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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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ich gezeigt habe, das Streben des Nachbars
nach Freiheit anerkennen muß. In dem wahren
stolzen Streben nach Freiheit und Unabhängig-
keit liegt zugleich, wie ich gleichfalls gezeigt,
Demuth und Hingebung gegen die Freiheit der
Uebrigen, Strenge und Milde: so ist alle Ge-
meinschaft vor der Idee des Rechtes zugleich
eine religiöse Gemeinschaft; sie verlangt Aufopfe-
rung, Weggeben des Sichtbaren für das Unsicht-
bare. Was kann also den großen Umgang der
kolossalen Menschen, die ich oben als Glieder
oder Theilnehmer der erhabenen Gemeinschaft der
Fünf-Reiche dargestellt habe, besser reguliren,
als der Glaube, das unsichtbare und doch so
mächtige, so bewegliche Gesetz der Religion,
unter deren Schutz, und in deren immerwähren-
dem, innigem, thätigem Anschauen die Fünf-Reiche
groß geworden sind! Hier sind Freiheit, Gesetz,
Ehrfurcht vor den Abwesenden; alle Elemente
der wahren Weltherrschaft sind hier beisammen.
Vor ihr schließen sich die freie Behauptung der
eignen Nationalität, und die innigste Gemein-
schaft unter den Staaten nicht gegenseitig aus.
Ein Glaube, der, Trotz aller Nationalität, den-
noch in den innersten geheimsten Nerven jedes
Staates Raum findet und sich mit den verschie-

ich gezeigt habe, das Streben des Nachbars
nach Freiheit anerkennen muß. In dem wahren
ſtolzen Streben nach Freiheit und Unabhaͤngig-
keit liegt zugleich, wie ich gleichfalls gezeigt,
Demuth und Hingebung gegen die Freiheit der
Uebrigen, Strenge und Milde: ſo iſt alle Ge-
meinſchaft vor der Idee des Rechtes zugleich
eine religioͤſe Gemeinſchaft; ſie verlangt Aufopfe-
rung, Weggeben des Sichtbaren fuͤr das Unſicht-
bare. Was kann alſo den großen Umgang der
koloſſalen Menſchen, die ich oben als Glieder
oder Theilnehmer der erhabenen Gemeinſchaft der
Fuͤnf-Reiche dargeſtellt habe, beſſer reguliren,
als der Glaube, das unſichtbare und doch ſo
maͤchtige, ſo bewegliche Geſetz der Religion,
unter deren Schutz, und in deren immerwaͤhren-
dem, innigem, thaͤtigem Anſchauen die Fuͤnf-Reiche
groß geworden ſind! Hier ſind Freiheit, Geſetz,
Ehrfurcht vor den Abweſenden; alle Elemente
der wahren Weltherrſchaft ſind hier beiſammen.
Vor ihr ſchließen ſich die freie Behauptung der
eignen Nationalitaͤt, und die innigſte Gemein-
ſchaft unter den Staaten nicht gegenſeitig aus.
Ein Glaube, der, Trotz aller Nationalitaͤt, den-
noch in den innerſten geheimſten Nerven jedes
Staates Raum findet und ſich mit den verſchie-

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[297/0331] ich gezeigt habe, das Streben des Nachbars nach Freiheit anerkennen muß. In dem wahren ſtolzen Streben nach Freiheit und Unabhaͤngig- keit liegt zugleich, wie ich gleichfalls gezeigt, Demuth und Hingebung gegen die Freiheit der Uebrigen, Strenge und Milde: ſo iſt alle Ge- meinſchaft vor der Idee des Rechtes zugleich eine religioͤſe Gemeinſchaft; ſie verlangt Aufopfe- rung, Weggeben des Sichtbaren fuͤr das Unſicht- bare. Was kann alſo den großen Umgang der koloſſalen Menſchen, die ich oben als Glieder oder Theilnehmer der erhabenen Gemeinſchaft der Fuͤnf-Reiche dargeſtellt habe, beſſer reguliren, als der Glaube, das unſichtbare und doch ſo maͤchtige, ſo bewegliche Geſetz der Religion, unter deren Schutz, und in deren immerwaͤhren- dem, innigem, thaͤtigem Anſchauen die Fuͤnf-Reiche groß geworden ſind! Hier ſind Freiheit, Geſetz, Ehrfurcht vor den Abweſenden; alle Elemente der wahren Weltherrſchaft ſind hier beiſammen. Vor ihr ſchließen ſich die freie Behauptung der eignen Nationalitaͤt, und die innigſte Gemein- ſchaft unter den Staaten nicht gegenſeitig aus. Ein Glaube, der, Trotz aller Nationalitaͤt, den- noch in den innerſten geheimſten Nerven jedes Staates Raum findet und ſich mit den verſchie-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/331>, abgerufen am 28.04.2024.