Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.Meine Freude hatte keine Worte. Ferdinand wendete sich zu mir. "Herr von L..., mein Freund, darf ich wieder sagen, ich habe gefrevelt, Sie sind Rechtsgelehrter, welche Strafe wird mich treffen?" "Keine, hoff' ich." "Das wäre nicht gerecht; ich bin gefaßt darauf; nur keine beschimpfende, keine entehrende - sie würde mich allein nicht treffen." Ich suchte ihm die Unmöglichkeit davon klar zu machen; aber ich hatte ihn nicht ganz verstanden. Er hatte nicht an eine rechtlich entehrende, (infamirende) sondern an eine solche gedacht, welche in der Meinung der Menge herabsetzt. Und das thut, die Geldstrafe etwa ausgenommen, jede; wenigstens in den Ländern der geheimen oder Acten-Justiz, wo das bestrafte Vergehen und die Umstände desselben nur Wenigen bekannt Meine Freude hatte keine Worte. Ferdinand wendete sich zu mir. „Herr von L…, mein Freund, darf ich wieder sagen, ich habe gefrevelt, Sie sind Rechtsgelehrter, welche Strafe wird mich treffen?“ „Keine, hoff’ ich.“ „Das wäre nicht gerecht; ich bin gefaßt darauf; nur keine beschimpfende, keine entehrende – sie würde mich allein nicht treffen.“ Ich suchte ihm die Unmöglichkeit davon klar zu machen; aber ich hatte ihn nicht ganz verstanden. Er hatte nicht an eine rechtlich entehrende, (infamirende) sondern an eine solche gedacht, welche in der Meinung der Menge herabsetzt. Und das thut, die Geldstrafe etwa ausgenommen, jede; wenigstens in den Ländern der geheimen oder Acten-Justiz, wo das bestrafte Vergehen und die Umstände desselben nur Wenigen bekannt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="206"/> Meine Freude hatte keine Worte. Ferdinand wendete sich zu mir. „Herr von L…, mein <hi rendition="#g">Freund</hi>, darf ich wieder sagen, ich habe gefrevelt, Sie sind Rechtsgelehrter, welche Strafe wird mich treffen?“</p> <p>„Keine, hoff’ ich.“</p> <p>„Das wäre nicht gerecht; ich bin gefaßt darauf; nur keine beschimpfende, keine entehrende – sie würde <hi rendition="#g">mich allein</hi> nicht treffen.“</p> <p>Ich suchte ihm die Unmöglichkeit davon klar zu machen; aber ich hatte ihn nicht ganz verstanden. Er hatte nicht an eine <hi rendition="#g">rechtlich</hi> entehrende, (infamirende) sondern an eine solche gedacht, welche in der Meinung der Menge herabsetzt. Und das thut, die Geldstrafe etwa ausgenommen, <hi rendition="#g">jede</hi>; wenigstens in den Ländern der <hi rendition="#g">geheimen</hi> oder <hi rendition="#g">Acten</hi>-Justiz, wo das bestrafte Vergehen und die Umstände desselben nur Wenigen bekannt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0226]
Meine Freude hatte keine Worte. Ferdinand wendete sich zu mir. „Herr von L…, mein Freund, darf ich wieder sagen, ich habe gefrevelt, Sie sind Rechtsgelehrter, welche Strafe wird mich treffen?“
„Keine, hoff’ ich.“
„Das wäre nicht gerecht; ich bin gefaßt darauf; nur keine beschimpfende, keine entehrende – sie würde mich allein nicht treffen.“
Ich suchte ihm die Unmöglichkeit davon klar zu machen; aber ich hatte ihn nicht ganz verstanden. Er hatte nicht an eine rechtlich entehrende, (infamirende) sondern an eine solche gedacht, welche in der Meinung der Menge herabsetzt. Und das thut, die Geldstrafe etwa ausgenommen, jede; wenigstens in den Ländern der geheimen oder Acten-Justiz, wo das bestrafte Vergehen und die Umstände desselben nur Wenigen bekannt
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/226>, abgerufen am 31.07.2024. |