Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Einen Seite steht immer das Material, welches zu
schonen ist, auf der andern die Maschinerie, das
Handwerkszeug, und sollten es auch bloß die
körperlichen Fertigkeiten und Kräfte des Men-
schen seyn, die mit Klugheit geleitet werden
wollen.

Auf beiden Seiten muß immerfort nachgehol-
fen werden; bald muß das Material, bald das
Werkzeug nachgeben. Also nicht die Hand, das
Werkzeug, die Maschine producirt; sondern ein
Drittes, Höheres, das wir einstweilen die Le-
benskraft
des Menschen nennen wollen, thut
dies, indem es vermittelt. --

Diese Ansicht der industriellen Production
werden Sie bei genauerer Untersuchung in allen
Anwendungen gerechtfertigt finden, um so mehr,
da die Natur selbst auf keine andre Weise pro-
ducirt. Wir wollen uns jetzt den Staatsmann
in ökonomischer Gestalt denken. Seine Aufgabe
ist, den Staat zu produciren. Sein Ma-
terial ist ein, aus mehr oder minder eigennützi-
gen Individuen bestehendes, Volk; sein Hand-
werkszeug sind Gesetze, Polizei, Beamte aller
Art, ja vor allem das Bedürfniß dieses Volkes
nach dem gesellschaftlichen Verein, und nach
Frieden. Der Staat besteht weder in diesem
Handwerkszeuge allein (wie die gemeinen Prakti-

Einen Seite ſteht immer das Material, welches zu
ſchonen iſt, auf der andern die Maſchinerie, das
Handwerkszeug, und ſollten es auch bloß die
koͤrperlichen Fertigkeiten und Kraͤfte des Men-
ſchen ſeyn, die mit Klugheit geleitet werden
wollen.

Auf beiden Seiten muß immerfort nachgehol-
fen werden; bald muß das Material, bald das
Werkzeug nachgeben. Alſo nicht die Hand, das
Werkzeug, die Maſchine producirt; ſondern ein
Drittes, Hoͤheres, das wir einſtweilen die Le-
benskraft
des Menſchen nennen wollen, thut
dies, indem es vermittelt. —

Dieſe Anſicht der induſtriellen Production
werden Sie bei genauerer Unterſuchung in allen
Anwendungen gerechtfertigt finden, um ſo mehr,
da die Natur ſelbſt auf keine andre Weiſe pro-
ducirt. Wir wollen uns jetzt den Staatsmann
in oͤkonomiſcher Geſtalt denken. Seine Aufgabe
iſt, den Staat zu produciren. Sein Ma-
terial iſt ein, aus mehr oder minder eigennuͤtzi-
gen Individuen beſtehendes, Volk; ſein Hand-
werkszeug ſind Geſetze, Polizei, Beamte aller
Art, ja vor allem das Beduͤrfniß dieſes Volkes
nach dem geſellſchaftlichen Verein, und nach
Frieden. Der Staat beſteht weder in dieſem
Handwerkszeuge allein (wie die gemeinen Prakti-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0258" n="250"/>
Einen Seite &#x017F;teht immer das Material, welches zu<lb/>
&#x017F;chonen i&#x017F;t, auf der andern die Ma&#x017F;chinerie, das<lb/>
Handwerkszeug, und &#x017F;ollten es auch bloß die<lb/>
ko&#x0364;rperlichen Fertigkeiten und Kra&#x0364;fte des Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;eyn, die mit Klugheit geleitet werden<lb/>
wollen.</p><lb/>
            <p>Auf beiden Seiten muß immerfort nachgehol-<lb/>
fen werden; bald muß das Material, bald das<lb/>
Werkzeug nachgeben. Al&#x017F;o nicht die Hand, das<lb/>
Werkzeug, die Ma&#x017F;chine producirt; &#x017F;ondern ein<lb/>
Drittes, Ho&#x0364;heres, das wir ein&#x017F;tweilen die <hi rendition="#g">Le-<lb/>
benskraft</hi> des Men&#x017F;chen nennen wollen, thut<lb/>
dies, indem es vermittelt. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e An&#x017F;icht der indu&#x017F;triellen Production<lb/>
werden Sie bei genauerer Unter&#x017F;uchung in allen<lb/>
Anwendungen gerechtfertigt finden, um &#x017F;o mehr,<lb/>
da die Natur &#x017F;elb&#x017F;t auf keine andre Wei&#x017F;e pro-<lb/>
ducirt. Wir wollen uns jetzt den Staatsmann<lb/>
in o&#x0364;konomi&#x017F;cher Ge&#x017F;talt denken. Seine Aufgabe<lb/>
i&#x017F;t, <hi rendition="#g">den Staat zu produciren</hi>. Sein Ma-<lb/>
terial i&#x017F;t ein, aus mehr oder minder eigennu&#x0364;tzi-<lb/>
gen Individuen be&#x017F;tehendes, Volk; &#x017F;ein Hand-<lb/>
werkszeug &#x017F;ind Ge&#x017F;etze, Polizei, Beamte aller<lb/>
Art, ja vor allem das Bedu&#x0364;rfniß die&#x017F;es Volkes<lb/>
nach dem ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Verein, und nach<lb/>
Frieden. Der Staat be&#x017F;teht weder in die&#x017F;em<lb/>
Handwerkszeuge allein (wie die gemeinen Prakti-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0258] Einen Seite ſteht immer das Material, welches zu ſchonen iſt, auf der andern die Maſchinerie, das Handwerkszeug, und ſollten es auch bloß die koͤrperlichen Fertigkeiten und Kraͤfte des Men- ſchen ſeyn, die mit Klugheit geleitet werden wollen. Auf beiden Seiten muß immerfort nachgehol- fen werden; bald muß das Material, bald das Werkzeug nachgeben. Alſo nicht die Hand, das Werkzeug, die Maſchine producirt; ſondern ein Drittes, Hoͤheres, das wir einſtweilen die Le- benskraft des Menſchen nennen wollen, thut dies, indem es vermittelt. — Dieſe Anſicht der induſtriellen Production werden Sie bei genauerer Unterſuchung in allen Anwendungen gerechtfertigt finden, um ſo mehr, da die Natur ſelbſt auf keine andre Weiſe pro- ducirt. Wir wollen uns jetzt den Staatsmann in oͤkonomiſcher Geſtalt denken. Seine Aufgabe iſt, den Staat zu produciren. Sein Ma- terial iſt ein, aus mehr oder minder eigennuͤtzi- gen Individuen beſtehendes, Volk; ſein Hand- werkszeug ſind Geſetze, Polizei, Beamte aller Art, ja vor allem das Beduͤrfniß dieſes Volkes nach dem geſellſchaftlichen Verein, und nach Frieden. Der Staat beſteht weder in dieſem Handwerkszeuge allein (wie die gemeinen Prakti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/258
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/258>, abgerufen am 06.05.2024.