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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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schlechtes. Jedes von diesen Geschlechtern, in's
Unendliche verschiedenartig organisirt, balancirt
das andre auf das glücklichste, ohne seine glück-
lichen und segensreichen Kräfte zu hemmen. Hier
ist Theilung nicht der Massen, wohl aber der
Naturen; hier ist lebendiges und productives
Gleichgewicht zwischen denselben; hier ist Einheit.

Was sind nun jene Körperschaften, die sich
in ihrer reinsten Gestalt in der Brittischen Ver-
fassung zeigen, anders, als große Repräsenta-
tionen der Geschlechts- und Alters-Differenzen,
aus welchen die Natur die Harmonie jeder Fa-
milie hervorruft? In so fern sie innerlich und
generisch einander entgegenstehen, ist ein lebendi-
ges Gleichgewicht zwischen ihnen möglich. Kurz,
wie in der Natur überall, so auch im Staate,
fließen Theilung und Einheit aus derselben Quelle,
dem wahren Gegensatze nehmlich: nichts kann
verbinden, als die wahre Theilung selbst. --
Alle Constitutions-Künstelei unsrer Tage ist also
nichts andres, als der immer unglückliche Ver-
such, ein Surrogat der Ständeverhältnisse des
Mittelalters zu finden. Man theilte und zer-
schnitt die einzelnen Functionen und Qualifica-
tionen der Suveränetät, man theilte manufactu-
renartig den suveränen Willen und das suveräne
Geschäft, welches unmöglich ist. Die Naturen,

ſchlechtes. Jedes von dieſen Geſchlechtern, in’s
Unendliche verſchiedenartig organiſirt, balancirt
das andre auf das gluͤcklichſte, ohne ſeine gluͤck-
lichen und ſegensreichen Kraͤfte zu hemmen. Hier
iſt Theilung nicht der Maſſen, wohl aber der
Naturen; hier iſt lebendiges und productives
Gleichgewicht zwiſchen denſelben; hier iſt Einheit.

Was ſind nun jene Koͤrperſchaften, die ſich
in ihrer reinſten Geſtalt in der Brittiſchen Ver-
faſſung zeigen, anders, als große Repraͤſenta-
tionen der Geſchlechts- und Alters-Differenzen,
aus welchen die Natur die Harmonie jeder Fa-
milie hervorruft? In ſo fern ſie innerlich und
generiſch einander entgegenſtehen, iſt ein lebendi-
ges Gleichgewicht zwiſchen ihnen moͤglich. Kurz,
wie in der Natur uͤberall, ſo auch im Staate,
fließen Theilung und Einheit aus derſelben Quelle,
dem wahren Gegenſatze nehmlich: nichts kann
verbinden, als die wahre Theilung ſelbſt. —
Alle Conſtitutions-Kuͤnſtelei unſrer Tage iſt alſo
nichts andres, als der immer ungluͤckliche Ver-
ſuch, ein Surrogat der Staͤndeverhaͤltniſſe des
Mittelalters zu finden. Man theilte und zer-
ſchnitt die einzelnen Functionen und Qualifica-
tionen der Suveraͤnetaͤt, man theilte manufactu-
renartig den ſuveraͤnen Willen und das ſuveraͤne
Geſchaͤft, welches unmoͤglich iſt. Die Naturen,

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[268/0302] ſchlechtes. Jedes von dieſen Geſchlechtern, in’s Unendliche verſchiedenartig organiſirt, balancirt das andre auf das gluͤcklichſte, ohne ſeine gluͤck- lichen und ſegensreichen Kraͤfte zu hemmen. Hier iſt Theilung nicht der Maſſen, wohl aber der Naturen; hier iſt lebendiges und productives Gleichgewicht zwiſchen denſelben; hier iſt Einheit. Was ſind nun jene Koͤrperſchaften, die ſich in ihrer reinſten Geſtalt in der Brittiſchen Ver- faſſung zeigen, anders, als große Repraͤſenta- tionen der Geſchlechts- und Alters-Differenzen, aus welchen die Natur die Harmonie jeder Fa- milie hervorruft? In ſo fern ſie innerlich und generiſch einander entgegenſtehen, iſt ein lebendi- ges Gleichgewicht zwiſchen ihnen moͤglich. Kurz, wie in der Natur uͤberall, ſo auch im Staate, fließen Theilung und Einheit aus derſelben Quelle, dem wahren Gegenſatze nehmlich: nichts kann verbinden, als die wahre Theilung ſelbſt. — Alle Conſtitutions-Kuͤnſtelei unſrer Tage iſt alſo nichts andres, als der immer ungluͤckliche Ver- ſuch, ein Surrogat der Staͤndeverhaͤltniſſe des Mittelalters zu finden. Man theilte und zer- ſchnitt die einzelnen Functionen und Qualifica- tionen der Suveraͤnetaͤt, man theilte manufactu- renartig den ſuveraͤnen Willen und das ſuveraͤne Geſchaͤft, welches unmoͤglich iſt. Die Naturen,

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/302>, abgerufen am 28.04.2024.