Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Allerwelts-tiers-etat, von gleich begünstigten
historischen Notizen Römisch gefärbt, ohne allen
hohen Adel, ohne alle feste Erbfolge der Ideen,
welche über die Huldigungen des Zeitgeistes und
seiner Repräsentanten erhebt --: das haben wir
erleben müssen, um es zu glauben! --

Indeß, wie die christliche Kirche zwischen den
Städten und den Lehns- oder adeligen Verfas-
sungen des Mittelalters vermittelt; wie sie den
zarten Anfang der Handels-Republiken gegen
die Rohheit des älteren Geschwisters, nehmlich
der adeligen Staaten, in Schutz genommen;
wie an vielen glücklicheren Stellen des Mittel-
alters Papst, Kaiser und jene Handels-Repu-
bliken im schönsten, lebendigsten Gleichgewichte
dagestanden und der große Bund der drei ewigen
Stände über ganz Europa gereicht hat: dies
hat er in löblicher Begeisterung dargestellt. Nach-
her ist er durch andre Jahrhunderte gekommen,
die seine Persönlichkeit wegen der wieder erwach-
ten Römer und Griechen mehr angesprochen ha-
ben; und darüber ist es, bei seiner bekannten Ela-
sticität des Geistes, und bei seiner Begeistrungs-
fähigkeit, zu keiner Sammlung und wahren Be-
festigung der politischen Ideen gekommen. Könnte
er vor aller Begeisterung zum Geiste gelangen,

Allerwelts-tiers-état, von gleich beguͤnſtigten
hiſtoriſchen Notizen Roͤmiſch gefaͤrbt, ohne allen
hohen Adel, ohne alle feſte Erbfolge der Ideen,
welche uͤber die Huldigungen des Zeitgeiſtes und
ſeiner Repraͤſentanten erhebt —: das haben wir
erleben muͤſſen, um es zu glauben! —

Indeß, wie die chriſtliche Kirche zwiſchen den
Staͤdten und den Lehns- oder adeligen Verfaſ-
ſungen des Mittelalters vermittelt; wie ſie den
zarten Anfang der Handels-Republiken gegen
die Rohheit des aͤlteren Geſchwiſters, nehmlich
der adeligen Staaten, in Schutz genommen;
wie an vielen gluͤcklicheren Stellen des Mittel-
alters Papſt, Kaiſer und jene Handels-Repu-
bliken im ſchoͤnſten, lebendigſten Gleichgewichte
dageſtanden und der große Bund der drei ewigen
Staͤnde uͤber ganz Europa gereicht hat: dies
hat er in loͤblicher Begeiſterung dargeſtellt. Nach-
her iſt er durch andre Jahrhunderte gekommen,
die ſeine Perſoͤnlichkeit wegen der wieder erwach-
ten Roͤmer und Griechen mehr angeſprochen ha-
ben; und daruͤber iſt es, bei ſeiner bekannten Ela-
ſticitaͤt des Geiſtes, und bei ſeiner Begeiſtrungs-
faͤhigkeit, zu keiner Sammlung und wahren Be-
feſtigung der politiſchen Ideen gekommen. Koͤnnte
er vor aller Begeiſterung zum Geiſte gelangen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0146" n="138"/>
Allerwelts-<hi rendition="#aq">tiers-état</hi>, von gleich begu&#x0364;n&#x017F;tigten<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;chen Notizen Ro&#x0364;mi&#x017F;ch gefa&#x0364;rbt, ohne allen<lb/>
hohen Adel, ohne alle fe&#x017F;te Erbfolge der Ideen,<lb/>
welche u&#x0364;ber die Huldigungen des Zeitgei&#x017F;tes und<lb/>
&#x017F;einer Repra&#x0364;&#x017F;entanten erhebt &#x2014;: das haben wir<lb/><hi rendition="#g">erleben</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um es zu <hi rendition="#g">glauben</hi>! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Indeß, wie die chri&#x017F;tliche Kirche zwi&#x017F;chen den<lb/>
Sta&#x0364;dten und den Lehns- oder adeligen Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen des Mittelalters vermittelt; wie &#x017F;ie den<lb/>
zarten Anfang der Handels-Republiken gegen<lb/>
die Rohheit des a&#x0364;lteren Ge&#x017F;chwi&#x017F;ters, nehmlich<lb/>
der adeligen Staaten, in Schutz genommen;<lb/>
wie an vielen glu&#x0364;cklicheren Stellen des Mittel-<lb/>
alters Pap&#x017F;t, Kai&#x017F;er und jene Handels-Repu-<lb/>
bliken im &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten, lebendig&#x017F;ten Gleichgewichte<lb/>
dage&#x017F;tanden und der große Bund der drei ewigen<lb/>
Sta&#x0364;nde u&#x0364;ber ganz Europa gereicht hat: dies<lb/>
hat er in lo&#x0364;blicher Begei&#x017F;terung darge&#x017F;tellt. Nach-<lb/>
her i&#x017F;t er durch andre Jahrhunderte gekommen,<lb/>
die &#x017F;eine Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit wegen der wieder erwach-<lb/>
ten Ro&#x0364;mer und Griechen mehr ange&#x017F;prochen ha-<lb/>
ben; und daru&#x0364;ber i&#x017F;t es, bei &#x017F;einer bekannten Ela-<lb/>
&#x017F;ticita&#x0364;t des Gei&#x017F;tes, und bei &#x017F;einer Begei&#x017F;trungs-<lb/>
fa&#x0364;higkeit, zu keiner Sammlung und wahren Be-<lb/>
fe&#x017F;tigung der politi&#x017F;chen Ideen gekommen. Ko&#x0364;nnte<lb/>
er vor aller Begei&#x017F;terung zum Gei&#x017F;te gelangen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0146] Allerwelts-tiers-état, von gleich beguͤnſtigten hiſtoriſchen Notizen Roͤmiſch gefaͤrbt, ohne allen hohen Adel, ohne alle feſte Erbfolge der Ideen, welche uͤber die Huldigungen des Zeitgeiſtes und ſeiner Repraͤſentanten erhebt —: das haben wir erleben muͤſſen, um es zu glauben! — Indeß, wie die chriſtliche Kirche zwiſchen den Staͤdten und den Lehns- oder adeligen Verfaſ- ſungen des Mittelalters vermittelt; wie ſie den zarten Anfang der Handels-Republiken gegen die Rohheit des aͤlteren Geſchwiſters, nehmlich der adeligen Staaten, in Schutz genommen; wie an vielen gluͤcklicheren Stellen des Mittel- alters Papſt, Kaiſer und jene Handels-Repu- bliken im ſchoͤnſten, lebendigſten Gleichgewichte dageſtanden und der große Bund der drei ewigen Staͤnde uͤber ganz Europa gereicht hat: dies hat er in loͤblicher Begeiſterung dargeſtellt. Nach- her iſt er durch andre Jahrhunderte gekommen, die ſeine Perſoͤnlichkeit wegen der wieder erwach- ten Roͤmer und Griechen mehr angeſprochen ha- ben; und daruͤber iſt es, bei ſeiner bekannten Ela- ſticitaͤt des Geiſtes, und bei ſeiner Begeiſtrungs- faͤhigkeit, zu keiner Sammlung und wahren Be- feſtigung der politiſchen Ideen gekommen. Koͤnnte er vor aller Begeiſterung zum Geiſte gelangen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/146
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/146>, abgerufen am 23.11.2024.