Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

man auf das Eine Wesentliche des Staates sieht,
jener Naturzustand ohne allen Staat, jene Zeit
vor allem Staate? --

Die Verbindung der menschlichen Angelegen-
heiten existirt überall, und zu allen Zeiten, wo
es Menschen giebt; und die Geschichte zeigt uns
die Idee des Staates vom Anfange an, allent-
halben, obgleich auf den verschiedensten Stufen
des Wachsthums und der Ausbildung. -- Der
Staat ruhet ganz in sich; unabhängig von
menschlicher Willkühr und Erfindung, kommt er
unmittelbar und zugleich mit dem Menschen eben
daher, woher der Mensch kommt: aus der Na-
tur
: -- aus Gott, sagten die Alten.

III) Die Wissenschaften sind unab-
hängig vom Staate
; sie bieten einen Zu-
fluchtsort dar, wohin der Mensch, wenn er von
äußeren Verhältnissen geplagt und von den gro-
ßen politischen Bewegungen der Zeit bestürmt
wird, entweichen kann. Wir haben schon oben gese-
hen, daß sich nichts Menschliches, also auch die
Wissenschaft nicht, außerhalb des Staates denken
läßt; indeß verdient dieser verbreitetste, gefähr-
lichste Irrthum noch eine kurze, besondere Be-
trachtung. -- Man könnte glauben, ich wolle
auf den staatsverderblichen Einfluß der Gelehr-
ten kommen; ich wolle zeigen, daß Physiokraten,

man auf das Eine Weſentliche des Staates ſieht,
jener Naturzuſtand ohne allen Staat, jene Zeit
vor allem Staate? —

Die Verbindung der menſchlichen Angelegen-
heiten exiſtirt uͤberall, und zu allen Zeiten, wo
es Menſchen giebt; und die Geſchichte zeigt uns
die Idee des Staates vom Anfange an, allent-
halben, obgleich auf den verſchiedenſten Stufen
des Wachsthums und der Ausbildung. — Der
Staat ruhet ganz in ſich; unabhaͤngig von
menſchlicher Willkuͤhr und Erfindung, kommt er
unmittelbar und zugleich mit dem Menſchen eben
daher, woher der Menſch kommt: aus der Na-
tur
: — aus Gott, ſagten die Alten.

III) Die Wiſſenſchaften ſind unab-
haͤngig vom Staate
; ſie bieten einen Zu-
fluchtsort dar, wohin der Menſch, wenn er von
aͤußeren Verhaͤltniſſen geplagt und von den gro-
ßen politiſchen Bewegungen der Zeit beſtuͤrmt
wird, entweichen kann. Wir haben ſchon oben geſe-
hen, daß ſich nichts Menſchliches, alſo auch die
Wiſſenſchaft nicht, außerhalb des Staates denken
laͤßt; indeß verdient dieſer verbreitetſte, gefaͤhr-
lichſte Irrthum noch eine kurze, beſondere Be-
trachtung. — Man koͤnnte glauben, ich wolle
auf den ſtaatsverderblichen Einfluß der Gelehr-
ten kommen; ich wolle zeigen, daß Phyſiokraten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0096" n="62"/>
man auf das Eine We&#x017F;entliche des Staates &#x017F;ieht,<lb/>
jener Naturzu&#x017F;tand ohne allen Staat, jene Zeit<lb/>
vor allem Staate? &#x2014;</p><lb/>
            <p>Die Verbindung der men&#x017F;chlichen Angelegen-<lb/>
heiten exi&#x017F;tirt u&#x0364;berall, und zu allen Zeiten, wo<lb/>
es Men&#x017F;chen giebt; und die Ge&#x017F;chichte zeigt uns<lb/>
die Idee des Staates vom Anfange an, allent-<lb/>
halben, obgleich auf den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Stufen<lb/>
des Wachsthums und der Ausbildung. &#x2014; Der<lb/>
Staat ruhet ganz in &#x017F;ich; unabha&#x0364;ngig von<lb/>
men&#x017F;chlicher Willku&#x0364;hr und Erfindung, kommt er<lb/>
unmittelbar und zugleich mit dem Men&#x017F;chen eben<lb/>
daher, woher der Men&#x017F;ch kommt: aus der <hi rendition="#g">Na-<lb/>
tur</hi>: &#x2014; aus <hi rendition="#g">Gott</hi>, &#x017F;agten die Alten.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">III</hi>) <hi rendition="#g">Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften &#x017F;ind unab-<lb/>
ha&#x0364;ngig vom Staate</hi>; &#x017F;ie bieten einen Zu-<lb/>
fluchtsort dar, wohin der Men&#x017F;ch, wenn er von<lb/>
a&#x0364;ußeren Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en geplagt und von den gro-<lb/>
ßen politi&#x017F;chen Bewegungen der Zeit be&#x017F;tu&#x0364;rmt<lb/>
wird, entweichen kann. Wir haben &#x017F;chon oben ge&#x017F;e-<lb/>
hen, daß &#x017F;ich nichts Men&#x017F;chliches, al&#x017F;o auch die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nicht, außerhalb des Staates denken<lb/>
la&#x0364;ßt; indeß verdient die&#x017F;er verbreitet&#x017F;te, gefa&#x0364;hr-<lb/>
lich&#x017F;te Irrthum noch eine kurze, be&#x017F;ondere Be-<lb/>
trachtung. &#x2014; Man ko&#x0364;nnte glauben, ich wolle<lb/>
auf den &#x017F;taatsverderblichen Einfluß der Gelehr-<lb/>
ten kommen; ich wolle zeigen, daß Phy&#x017F;iokraten,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0096] man auf das Eine Weſentliche des Staates ſieht, jener Naturzuſtand ohne allen Staat, jene Zeit vor allem Staate? — Die Verbindung der menſchlichen Angelegen- heiten exiſtirt uͤberall, und zu allen Zeiten, wo es Menſchen giebt; und die Geſchichte zeigt uns die Idee des Staates vom Anfange an, allent- halben, obgleich auf den verſchiedenſten Stufen des Wachsthums und der Ausbildung. — Der Staat ruhet ganz in ſich; unabhaͤngig von menſchlicher Willkuͤhr und Erfindung, kommt er unmittelbar und zugleich mit dem Menſchen eben daher, woher der Menſch kommt: aus der Na- tur: — aus Gott, ſagten die Alten. III) Die Wiſſenſchaften ſind unab- haͤngig vom Staate; ſie bieten einen Zu- fluchtsort dar, wohin der Menſch, wenn er von aͤußeren Verhaͤltniſſen geplagt und von den gro- ßen politiſchen Bewegungen der Zeit beſtuͤrmt wird, entweichen kann. Wir haben ſchon oben geſe- hen, daß ſich nichts Menſchliches, alſo auch die Wiſſenſchaft nicht, außerhalb des Staates denken laͤßt; indeß verdient dieſer verbreitetſte, gefaͤhr- lichſte Irrthum noch eine kurze, beſondere Be- trachtung. — Man koͤnnte glauben, ich wolle auf den ſtaatsverderblichen Einfluß der Gelehr- ten kommen; ich wolle zeigen, daß Phyſiokraten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/96
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/96>, abgerufen am 22.11.2024.