guten Gesinnungen und Thaten zu beweisen, unumgäng- lich nothwendig sind.
Ehe Sie vom Christenthum überzeugt waren, untersuchten wir Jhren moralischen Zustand: lassen Sie uns nun, da Sie ein Christ sind, diese Untersuchung wie- derhohlen. Damals war meine Absicht die, Jhr Gewissen unruhig, und nach dem Troste der Religion dadurch be- gierig zu machen: itzt ist es diese, beurtheilen zu können, ob Sie fähig sind, die Tröstungen des Evangelii auf sich anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, sie wird durch die Erinnerung an die durch Christum offen- bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann- ten, verstärkt werden. Und diese Reue darf Sie auch nie verlassen, so lange Sie leben. Sie wird aber nun nicht mehr eine erschütternde ängstliche Empfindung seyn, denn Sie wissen itzt schon, wo Sie Vergebung der Sünde finden werden.
Jch stellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun darauf ankäme, wie er sich in dieser Untersuchung finden würde, ob und was für Hoffnungen er zu Gott fassen dürfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die ich dabey für nöthig hielte, und ich bäte ihn mir dieselben aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die Gefahr setzte, ihm falsche Hoffnungen zu machen, und sich selbst, sich einer ungegründeten Beruhigung zu über- lassen. Zugleich ersuchte ich ihn, mir seine Antworten in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hause mit Nachden- ken über die Beschaffenheit seiner Gesinnungen urtheilen, und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii nicht übereinstimmendes fände, auf Mittel denken könnte, es zu verbessern. Er versprach mir heilig, daß er mir sein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten auf meine Fragen sind ganz genau seine eignen Worte.
Jst
guten Geſinnungen und Thaten zu beweiſen, unumgaͤng- lich nothwendig ſind.
Ehe Sie vom Chriſtenthum uͤberzeugt waren, unterſuchten wir Jhren moraliſchen Zuſtand: laſſen Sie uns nun, da Sie ein Chriſt ſind, dieſe Unterſuchung wie- derhohlen. Damals war meine Abſicht die, Jhr Gewiſſen unruhig, und nach dem Troſte der Religion dadurch be- gierig zu machen: itzt iſt es dieſe, beurtheilen zu koͤnnen, ob Sie faͤhig ſind, die Troͤſtungen des Evangelii auf ſich anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, ſie wird durch die Erinnerung an die durch Chriſtum offen- bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann- ten, verſtaͤrkt werden. Und dieſe Reue darf Sie auch nie verlaſſen, ſo lange Sie leben. Sie wird aber nun nicht mehr eine erſchuͤtternde aͤngſtliche Empfindung ſeyn, denn Sie wiſſen itzt ſchon, wo Sie Vergebung der Suͤnde finden werden.
Jch ſtellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun darauf ankaͤme, wie er ſich in dieſer Unterſuchung finden wuͤrde, ob und was fuͤr Hoffnungen er zu Gott faſſen duͤrfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die ich dabey fuͤr noͤthig hielte, und ich baͤte ihn mir dieſelben aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die Gefahr ſetzte, ihm falſche Hoffnungen zu machen, und ſich ſelbſt, ſich einer ungegruͤndeten Beruhigung zu uͤber- laſſen. Zugleich erſuchte ich ihn, mir ſeine Antworten in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hauſe mit Nachden- ken uͤber die Beſchaffenheit ſeiner Geſinnungen urtheilen, und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii nicht uͤbereinſtimmendes faͤnde, auf Mittel denken koͤnnte, es zu verbeſſern. Er verſprach mir heilig, daß er mir ſein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten auf meine Fragen ſind ganz genau ſeine eignen Worte.
Jſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0196"n="184"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
guten Geſinnungen und Thaten zu beweiſen, unumgaͤng-<lb/>
lich nothwendig ſind.</p><lb/><p>Ehe Sie vom Chriſtenthum uͤberzeugt waren,<lb/>
unterſuchten wir Jhren moraliſchen Zuſtand: laſſen Sie<lb/>
uns nun, da Sie ein Chriſt ſind, dieſe Unterſuchung wie-<lb/>
derhohlen. Damals war meine Abſicht die, Jhr Gewiſſen<lb/>
unruhig, und nach dem Troſte der Religion dadurch be-<lb/>
gierig zu machen: itzt iſt es dieſe, beurtheilen zu koͤnnen,<lb/>
ob Sie faͤhig ſind, die Troͤſtungen des Evangelii auf ſich<lb/>
anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, ſie<lb/>
wird durch die Erinnerung an die durch Chriſtum offen-<lb/>
bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann-<lb/>
ten, verſtaͤrkt werden. Und dieſe Reue darf Sie auch<lb/>
nie verlaſſen, ſo lange Sie leben. Sie wird aber nun<lb/>
nicht mehr eine erſchuͤtternde aͤngſtliche Empfindung ſeyn,<lb/>
denn Sie wiſſen itzt ſchon, wo Sie Vergebung der<lb/>
Suͤnde finden werden.</p><lb/><p>Jch ſtellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun<lb/>
darauf ankaͤme, wie er ſich in dieſer Unterſuchung finden<lb/>
wuͤrde, ob und was fuͤr Hoffnungen er zu Gott faſſen<lb/>
duͤrfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die<lb/>
ich dabey fuͤr noͤthig hielte, und ich baͤte ihn mir dieſelben<lb/>
aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die<lb/>
Gefahr ſetzte, ihm falſche Hoffnungen zu machen, und<lb/>ſich ſelbſt, ſich einer ungegruͤndeten Beruhigung zu uͤber-<lb/>
laſſen. Zugleich erſuchte ich ihn, mir ſeine Antworten<lb/>
in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hauſe mit Nachden-<lb/>
ken uͤber die Beſchaffenheit ſeiner Geſinnungen urtheilen,<lb/>
und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii<lb/>
nicht uͤbereinſtimmendes faͤnde, auf Mittel denken koͤnnte,<lb/>
es zu verbeſſern. Er verſprach mir heilig, daß er mir<lb/>ſein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten<lb/>
auf meine Fragen ſind ganz genau ſeine eignen Worte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jſt</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[184/0196]
guten Geſinnungen und Thaten zu beweiſen, unumgaͤng-
lich nothwendig ſind.
Ehe Sie vom Chriſtenthum uͤberzeugt waren,
unterſuchten wir Jhren moraliſchen Zuſtand: laſſen Sie
uns nun, da Sie ein Chriſt ſind, dieſe Unterſuchung wie-
derhohlen. Damals war meine Abſicht die, Jhr Gewiſſen
unruhig, und nach dem Troſte der Religion dadurch be-
gierig zu machen: itzt iſt es dieſe, beurtheilen zu koͤnnen,
ob Sie faͤhig ſind, die Troͤſtungen des Evangelii auf ſich
anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, ſie
wird durch die Erinnerung an die durch Chriſtum offen-
bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann-
ten, verſtaͤrkt werden. Und dieſe Reue darf Sie auch
nie verlaſſen, ſo lange Sie leben. Sie wird aber nun
nicht mehr eine erſchuͤtternde aͤngſtliche Empfindung ſeyn,
denn Sie wiſſen itzt ſchon, wo Sie Vergebung der
Suͤnde finden werden.
Jch ſtellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun
darauf ankaͤme, wie er ſich in dieſer Unterſuchung finden
wuͤrde, ob und was fuͤr Hoffnungen er zu Gott faſſen
duͤrfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die
ich dabey fuͤr noͤthig hielte, und ich baͤte ihn mir dieſelben
aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die
Gefahr ſetzte, ihm falſche Hoffnungen zu machen, und
ſich ſelbſt, ſich einer ungegruͤndeten Beruhigung zu uͤber-
laſſen. Zugleich erſuchte ich ihn, mir ſeine Antworten
in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hauſe mit Nachden-
ken uͤber die Beſchaffenheit ſeiner Geſinnungen urtheilen,
und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii
nicht uͤbereinſtimmendes faͤnde, auf Mittel denken koͤnnte,
es zu verbeſſern. Er verſprach mir heilig, daß er mir
ſein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten
auf meine Fragen ſind ganz genau ſeine eignen Worte.
Jſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/196>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.