Welt in die künftige hinüber bringen werden. 1 Cor. 15, 40-42. 2 Cor. 9, 6. Aber es wird doch ohne Zweifel kei- nen, auch dem geringsten nicht, an irgend einer von den Seeligkeiten fehlen, von denen wir geredet haben. --
Jch versprach dem Grafen diese allgemeine Be- trachtung in unsrer nächsten Unterredung auf ihn anzu- wenden. Er war sehr ruhig, und bezeugte mir, daß er sich glücklich schätze der Ewigkeit nahe zu seyn, ob ihm gleich die Art seines Einganges in dieselbe betrübt seyn müsse. Er wolle inzwischen allen seinen Fleiß anwenden, sich in eine solche Verfassung zu setzen, in der er hoffen dürfe, die Schrecken dieses Todes überwinden und einer seeligen Ewigkeit gewiß seyn zu können. Er glaube daß seine Pflichten, die ihm in dieser Absicht oblägen, darin bestünden, daß er erstlich sein voriges Leben beständig vor Augen behielte, um seine Reue darüber bis ans Ende lebhaft zu erhalten, und dann unaufhörlich daran arbei- tete seine gegenwärtigen Gesinnungen zu befestigen, sich gewöhnlich zu machen und zu verbessern.
Dieß, setzte er hinzu, ist nun meine ganze Be- schäftigung, und sie interessirt mich auch so sehr, ich finde so viel Befriedigung darin, daß ich an nichts sonst Ge- schmack finde. Jch habe noch vor kurzem zuweilen eine Stunde in der histoire generelle des Voiages gelesen, und es Jhnen damals, wie Sie sich erinnern werden, auch gesagt. Jch habe es auch zu der Zeit schon gefühlt, daß ich meine Stunden nützlicher brauchen könnte. Aber, weil ich nicht gleichsam scheinheilig gegen mich selbst thun wollte, so wollte ich mich auch nicht mit Gewalt zwingen meine Lust zu diesem Buche zu unterdrücken. Jtzt hat sie sich von selbst verlohren. Jch kann nichts anders lesen und denken, und es interessirt mich sonst nichts, als was mit meinem einzigen Geschäffte, mich auf die Ewigkeit zuzu- bereiten, in Verbindung steht. Jch bin auch nun, Gott- lob, so weit gekommen, daß meine Zweifel mich gar nicht
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Welt in die kuͤnftige hinuͤber bringen werden. 1 Cor. 15, 40-42. 2 Cor. 9, 6. Aber es wird doch ohne Zweifel kei- nen, auch dem geringſten nicht, an irgend einer von den Seeligkeiten fehlen, von denen wir geredet haben. —
Jch verſprach dem Grafen dieſe allgemeine Be- trachtung in unſrer naͤchſten Unterredung auf ihn anzu- wenden. Er war ſehr ruhig, und bezeugte mir, daß er ſich gluͤcklich ſchaͤtze der Ewigkeit nahe zu ſeyn, ob ihm gleich die Art ſeines Einganges in dieſelbe betruͤbt ſeyn muͤſſe. Er wolle inzwiſchen allen ſeinen Fleiß anwenden, ſich in eine ſolche Verfaſſung zu ſetzen, in der er hoffen duͤrfe, die Schrecken dieſes Todes uͤberwinden und einer ſeeligen Ewigkeit gewiß ſeyn zu koͤnnen. Er glaube daß ſeine Pflichten, die ihm in dieſer Abſicht oblaͤgen, darin beſtuͤnden, daß er erſtlich ſein voriges Leben beſtaͤndig vor Augen behielte, um ſeine Reue daruͤber bis ans Ende lebhaft zu erhalten, und dann unaufhoͤrlich daran arbei- tete ſeine gegenwaͤrtigen Geſinnungen zu befeſtigen, ſich gewoͤhnlich zu machen und zu verbeſſern.
Dieß, ſetzte er hinzu, iſt nun meine ganze Be- ſchaͤftigung, und ſie intereſſirt mich auch ſo ſehr, ich finde ſo viel Befriedigung darin, daß ich an nichts ſonſt Ge- ſchmack finde. Jch habe noch vor kurzem zuweilen eine Stunde in der hiſtoire generelle des Voïages geleſen, und es Jhnen damals, wie Sie ſich erinnern werden, auch geſagt. Jch habe es auch zu der Zeit ſchon gefuͤhlt, daß ich meine Stunden nuͤtzlicher brauchen koͤnnte. Aber, weil ich nicht gleichſam ſcheinheilig gegen mich ſelbſt thun wollte, ſo wollte ich mich auch nicht mit Gewalt zwingen meine Luſt zu dieſem Buche zu unterdruͤcken. Jtzt hat ſie ſich von ſelbſt verlohren. Jch kann nichts anders leſen und denken, und es intereſſirt mich ſonſt nichts, als was mit meinem einzigen Geſchaͤffte, mich auf die Ewigkeit zuzu- bereiten, in Verbindung ſteht. Jch bin auch nun, Gott- lob, ſo weit gekommen, daß meine Zweifel mich gar nicht
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Welt in die kuͤnftige hinuͤber bringen werden. 1 Cor. 15,
40-42. 2 Cor. 9, 6. Aber es wird doch ohne Zweifel kei-
nen, auch dem geringſten nicht, an irgend einer von den
Seeligkeiten fehlen, von denen wir geredet haben. —
Jch verſprach dem Grafen dieſe allgemeine Be-
trachtung in unſrer naͤchſten Unterredung auf ihn anzu-
wenden. Er war ſehr ruhig, und bezeugte mir, daß er
ſich gluͤcklich ſchaͤtze der Ewigkeit nahe zu ſeyn, ob ihm
gleich die Art ſeines Einganges in dieſelbe betruͤbt ſeyn
muͤſſe. Er wolle inzwiſchen allen ſeinen Fleiß anwenden,
ſich in eine ſolche Verfaſſung zu ſetzen, in der er hoffen
duͤrfe, die Schrecken dieſes Todes uͤberwinden und einer
ſeeligen Ewigkeit gewiß ſeyn zu koͤnnen. Er glaube daß
ſeine Pflichten, die ihm in dieſer Abſicht oblaͤgen, darin
beſtuͤnden, daß er erſtlich ſein voriges Leben beſtaͤndig vor
Augen behielte, um ſeine Reue daruͤber bis ans Ende
lebhaft zu erhalten, und dann unaufhoͤrlich daran arbei-
tete ſeine gegenwaͤrtigen Geſinnungen zu befeſtigen, ſich
gewoͤhnlich zu machen und zu verbeſſern.
Dieß, ſetzte er hinzu, iſt nun meine ganze Be-
ſchaͤftigung, und ſie intereſſirt mich auch ſo ſehr, ich finde
ſo viel Befriedigung darin, daß ich an nichts ſonſt Ge-
ſchmack finde. Jch habe noch vor kurzem zuweilen eine
Stunde in der hiſtoire generelle des Voïages geleſen,
und es Jhnen damals, wie Sie ſich erinnern werden,
auch geſagt. Jch habe es auch zu der Zeit ſchon gefuͤhlt,
daß ich meine Stunden nuͤtzlicher brauchen koͤnnte. Aber,
weil ich nicht gleichſam ſcheinheilig gegen mich ſelbſt thun
wollte, ſo wollte ich mich auch nicht mit Gewalt zwingen
meine Luſt zu dieſem Buche zu unterdruͤcken. Jtzt hat ſie
ſich von ſelbſt verlohren. Jch kann nichts anders leſen und
denken, und es intereſſirt mich ſonſt nichts, als was mit
meinem einzigen Geſchaͤffte, mich auf die Ewigkeit zuzu-
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/241>, abgerufen am 28.07.2024.
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