Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.komm in jeder Gestalt, nur nicht in dieser! nur in dieser nicht!" Wem hätte ein so ungestümes, sichtbares, körperliches Hervortreten des Wahnsinnes nicht das Herz zerrissen? "Oh Jesus, mein Heiland!" jammerte Mariane leise, mit fest gefalteten Händen. Ihr Muth schien gebrochen. Doch schnell raffte sie ihre Kräfte wieder zusammen. Sie ergriff seine Hände, legte sie um ihren Leib, faßte sein Haupt in die ihrigen, sah ihm in die Augen, jeder Zug ihres Gesichtes war Liebe; dann riß sie ihn an sich, küßte seine Stirn, drückte ihre glühende Wange dagegen, und sagte mit einem Tone, der in Wehmuth schmolz: "Oh mein Ferdinand! mein lieber, guter, unglücklicher Ferdinand! Ist noch ein Funke menschlicher Vernunft in dir, so raube komm in jeder Gestalt, nur nicht in dieser! nur in dieser nicht!“ Wem hätte ein so ungestümes, sichtbares, körperliches Hervortreten des Wahnsinnes nicht das Herz zerrissen? „Oh Jesus, mein Heiland!“ jammerte Mariane leise, mit fest gefalteten Händen. Ihr Muth schien gebrochen. Doch schnell raffte sie ihre Kräfte wieder zusammen. Sie ergriff seine Hände, legte sie um ihren Leib, faßte sein Haupt in die ihrigen, sah ihm in die Augen, jeder Zug ihres Gesichtes war Liebe; dann riß sie ihn an sich, küßte seine Stirn, drückte ihre glühende Wange dagegen, und sagte mit einem Tone, der in Wehmuth schmolz: „Oh mein Ferdinand! mein lieber, guter, unglücklicher Ferdinand! Ist noch ein Funke menschlicher Vernunft in dir, so raube <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="202"/> komm in <hi rendition="#g">jeder</hi> Gestalt, nur nicht in <hi rendition="#g">dieser</hi>! nur in dieser nicht!“</p> <p>Wem hätte ein so ungestümes, sichtbares, körperliches Hervortreten des Wahnsinnes nicht das Herz zerrissen?</p> <p>„Oh Jesus, mein Heiland!“ jammerte Mariane leise, mit fest gefalteten Händen. Ihr Muth schien gebrochen. Doch schnell raffte sie ihre Kräfte wieder zusammen. Sie ergriff seine Hände, legte sie um ihren Leib, faßte sein Haupt in die ihrigen, sah ihm in die Augen, jeder Zug ihres Gesichtes war Liebe; dann riß sie ihn an sich, küßte seine Stirn, drückte ihre glühende Wange dagegen, und sagte mit einem Tone, der in Wehmuth schmolz: „Oh mein Ferdinand! mein lieber, guter, unglücklicher Ferdinand! Ist noch ein Funke menschlicher Vernunft in dir, so raube </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0222]
komm in jeder Gestalt, nur nicht in dieser! nur in dieser nicht!“
Wem hätte ein so ungestümes, sichtbares, körperliches Hervortreten des Wahnsinnes nicht das Herz zerrissen?
„Oh Jesus, mein Heiland!“ jammerte Mariane leise, mit fest gefalteten Händen. Ihr Muth schien gebrochen. Doch schnell raffte sie ihre Kräfte wieder zusammen. Sie ergriff seine Hände, legte sie um ihren Leib, faßte sein Haupt in die ihrigen, sah ihm in die Augen, jeder Zug ihres Gesichtes war Liebe; dann riß sie ihn an sich, küßte seine Stirn, drückte ihre glühende Wange dagegen, und sagte mit einem Tone, der in Wehmuth schmolz: „Oh mein Ferdinand! mein lieber, guter, unglücklicher Ferdinand! Ist noch ein Funke menschlicher Vernunft in dir, so raube
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/222>, abgerufen am 31.07.2024. |