Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

land weben sie sich schon früh in ein politisches
Ganze, in einen einfachen consolidirten Staat
zusammen, während Deutschland und Italien
noch durch alle nachfolgende Jahrhunderte viel-
mehr Staatenbünde, als eigentliche Staaten,
darstellen. Den inneren Verband dieser beiden
Reiche administrirte die geistliche Macht, unter
deren Schutze wir zumal die Italiänischen Han-
dels-Republiken sich haben erheben sehen. Die-
jenigen besonders Norddeutschen Staaten, wel-
che aus andern politischen Gründen dem Ver-
bande oder der Föderativ-Verfassung abgeneigt
waren, mußten nothwendig den Principien der
Reformation, die dem völkerrechtlichen und staats-
rechtlichen Einflusse der Geistlichkeit entgegen
arbeiteten, gewogen seyn. -- So verschaffte der
Grundsatz, daß die Religion nichts anderes als
eine häusliche und Privat-Angelegenheit sey,
wenn er auch noch nicht so dreist und unumwun-
den, wie in späteren Zeiten, ausgesprochen wurde,
der Reformation ihre politische Popularität.

Die Dismembration der Kirche nahm ihren
Anfang, und endigte sich dann in unserm Jahr-
hunderte mit wirklicher Zerstreuung ihres Ver-
mögens, mit der allgemeinen Säcularisation von
Deutschland, und mit der Pensionirung der
Geistlichkeit. Ich verdenke es den protestanti-

land weben ſie ſich ſchon fruͤh in ein politiſches
Ganze, in einen einfachen conſolidirten Staat
zuſammen, waͤhrend Deutſchland und Italien
noch durch alle nachfolgende Jahrhunderte viel-
mehr Staatenbuͤnde, als eigentliche Staaten,
darſtellen. Den inneren Verband dieſer beiden
Reiche adminiſtrirte die geiſtliche Macht, unter
deren Schutze wir zumal die Italiaͤniſchen Han-
dels-Republiken ſich haben erheben ſehen. Die-
jenigen beſonders Norddeutſchen Staaten, wel-
che aus andern politiſchen Gruͤnden dem Ver-
bande oder der Foͤderativ-Verfaſſung abgeneigt
waren, mußten nothwendig den Principien der
Reformation, die dem voͤlkerrechtlichen und ſtaats-
rechtlichen Einfluſſe der Geiſtlichkeit entgegen
arbeiteten, gewogen ſeyn. — So verſchaffte der
Grundſatz, daß die Religion nichts anderes als
eine haͤusliche und Privat-Angelegenheit ſey,
wenn er auch noch nicht ſo dreiſt und unumwun-
den, wie in ſpaͤteren Zeiten, ausgeſprochen wurde,
der Reformation ihre politiſche Popularitaͤt.

Die Dismembration der Kirche nahm ihren
Anfang, und endigte ſich dann in unſerm Jahr-
hunderte mit wirklicher Zerſtreuung ihres Ver-
moͤgens, mit der allgemeinen Saͤculariſation von
Deutſchland, und mit der Penſionirung der
Geiſtlichkeit. Ich verdenke es den proteſtanti-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0125" n="117"/>
land weben &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chon fru&#x0364;h in ein politi&#x017F;ches<lb/>
Ganze, in einen einfachen con&#x017F;olidirten Staat<lb/>
zu&#x017F;ammen, wa&#x0364;hrend Deut&#x017F;chland und Italien<lb/>
noch durch alle nachfolgende Jahrhunderte viel-<lb/>
mehr Staatenbu&#x0364;nde, als eigentliche Staaten,<lb/>
dar&#x017F;tellen. Den inneren Verband die&#x017F;er beiden<lb/>
Reiche admini&#x017F;trirte die gei&#x017F;tliche Macht, unter<lb/>
deren Schutze wir zumal die Italia&#x0364;ni&#x017F;chen Han-<lb/>
dels-Republiken &#x017F;ich haben erheben &#x017F;ehen. Die-<lb/>
jenigen be&#x017F;onders Norddeut&#x017F;chen Staaten, wel-<lb/>
che aus andern politi&#x017F;chen Gru&#x0364;nden dem Ver-<lb/>
bande oder der Fo&#x0364;derativ-Verfa&#x017F;&#x017F;ung abgeneigt<lb/>
waren, mußten nothwendig den Principien der<lb/>
Reformation, die dem vo&#x0364;lkerrechtlichen und &#x017F;taats-<lb/>
rechtlichen Einflu&#x017F;&#x017F;e der Gei&#x017F;tlichkeit entgegen<lb/>
arbeiteten, gewogen &#x017F;eyn. &#x2014; So ver&#x017F;chaffte der<lb/>
Grund&#x017F;atz, daß die Religion nichts anderes als<lb/>
eine ha&#x0364;usliche und Privat-Angelegenheit &#x017F;ey,<lb/>
wenn er auch noch nicht &#x017F;o drei&#x017F;t und unumwun-<lb/>
den, wie in &#x017F;pa&#x0364;teren Zeiten, ausge&#x017F;prochen wurde,<lb/>
der Reformation ihre politi&#x017F;che Popularita&#x0364;t.</p><lb/>
            <p>Die Dismembration der Kirche nahm ihren<lb/>
Anfang, und endigte &#x017F;ich dann in un&#x017F;erm Jahr-<lb/>
hunderte mit wirklicher Zer&#x017F;treuung ihres Ver-<lb/>
mo&#x0364;gens, mit der allgemeinen Sa&#x0364;culari&#x017F;ation von<lb/>
Deut&#x017F;chland, und mit der Pen&#x017F;ionirung der<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit. Ich verdenke es den prote&#x017F;tanti-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0125] land weben ſie ſich ſchon fruͤh in ein politiſches Ganze, in einen einfachen conſolidirten Staat zuſammen, waͤhrend Deutſchland und Italien noch durch alle nachfolgende Jahrhunderte viel- mehr Staatenbuͤnde, als eigentliche Staaten, darſtellen. Den inneren Verband dieſer beiden Reiche adminiſtrirte die geiſtliche Macht, unter deren Schutze wir zumal die Italiaͤniſchen Han- dels-Republiken ſich haben erheben ſehen. Die- jenigen beſonders Norddeutſchen Staaten, wel- che aus andern politiſchen Gruͤnden dem Ver- bande oder der Foͤderativ-Verfaſſung abgeneigt waren, mußten nothwendig den Principien der Reformation, die dem voͤlkerrechtlichen und ſtaats- rechtlichen Einfluſſe der Geiſtlichkeit entgegen arbeiteten, gewogen ſeyn. — So verſchaffte der Grundſatz, daß die Religion nichts anderes als eine haͤusliche und Privat-Angelegenheit ſey, wenn er auch noch nicht ſo dreiſt und unumwun- den, wie in ſpaͤteren Zeiten, ausgeſprochen wurde, der Reformation ihre politiſche Popularitaͤt. Die Dismembration der Kirche nahm ihren Anfang, und endigte ſich dann in unſerm Jahr- hunderte mit wirklicher Zerſtreuung ihres Ver- moͤgens, mit der allgemeinen Saͤculariſation von Deutſchland, und mit der Penſionirung der Geiſtlichkeit. Ich verdenke es den proteſtanti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/125
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/125>, abgerufen am 25.11.2024.