nen Bürgern gerichtet sind. Die Mosaischen Gesetze sind größten Theils privatrechtlich: sie be- stimmen mit gleicher Gerechtigkeit die Natur der Familie und des lebendigen Eigenthums, sie sind privatrechtlich in einem andern und höheren Sinne des Wortes, als welchen unsre heutigen Rechts- lehrer im Auge haben: denn sie haben es nicht, wie diese, mit todten Sachen, sondern, wie ich neulich zeigte, mit lebendigem Eigenthum und wahren Personen zu thun.
Die Griechischen Gesetze sind minder gerecht, als Moses, gegen beide Qualitäten des Bür- gers, gegen die öffentliche und gegen die indivi- duelle, gegen seine Eigenschaft als Staatsbür- ger und als Hausvater; auch können sie nicht so gerecht seyn, da ihnen die Idee eines unsicht- baren Stifters und Königes, wie des Jehova, mangelt, da die Staatsform nicht eine ihnen allen gemeinschaftliche, im voraus gegebene ist, sondern die Gesetze schon hinreichend zu thun haben, um den künstlichen Verband menschlicher Weisheit, den der Uebermuth der Freiheit so leicht wieder vernichtete, im Stande zu erhalten. Die Religion war in Griechenland völkerrechtli- ches Band des Bundes der Pan-Hellenen; die Verfassung der einzelnen Stämme wuchs in freier Ueppigkeit fort, bedurfte vielfältigen Umformens,
und
nen Buͤrgern gerichtet ſind. Die Moſaiſchen Geſetze ſind groͤßten Theils privatrechtlich: ſie be- ſtimmen mit gleicher Gerechtigkeit die Natur der Familie und des lebendigen Eigenthums, ſie ſind privatrechtlich in einem andern und hoͤheren Sinne des Wortes, als welchen unſre heutigen Rechts- lehrer im Auge haben: denn ſie haben es nicht, wie dieſe, mit todten Sachen, ſondern, wie ich neulich zeigte, mit lebendigem Eigenthum und wahren Perſonen zu thun.
Die Griechiſchen Geſetze ſind minder gerecht, als Moſes, gegen beide Qualitaͤten des Buͤr- gers, gegen die oͤffentliche und gegen die indivi- duelle, gegen ſeine Eigenſchaft als Staatsbuͤr- ger und als Hausvater; auch koͤnnen ſie nicht ſo gerecht ſeyn, da ihnen die Idee eines unſicht- baren Stifters und Koͤniges, wie des Jehova, mangelt, da die Staatsform nicht eine ihnen allen gemeinſchaftliche, im voraus gegebene iſt, ſondern die Geſetze ſchon hinreichend zu thun haben, um den kuͤnſtlichen Verband menſchlicher Weisheit, den der Uebermuth der Freiheit ſo leicht wieder vernichtete, im Stande zu erhalten. Die Religion war in Griechenland voͤlkerrechtli- ches Band des Bundes der Pan-Hellenen; die Verfaſſung der einzelnen Staͤmme wuchs in freier Ueppigkeit fort, bedurfte vielfaͤltigen Umformens,
und
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nen Buͤrgern gerichtet ſind. Die Moſaiſchen
Geſetze ſind groͤßten Theils privatrechtlich: ſie be-
ſtimmen mit gleicher Gerechtigkeit die Natur der
Familie und des lebendigen Eigenthums, ſie ſind
privatrechtlich in einem andern und hoͤheren Sinne
des Wortes, als welchen unſre heutigen Rechts-
lehrer im Auge haben: denn ſie haben es nicht,
wie dieſe, mit todten Sachen, ſondern, wie ich
neulich zeigte, mit lebendigem Eigenthum und
wahren Perſonen zu thun.
Die Griechiſchen Geſetze ſind minder gerecht,
als Moſes, gegen beide Qualitaͤten des Buͤr-
gers, gegen die oͤffentliche und gegen die indivi-
duelle, gegen ſeine Eigenſchaft als Staatsbuͤr-
ger und als Hausvater; auch koͤnnen ſie nicht
ſo gerecht ſeyn, da ihnen die Idee eines unſicht-
baren Stifters und Koͤniges, wie des Jehova,
mangelt, da die Staatsform nicht eine ihnen
allen gemeinſchaftliche, im voraus gegebene iſt,
ſondern die Geſetze ſchon hinreichend zu thun
haben, um den kuͤnſtlichen Verband menſchlicher
Weisheit, den der Uebermuth der Freiheit ſo
leicht wieder vernichtete, im Stande zu erhalten.
Die Religion war in Griechenland voͤlkerrechtli-
ches Band des Bundes der Pan-Hellenen; die
Verfaſſung der einzelnen Staͤmme wuchs in freier
Ueppigkeit fort, bedurfte vielfaͤltigen Umformens,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/40>, abgerufen am 23.11.2024.
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