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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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leicht jetzt noch einige Hoffnung. Nein, antwortete er,
ich mache mir gar keine! " So sehen Sie wenigstens
den Tod noch nicht in der Nähe. Sie wissen ihr Ziel
noch nicht genau zu bestimmen. Es kann etwa noch auf
einige Monate hinausstehen. Aber, hier nahm ich ihn
bey der Hand, aber, Herr Graf, wenn ich nun Befehl
hätte Jhnen zu sagen, übermorgen, morgen, heute
sollen Sie sterben, würden Sie dann auch nicht den
Muth sinken lassen? " Das weiß ich freylich nicht, sagte
er. Wie aber, fuhr ich fort, wenn Sie dann nun Jhre
vermeynte Standhaftigkeit verließe, und es dann zu
spät wäre, Trost und Hoffnung zu suchen und zu finden,
was meynen Sie denn wohl, wie Jhnen zu Muhte seyn
würde? Er schwieg stille.

Sie sehen hieraus fuhr ich fort, die Absicht un-
srer Unterredungen ist wichtig für Sie und verdient alle
Jhre Aufmerksamkeit. Jch suche nichts geringeres als
Sie auf Jhren vielleicht nahe bevorstehenden Schritt in
die Ewigkeit zuzubereiten, daß Sie ihn mit guter Hoff-
nung mögen thun können. Jch vermuhte nun zwar,
daß wir über den Zustand des Menschen nach dem Tode
nicht einerley Meynung haben. Aber wenn Sie sich
gleich bisher mögen überredet gehabt haben, es sey kein
künftiges Leben, und also auch kein Lohn und keine
Strafe: so haben Sie doch gewiß nicht davon überzeugt
seyn können. Unzählige mahl wird Jhnen Jhr inneres
Gefühl widersprochen haben. Sie werden vor der Ewig-
keit oft erschrocken seyn, ob Sie gleich so geschickt zu
Jhrem Unglück gewesen seyn können, diese Empfindung
jedesmahl in der Geburt zu ersticken. Wenigstens kön-
nen Sie es jetzt und nimmermehr beweisen, daß keine
Ewigkeit ist.

Er
A 4



leicht jetzt noch einige Hoffnung. Nein, antwortete er,
ich mache mir gar keine! “ So ſehen Sie wenigſtens
den Tod noch nicht in der Naͤhe. Sie wiſſen ihr Ziel
noch nicht genau zu beſtimmen. Es kann etwa noch auf
einige Monate hinausſtehen. Aber, hier nahm ich ihn
bey der Hand, aber, Herr Graf, wenn ich nun Befehl
haͤtte Jhnen zu ſagen, uͤbermorgen, morgen, heute
ſollen Sie ſterben, wuͤrden Sie dann auch nicht den
Muth ſinken laſſen? „ Das weiß ich freylich nicht, ſagte
er. Wie aber, fuhr ich fort, wenn Sie dann nun Jhre
vermeynte Standhaftigkeit verließe, und es dann zu
ſpaͤt waͤre, Troſt und Hoffnung zu ſuchen und zu finden,
was meynen Sie denn wohl, wie Jhnen zu Muhte ſeyn
wuͤrde? Er ſchwieg ſtille.

Sie ſehen hieraus fuhr ich fort, die Abſicht un-
ſrer Unterredungen iſt wichtig fuͤr Sie und verdient alle
Jhre Aufmerkſamkeit. Jch ſuche nichts geringeres als
Sie auf Jhren vielleicht nahe bevorſtehenden Schritt in
die Ewigkeit zuzubereiten, daß Sie ihn mit guter Hoff-
nung moͤgen thun koͤnnen. Jch vermuhte nun zwar,
daß wir uͤber den Zuſtand des Menſchen nach dem Tode
nicht einerley Meynung haben. Aber wenn Sie ſich
gleich bisher moͤgen uͤberredet gehabt haben, es ſey kein
kuͤnftiges Leben, und alſo auch kein Lohn und keine
Strafe: ſo haben Sie doch gewiß nicht davon uͤberzeugt
ſeyn koͤnnen. Unzaͤhlige mahl wird Jhnen Jhr inneres
Gefuͤhl widerſprochen haben. Sie werden vor der Ewig-
keit oft erſchrocken ſeyn, ob Sie gleich ſo geſchickt zu
Jhrem Ungluͤck geweſen ſeyn koͤnnen, dieſe Empfindung
jedesmahl in der Geburt zu erſticken. Wenigſtens koͤn-
nen Sie es jetzt und nimmermehr beweiſen, daß keine
Ewigkeit iſt.

Er
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[7/0019] leicht jetzt noch einige Hoffnung. Nein, antwortete er, ich mache mir gar keine! “ So ſehen Sie wenigſtens den Tod noch nicht in der Naͤhe. Sie wiſſen ihr Ziel noch nicht genau zu beſtimmen. Es kann etwa noch auf einige Monate hinausſtehen. Aber, hier nahm ich ihn bey der Hand, aber, Herr Graf, wenn ich nun Befehl haͤtte Jhnen zu ſagen, uͤbermorgen, morgen, heute ſollen Sie ſterben, wuͤrden Sie dann auch nicht den Muth ſinken laſſen? „ Das weiß ich freylich nicht, ſagte er. Wie aber, fuhr ich fort, wenn Sie dann nun Jhre vermeynte Standhaftigkeit verließe, und es dann zu ſpaͤt waͤre, Troſt und Hoffnung zu ſuchen und zu finden, was meynen Sie denn wohl, wie Jhnen zu Muhte ſeyn wuͤrde? Er ſchwieg ſtille. Sie ſehen hieraus fuhr ich fort, die Abſicht un- ſrer Unterredungen iſt wichtig fuͤr Sie und verdient alle Jhre Aufmerkſamkeit. Jch ſuche nichts geringeres als Sie auf Jhren vielleicht nahe bevorſtehenden Schritt in die Ewigkeit zuzubereiten, daß Sie ihn mit guter Hoff- nung moͤgen thun koͤnnen. Jch vermuhte nun zwar, daß wir uͤber den Zuſtand des Menſchen nach dem Tode nicht einerley Meynung haben. Aber wenn Sie ſich gleich bisher moͤgen uͤberredet gehabt haben, es ſey kein kuͤnftiges Leben, und alſo auch kein Lohn und keine Strafe: ſo haben Sie doch gewiß nicht davon uͤberzeugt ſeyn koͤnnen. Unzaͤhlige mahl wird Jhnen Jhr inneres Gefuͤhl widerſprochen haben. Sie werden vor der Ewig- keit oft erſchrocken ſeyn, ob Sie gleich ſo geſchickt zu Jhrem Ungluͤck geweſen ſeyn koͤnnen, dieſe Empfindung jedesmahl in der Geburt zu erſticken. Wenigſtens koͤn- nen Sie es jetzt und nimmermehr beweiſen, daß keine Ewigkeit iſt. Er A 4

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/19>, abgerufen am 28.03.2024.