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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Es mag nun aber, fuhr ich fort, das Elend der
Verdammten und die Dauer desselben beschaffen seyn,
wie es will: Sie, mein theurer Freund, haben davon
durch die Gnade Gottes nichts zu befürchten. Sie wer-
den mit Freudigkeit im Gerichte Jesu Christi stehen, denn
Sie haben sich vom Jrrthum zur Wahrheit, und von der
Sünde zu heiligen und Gott wohlgefälligen Gesinnungen
bekehrt. Wenn nicht diese seelige Veränderung mit Jh-
nen vorgegangen wäre, mit was für schrecklichen Empfin-
dungen hätten Sie dann aus der Welt gehen müssen!
Welch eine traurige Begebenheit würde Jhnen Jhre
Auferstehung geworden seyn! Mit welcher unheilbaren
Verzweiflung hätten Sie vor dem Angesichte des Welt-
richters erscheinen müssen! Sie haben es erfahren, was
es heiße, mit einem verwundeten Gewissen vor Richtern
zu erscheinen, die nur Menschen sind, die nur nach einem
und dem andern Verbrechen fragen, die die geheimen
Gedanken nicht richten, vor denen man die Wahrheit
noch wohl verhehlen kann, und die höchstens nur mit dem
zeitlichen Tode drohen und strafen können. Wie unaus-
sprechlich viel schrecklicher würde es für Sie gewesen seyn,
vor dem Richter aufzutreten, der Gott ist, der alle Jhre
Sünden bis auf die verborgensten bösen Gesinnungen nach
selbst gesehen hat, und Leib und Seele zugleich hätte ver-
derben können, und verderben müssen, wenn Sie unge-
reinigt von ihren Sünden, und ungeheiligt durch den
Glauben und gute Gesinnungen aus der Welt gegangen
wären! -- Liebster Freund, wie können Sie Gott genug
danken, daß er Sie durch Jhre Bekehrung vor diesem
schrecklichsten Auftritt in Sicherheit gesetzt, daß er Jhnen
zum Voraus schon alle Jhre Sünden vergeben, daß er
Sie fähig gemacht hat, nicht nur ohne Entsetzen an das
letzte Gericht zu denken, sondern sich sogar darauf zu
freuen. Ja, Sie dürfen sich freuen: denn Sie wissen
und sinds gewiß, daß der Weltrichter Jhr Freund ist,

der


Es mag nun aber, fuhr ich fort, das Elend der
Verdammten und die Dauer deſſelben beſchaffen ſeyn,
wie es will: Sie, mein theurer Freund, haben davon
durch die Gnade Gottes nichts zu befuͤrchten. Sie wer-
den mit Freudigkeit im Gerichte Jeſu Chriſti ſtehen, denn
Sie haben ſich vom Jrrthum zur Wahrheit, und von der
Suͤnde zu heiligen und Gott wohlgefaͤlligen Geſinnungen
bekehrt. Wenn nicht dieſe ſeelige Veraͤnderung mit Jh-
nen vorgegangen waͤre, mit was fuͤr ſchrecklichen Empfin-
dungen haͤtten Sie dann aus der Welt gehen muͤſſen!
Welch eine traurige Begebenheit wuͤrde Jhnen Jhre
Auferſtehung geworden ſeyn! Mit welcher unheilbaren
Verzweiflung haͤtten Sie vor dem Angeſichte des Welt-
richters erſcheinen muͤſſen! Sie haben es erfahren, was
es heiße, mit einem verwundeten Gewiſſen vor Richtern
zu erſcheinen, die nur Menſchen ſind, die nur nach einem
und dem andern Verbrechen fragen, die die geheimen
Gedanken nicht richten, vor denen man die Wahrheit
noch wohl verhehlen kann, und die hoͤchſtens nur mit dem
zeitlichen Tode drohen und ſtrafen koͤnnen. Wie unaus-
ſprechlich viel ſchrecklicher wuͤrde es fuͤr Sie geweſen ſeyn,
vor dem Richter aufzutreten, der Gott iſt, der alle Jhre
Suͤnden bis auf die verborgenſten boͤſen Geſinnungen nach
ſelbſt geſehen hat, und Leib und Seele zugleich haͤtte ver-
derben koͤnnen, und verderben muͤſſen, wenn Sie unge-
reinigt von ihren Suͤnden, und ungeheiligt durch den
Glauben und gute Geſinnungen aus der Welt gegangen
waͤren! — Liebſter Freund, wie koͤnnen Sie Gott genug
danken, daß er Sie durch Jhre Bekehrung vor dieſem
ſchrecklichſten Auftritt in Sicherheit geſetzt, daß er Jhnen
zum Voraus ſchon alle Jhre Suͤnden vergeben, daß er
Sie faͤhig gemacht hat, nicht nur ohne Entſetzen an das
letzte Gericht zu denken, ſondern ſich ſogar darauf zu
freuen. Ja, Sie duͤrfen ſich freuen: denn Sie wiſſen
und ſinds gewiß, daß der Weltrichter Jhr Freund iſt,

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[221/0233] Es mag nun aber, fuhr ich fort, das Elend der Verdammten und die Dauer deſſelben beſchaffen ſeyn, wie es will: Sie, mein theurer Freund, haben davon durch die Gnade Gottes nichts zu befuͤrchten. Sie wer- den mit Freudigkeit im Gerichte Jeſu Chriſti ſtehen, denn Sie haben ſich vom Jrrthum zur Wahrheit, und von der Suͤnde zu heiligen und Gott wohlgefaͤlligen Geſinnungen bekehrt. Wenn nicht dieſe ſeelige Veraͤnderung mit Jh- nen vorgegangen waͤre, mit was fuͤr ſchrecklichen Empfin- dungen haͤtten Sie dann aus der Welt gehen muͤſſen! Welch eine traurige Begebenheit wuͤrde Jhnen Jhre Auferſtehung geworden ſeyn! Mit welcher unheilbaren Verzweiflung haͤtten Sie vor dem Angeſichte des Welt- richters erſcheinen muͤſſen! Sie haben es erfahren, was es heiße, mit einem verwundeten Gewiſſen vor Richtern zu erſcheinen, die nur Menſchen ſind, die nur nach einem und dem andern Verbrechen fragen, die die geheimen Gedanken nicht richten, vor denen man die Wahrheit noch wohl verhehlen kann, und die hoͤchſtens nur mit dem zeitlichen Tode drohen und ſtrafen koͤnnen. Wie unaus- ſprechlich viel ſchrecklicher wuͤrde es fuͤr Sie geweſen ſeyn, vor dem Richter aufzutreten, der Gott iſt, der alle Jhre Suͤnden bis auf die verborgenſten boͤſen Geſinnungen nach ſelbſt geſehen hat, und Leib und Seele zugleich haͤtte ver- derben koͤnnen, und verderben muͤſſen, wenn Sie unge- reinigt von ihren Suͤnden, und ungeheiligt durch den Glauben und gute Geſinnungen aus der Welt gegangen waͤren! — Liebſter Freund, wie koͤnnen Sie Gott genug danken, daß er Sie durch Jhre Bekehrung vor dieſem ſchrecklichſten Auftritt in Sicherheit geſetzt, daß er Jhnen zum Voraus ſchon alle Jhre Suͤnden vergeben, daß er Sie faͤhig gemacht hat, nicht nur ohne Entſetzen an das letzte Gericht zu denken, ſondern ſich ſogar darauf zu freuen. Ja, Sie duͤrfen ſich freuen: denn Sie wiſſen und ſinds gewiß, daß der Weltrichter Jhr Freund iſt, der

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/233>, abgerufen am 27.11.2024.