Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829."Es ist wahr" sagte sie, als sie sich langsam wieder aufgerichtet hatte: "Thränen erleichtern die Brust. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, sagen Sie mir Alles, was ich wissen darf, von der entsetzlichen That. Ich bin nicht so schwach, als ich eben scheinen mußte. Ich hab' ihn geliebt, geliebt wie mein eignes Wesen, aber Gott wird mich so nicht strafen, daß ich die Liebe zu einem Blutschuldigen nicht sollte aus diesem Herzen reißen können." "Sie dürfen Alles wissen, liebe Mariane, aber ich bin auf eine Erzählung der Umstände um so weniger bereitet, als ich Sie davon genau unterrichtet glaubte." Sie verneinte mit dem Haupt, und sah starr zu Boden. Ich bat sie, lieber mir zu erzählen, was ihn so plötzlich zu dem Bekenntnisse getrieben haben könnte. „Es ist wahr“ sagte sie, als sie sich langsam wieder aufgerichtet hatte: „Thränen erleichtern die Brust. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, sagen Sie mir Alles, was ich wissen darf, von der entsetzlichen That. Ich bin nicht so schwach, als ich eben scheinen mußte. Ich hab’ ihn geliebt, geliebt wie mein eignes Wesen, aber Gott wird mich so nicht strafen, daß ich die Liebe zu einem Blutschuldigen nicht sollte aus diesem Herzen reißen können.“ „Sie dürfen Alles wissen, liebe Mariane, aber ich bin auf eine Erzählung der Umstände um so weniger bereitet, als ich Sie davon genau unterrichtet glaubte.“ Sie verneinte mit dem Haupt, und sah starr zu Boden. Ich bat sie, lieber mir zu erzählen, was ihn so plötzlich zu dem Bekenntnisse getrieben haben könnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" n="131"/> <p>„Es ist wahr“ sagte sie, als sie sich langsam wieder aufgerichtet hatte: „Thränen erleichtern die Brust. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, sagen Sie mir Alles, was ich wissen darf, von der entsetzlichen That. Ich bin nicht so schwach, als ich eben scheinen mußte. Ich hab’ ihn geliebt, geliebt wie mein eignes Wesen, aber Gott wird mich <hi rendition="#g">so</hi> nicht strafen, daß ich die Liebe zu einem <hi rendition="#g">Blutschuldigen</hi> nicht sollte aus diesem Herzen reißen können.“</p> <p>„Sie dürfen Alles wissen, liebe Mariane, aber ich bin auf eine Erzählung der Umstände um so weniger bereitet, als ich Sie davon genau unterrichtet glaubte.“</p> <p>Sie verneinte mit dem Haupt, und sah starr zu Boden. Ich bat sie, lieber <hi rendition="#g">mir</hi> zu erzählen, was ihn so plötzlich zu dem Bekenntnisse getrieben haben könnte.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0151]
„Es ist wahr“ sagte sie, als sie sich langsam wieder aufgerichtet hatte: „Thränen erleichtern die Brust. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, sagen Sie mir Alles, was ich wissen darf, von der entsetzlichen That. Ich bin nicht so schwach, als ich eben scheinen mußte. Ich hab’ ihn geliebt, geliebt wie mein eignes Wesen, aber Gott wird mich so nicht strafen, daß ich die Liebe zu einem Blutschuldigen nicht sollte aus diesem Herzen reißen können.“
„Sie dürfen Alles wissen, liebe Mariane, aber ich bin auf eine Erzählung der Umstände um so weniger bereitet, als ich Sie davon genau unterrichtet glaubte.“
Sie verneinte mit dem Haupt, und sah starr zu Boden. Ich bat sie, lieber mir zu erzählen, was ihn so plötzlich zu dem Bekenntnisse getrieben haben könnte.
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/151>, abgerufen am 08.07.2024. |