dieſe letzte der erſtern weit vorzuziehen, und hat
ſich nicht die Vernunft ſchon laͤngſt wuͤrklich fuͤr ſie er-
klaͤrt? — Alle dieſe Vorausſetzungen nahm der Graf
ohne Widerſpruch fuͤr wahr und vernuͤnftig an.

Jch wandte nun dieſe Regeln auf die Hypotheſe
an: der Menſch iſt eine Maſchine. Dieſer Satz, ſagte
ich, wird von Jhnen zur Erklaͤrung der Erſcheinungen,
die bey dem Menſchen erblickt werden, angenommen.
Sie geben ihn, wie ich hoffe, fuͤr keine ausgemachte und
erweisliche Wahrheit aus, ſonſt muͤßte ich Sie bitten
mir einen richtigen Beweis davon zu fuͤhren. Er mag
vielleicht ausgeſchmuͤckt, und durch einige anatomiſche
Bemerkungen glaublich oder wohl gar wahrſcheinlich ge-
macht werden koͤnnen. Aber der Zergliederer kennt doch
ja nur die groͤberen Theile des Menſchen. Die ſeinern
und feinſten entziehen ſich ſeinen Blicken. Daher iſt kein
hinlaͤnglicher Beweis davon moͤglich. Der Graf erbot
ſich zwar zum Beweiſe. Aber alles lief darauf hinaus,

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[14/0026] anfangen. Die Sonne bewegt ſich alle vier und zwanzig Stunden um die Erde. Daher kommt Tag und Nacht. Aber was verurſacht die Jahrszeiten? Sie bewegt ſich in einem Schneckengange. Dadurch koͤmmt ſie allmaͤhlig der Erde naͤher, und macht die waͤrmern Jahrszeiten. Wie verurſacht ſie aber die kaͤltern? Sie geht zu rechter Zeit in dieſem Schneckengange wieder zuruͤck und ent- fernt ſich von der Erde. Nun iſt freylich Tag und Nacht, Sommer und Winter erklaͤrt. Aber die erſte Hypotheſe, daß die Sonne ſich alle vier und zwanzig Stunden um die Erde bewege, war dazu nicht hinlaͤnglich. Sie mußte noch durch andre Hypotheſen unterſtuͤtzt werden. Die copernicaniſche Hypotheſe hingegen bedarf dieſer Um- ſchweife nicht und erklaͤrt alles allein. Die Erde bewegt ſich um die Sonne, ſo daß ſie ſich taͤglich um ihre Axe, und jaͤhrlich einmahl um die Sonne waͤlzt. Jſt nun nicht dieſe letzte der erſtern weit vorzuziehen, und hat ſich nicht die Vernunft ſchon laͤngſt wuͤrklich fuͤr ſie er- klaͤrt? — Alle dieſe Vorausſetzungen nahm der Graf ohne Widerſpruch fuͤr wahr und vernuͤnftig an. Jch wandte nun dieſe Regeln auf die Hypotheſe an: der Menſch iſt eine Maſchine. Dieſer Satz, ſagte ich, wird von Jhnen zur Erklaͤrung der Erſcheinungen, die bey dem Menſchen erblickt werden, angenommen. Sie geben ihn, wie ich hoffe, fuͤr keine ausgemachte und erweisliche Wahrheit aus, ſonſt muͤßte ich Sie bitten mir einen richtigen Beweis davon zu fuͤhren. Er mag vielleicht ausgeſchmuͤckt, und durch einige anatomiſche Bemerkungen glaublich oder wohl gar wahrſcheinlich ge- macht werden koͤnnen. Aber der Zergliederer kennt doch ja nur die groͤberen Theile des Menſchen. Die ſeinern und feinſten entziehen ſich ſeinen Blicken. Daher iſt kein hinlaͤnglicher Beweis davon moͤglich. Der Graf erbot ſich zwar zum Beweiſe. Aber alles lief darauf hinaus, daß

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/26>, abgerufen am 24.11.2024.