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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Nahmen und Gestalten wieder dasselbe enthalten. Ver-
nünftige Verehrer des Christenthums sollten ihm diese
Maxime, wodurch er viel Unheil anrichtet, ablernen um
Gutes dadurch zu stiften. Voltaire thut sich viel darauf
zu gut, daß er dieß Mittel, wie er sagt, erfunden hat die
Welt zu erleuchten. Jch erinnere mich, daß Alembert in
Paris, als ich ihn auf meiner Reise sprach, von dieser Me-
thode viel Rühmens machte, und Voltairens Weisheit
darin bewunderte. Jnzwischen glaube ich nicht einmahl
daß er der Erfinder derselben ist. Er kann wohl gar diese
Art seine Gedanken auszubreiten und allgemein zu machen
von Christo selbst gelernt haben. Denn eben so lehrte
Christus die Wahrheit, bald in Parabeln, bald in Fra-
gen und Antworten, bald in Predigten. --

Alembert sagte mir damals auch, daß er das
Christenthum sorgfältig untersucht und nichts vernunftwi-
driges in demselben gefunden habe. Daß er aber es gleich-
wohl nicht annehme gründe sich darin, daß er kein Ge-
fühl davon habe. Dieß Gefühl sey eine Würkung Gottes.
Wenn ihm Gott dasselbe versage, so glaube er entschul-
digt zu seyn, daß er es nicht habe, und daher auch kein
Christ sey. --

Endlich klagte mir der Graf noch, daß er seit eini-
gen Tagen böse Träume hätte, und begehrte meine Mey-
nung zu wissen, in wie ferne solche Träume moralisch seyn
und dem Menschen, der sie hätte, zugerechnet werden könn-
ten. Jch antwortete ihm, in so ferne sie sich in freyen
Vorstellungen der Seele während des wachenden Zustan-
des gründeten. Dieß, sagte er hierauf, beruhigt mich, denn
ich versichere Sie, ich denke itzt gar nicht an die Dinge,
worauf sich meine Träume beziehen. Ueberhaupt habe ich
bey mir angemerkt, daß die Materie zu meinen Träumen
fast nie aus nahe vorhergehenden, sondern immer aus
entfernten Empfindungen und Vorstellungen hergenom-
men ist. So habe ich in der ersten Woche meiner Gefan-

genschaft
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Nahmen und Geſtalten wieder daſſelbe enthalten. Ver-
nuͤnftige Verehrer des Chriſtenthums ſollten ihm dieſe
Maxime, wodurch er viel Unheil anrichtet, ablernen um
Gutes dadurch zu ſtiften. Voltaire thut ſich viel darauf
zu gut, daß er dieß Mittel, wie er ſagt, erfunden hat die
Welt zu erleuchten. Jch erinnere mich, daß Alembert in
Paris, als ich ihn auf meiner Reiſe ſprach, von dieſer Me-
thode viel Ruͤhmens machte, und Voltairens Weisheit
darin bewunderte. Jnzwiſchen glaube ich nicht einmahl
daß er der Erfinder derſelben iſt. Er kann wohl gar dieſe
Art ſeine Gedanken auszubreiten und allgemein zu machen
von Chriſto ſelbſt gelernt haben. Denn eben ſo lehrte
Chriſtus die Wahrheit, bald in Parabeln, bald in Fra-
gen und Antworten, bald in Predigten. —

Alembert ſagte mir damals auch, daß er das
Chriſtenthum ſorgfaͤltig unterſucht und nichts vernunftwi-
driges in demſelben gefunden habe. Daß er aber es gleich-
wohl nicht annehme gruͤnde ſich darin, daß er kein Ge-
fuͤhl davon habe. Dieß Gefuͤhl ſey eine Wuͤrkung Gottes.
Wenn ihm Gott daſſelbe verſage, ſo glaube er entſchul-
digt zu ſeyn, daß er es nicht habe, und daher auch kein
Chriſt ſey. —

Endlich klagte mir der Graf noch, daß er ſeit eini-
gen Tagen boͤſe Traͤume haͤtte, und begehrte meine Mey-
nung zu wiſſen, in wie ferne ſolche Traͤume moraliſch ſeyn
und dem Menſchen, der ſie haͤtte, zugerechnet werden koͤnn-
ten. Jch antwortete ihm, in ſo ferne ſie ſich in freyen
Vorſtellungen der Seele waͤhrend des wachenden Zuſtan-
des gruͤndeten. Dieß, ſagte er hierauf, beruhigt mich, denn
ich verſichere Sie, ich denke itzt gar nicht an die Dinge,
worauf ſich meine Traͤume beziehen. Ueberhaupt habe ich
bey mir angemerkt, daß die Materie zu meinen Traͤumen
faſt nie aus nahe vorhergehenden, ſondern immer aus
entfernten Empfindungen und Vorſtellungen hergenom-
men iſt. So habe ich in der erſten Woche meiner Gefan-

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[231/0243] Nahmen und Geſtalten wieder daſſelbe enthalten. Ver- nuͤnftige Verehrer des Chriſtenthums ſollten ihm dieſe Maxime, wodurch er viel Unheil anrichtet, ablernen um Gutes dadurch zu ſtiften. Voltaire thut ſich viel darauf zu gut, daß er dieß Mittel, wie er ſagt, erfunden hat die Welt zu erleuchten. Jch erinnere mich, daß Alembert in Paris, als ich ihn auf meiner Reiſe ſprach, von dieſer Me- thode viel Ruͤhmens machte, und Voltairens Weisheit darin bewunderte. Jnzwiſchen glaube ich nicht einmahl daß er der Erfinder derſelben iſt. Er kann wohl gar dieſe Art ſeine Gedanken auszubreiten und allgemein zu machen von Chriſto ſelbſt gelernt haben. Denn eben ſo lehrte Chriſtus die Wahrheit, bald in Parabeln, bald in Fra- gen und Antworten, bald in Predigten. — Alembert ſagte mir damals auch, daß er das Chriſtenthum ſorgfaͤltig unterſucht und nichts vernunftwi- driges in demſelben gefunden habe. Daß er aber es gleich- wohl nicht annehme gruͤnde ſich darin, daß er kein Ge- fuͤhl davon habe. Dieß Gefuͤhl ſey eine Wuͤrkung Gottes. Wenn ihm Gott daſſelbe verſage, ſo glaube er entſchul- digt zu ſeyn, daß er es nicht habe, und daher auch kein Chriſt ſey. — Endlich klagte mir der Graf noch, daß er ſeit eini- gen Tagen boͤſe Traͤume haͤtte, und begehrte meine Mey- nung zu wiſſen, in wie ferne ſolche Traͤume moraliſch ſeyn und dem Menſchen, der ſie haͤtte, zugerechnet werden koͤnn- ten. Jch antwortete ihm, in ſo ferne ſie ſich in freyen Vorſtellungen der Seele waͤhrend des wachenden Zuſtan- des gruͤndeten. Dieß, ſagte er hierauf, beruhigt mich, denn ich verſichere Sie, ich denke itzt gar nicht an die Dinge, worauf ſich meine Traͤume beziehen. Ueberhaupt habe ich bey mir angemerkt, daß die Materie zu meinen Traͤumen faſt nie aus nahe vorhergehenden, ſondern immer aus entfernten Empfindungen und Vorſtellungen hergenom- men iſt. So habe ich in der erſten Woche meiner Gefan- genſchaft P 4

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/243>, abgerufen am 24.11.2024.