Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.nicht statt finden können, und ohne die Ungeduld seiner Leidenschaft für mich wäre er zu dieser Begleitung nicht willfährig gewesen. So knüpft er Spinnefaden an Spinnefaden. Selbst den Umstand, daß ihm Kugeln und Kugelform mangelten, sieht er als einen Wink der Vorsehung an, den er hätte beachten sollen. Ist das nicht eine Spitzfindigkeit in der Selbstpeinigung, die an Wahnwitz grenzt?" "Nicht so ganz, meine Freundin; in der Vermuthung, daß seine lauten Worte im Wald dem versteckten Räuber Lust, und sein Umkehren Muth zum Anfalle gemacht haben könnten, liegt viel Wahrscheinlichkeit." "Aber was liegt denn in seiner Weigerung, redlich des Bruders Nachlaß zu nutzen, der ihm als Erben zugefallen ist?" "Das ist allerdings eine Uebertreibung der Gewissens-Empfindlichkeit. Was denkt nicht statt finden können, und ohne die Ungeduld seiner Leidenschaft für mich wäre er zu dieser Begleitung nicht willfährig gewesen. So knüpft er Spinnefaden an Spinnefaden. Selbst den Umstand, daß ihm Kugeln und Kugelform mangelten, sieht er als einen Wink der Vorsehung an, den er hätte beachten sollen. Ist das nicht eine Spitzfindigkeit in der Selbstpeinigung, die an Wahnwitz grenzt?“ „Nicht so ganz, meine Freundin; in der Vermuthung, daß seine lauten Worte im Wald dem versteckten Räuber Lust, und sein Umkehren Muth zum Anfalle gemacht haben könnten, liegt viel Wahrscheinlichkeit.“ „Aber was liegt denn in seiner Weigerung, redlich des Bruders Nachlaß zu nutzen, der ihm als Erben zugefallen ist?“ „Das ist allerdings eine Uebertreibung der Gewissens-Empfindlichkeit. Was denkt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="88"/> nicht statt finden können, und ohne die Ungeduld seiner Leidenschaft für mich wäre er zu dieser Begleitung nicht willfährig gewesen. So knüpft er Spinnefaden an Spinnefaden. Selbst den Umstand, daß ihm Kugeln und Kugelform mangelten, sieht er als einen Wink der Vorsehung an, den er hätte beachten sollen. Ist das nicht eine Spitzfindigkeit in der Selbstpeinigung, die an Wahnwitz grenzt?“</p> <p>„Nicht so ganz, meine Freundin; in der Vermuthung, daß seine lauten Worte im Wald dem versteckten Räuber <hi rendition="#g">Lust</hi>, und sein Umkehren <hi rendition="#g">Muth</hi> zum Anfalle gemacht haben könnten, liegt viel Wahrscheinlichkeit.“</p> <p>„Aber was liegt denn in seiner Weigerung, redlich des Bruders Nachlaß zu nutzen, der ihm als Erben zugefallen ist?“</p> <p>„Das ist allerdings eine Uebertreibung der Gewissens-Empfindlichkeit. Was denkt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0108]
nicht statt finden können, und ohne die Ungeduld seiner Leidenschaft für mich wäre er zu dieser Begleitung nicht willfährig gewesen. So knüpft er Spinnefaden an Spinnefaden. Selbst den Umstand, daß ihm Kugeln und Kugelform mangelten, sieht er als einen Wink der Vorsehung an, den er hätte beachten sollen. Ist das nicht eine Spitzfindigkeit in der Selbstpeinigung, die an Wahnwitz grenzt?“
„Nicht so ganz, meine Freundin; in der Vermuthung, daß seine lauten Worte im Wald dem versteckten Räuber Lust, und sein Umkehren Muth zum Anfalle gemacht haben könnten, liegt viel Wahrscheinlichkeit.“
„Aber was liegt denn in seiner Weigerung, redlich des Bruders Nachlaß zu nutzen, der ihm als Erben zugefallen ist?“
„Das ist allerdings eine Uebertreibung der Gewissens-Empfindlichkeit. Was denkt
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/108>, abgerufen am 08.07.2024. |