zu vermischen; der Adel konnte das Gefühl der persönlichen Auszeichnung nicht fahren lassen, und wurde nun in der Aufrechthaltung desselben, und in dem Trotze darauf um so unerträglicher, als der Staat das Persönliche nicht weiter honorir- te, und den Adel mit den sächlichen Privilegien schon über die Gebühr bezahlt und abgefunden glaubte. Selbst diese Privilegien würden manche dieser Regierungen, die sie nehmlich immer mehr für nothwendige Uebel ansahen, schon längst abge- schafft oder beschränkt haben, wenn nicht, gerecht wie sie waren, ein Respect vor dem wohl- hergebrachten sächlichen Eigenthum, als wofür sie das ganze Adelswesen ansahen, sie da- von, wie von der Confiscation irgend einer andern Sachenerbschaft, abgehalten hät- te. Sie hatten einen bloß privatrechtlichen und keinen staatsrechtlichen Gesichtspunkt für den Adel; sie hatten den interet de tous ausschlie- ßend im Auge, während der interet general und überhaupt die Rücksicht auf die Totalität des Staates, auf das eigentlich Dauernde und Unsterbliche in seiner Macht, ihnen völlig aus dem Gesichte gekommen war. -- Der Adel wird unfehlbar in allen Ländern zu einer Caste wer- den, wo man, ohne ihn selbst weiter zu hono- riren, ihn, seine Güter und Privilegien mit
zu vermiſchen; der Adel konnte das Gefuͤhl der perſoͤnlichen Auszeichnung nicht fahren laſſen, und wurde nun in der Aufrechthaltung deſſelben, und in dem Trotze darauf um ſo unertraͤglicher, als der Staat das Perſoͤnliche nicht weiter honorir- te, und den Adel mit den ſaͤchlichen Privilegien ſchon uͤber die Gebuͤhr bezahlt und abgefunden glaubte. Selbſt dieſe Privilegien wuͤrden manche dieſer Regierungen, die ſie nehmlich immer mehr fuͤr nothwendige Uebel anſahen, ſchon laͤngſt abge- ſchafft oder beſchraͤnkt haben, wenn nicht, gerecht wie ſie waren, ein Reſpect vor dem wohl- hergebrachten ſaͤchlichen Eigenthum, als wofuͤr ſie das ganze Adelsweſen anſahen, ſie da- von, wie von der Confiscation irgend einer andern Sachenerbſchaft, abgehalten haͤt- te. Sie hatten einen bloß privatrechtlichen und keinen ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkt fuͤr den Adel; ſie hatten den interêt de tous ausſchlie- ßend im Auge, waͤhrend der interêt général und uͤberhaupt die Ruͤckſicht auf die Totalitaͤt des Staates, auf das eigentlich Dauernde und Unſterbliche in ſeiner Macht, ihnen voͤllig aus dem Geſichte gekommen war. — Der Adel wird unfehlbar in allen Laͤndern zu einer Caſte wer- den, wo man, ohne ihn ſelbſt weiter zu hono- riren, ihn, ſeine Guͤter und Privilegien mit
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zu vermiſchen; der Adel konnte das Gefuͤhl der
perſoͤnlichen Auszeichnung nicht fahren laſſen, und
wurde nun in der Aufrechthaltung deſſelben, und
in dem Trotze darauf um ſo unertraͤglicher, als
der Staat das Perſoͤnliche nicht weiter honorir-
te, und den Adel mit den ſaͤchlichen Privilegien
ſchon uͤber die Gebuͤhr bezahlt und abgefunden
glaubte. Selbſt dieſe Privilegien wuͤrden manche
dieſer Regierungen, die ſie nehmlich immer mehr
fuͤr nothwendige Uebel anſahen, ſchon laͤngſt abge-
ſchafft oder beſchraͤnkt haben, wenn nicht, gerecht
wie ſie waren, ein Reſpect vor dem wohl-
hergebrachten ſaͤchlichen Eigenthum, als
wofuͤr ſie das ganze Adelsweſen anſahen, ſie da-
von, wie von der Confiscation irgend einer
andern Sachenerbſchaft, abgehalten haͤt-
te. Sie hatten einen bloß privatrechtlichen und
keinen ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkt fuͤr den
Adel; ſie hatten den interêt de tous ausſchlie-
ßend im Auge, waͤhrend der interêt général
und uͤberhaupt die Ruͤckſicht auf die Totalitaͤt
des Staates, auf das eigentlich Dauernde und
Unſterbliche in ſeiner Macht, ihnen voͤllig aus
dem Geſichte gekommen war. — Der Adel wird
unfehlbar in allen Laͤndern zu einer Caſte wer-
den, wo man, ohne ihn ſelbſt weiter zu hono-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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