zend, oder negativ; sie befruchtet, sie segnet, sie begeistert. --
Durch den Streit der Freiheit mit der Frei- heit bildet sich also in's Unendliche fort ein über allen diesen einzelnen Freiheiten waltendes Recht, Gesetz, oder -- um dieses höhere Erzeugniß der Ge- sellschaft noch lebendiger auszudrücken -- die ver- mittelnde Macht eines Richters, Patriarchen, Monarchen, Fürsten. -- Ein unvollkommenes, lebendiges Gesetz ist, allen meinen Voraussetzun- gen zu Folge, besser als ein noch so logisches, künstliches, aber todtes Gesetz. Darin nun besteht der große Vorzug aller monarchischen Ver- fassung: das Gesetz wird nicht bloß mechanisch ausgelegt, sondern wirklich repräsentirt durch eine Person; es kann gemißbraucht werden, aber nicht erstarren; ein lebendiges Individuum, wie es auch gestaltet seyn möge, wird unaufhörlich in dem Strome fortschreitender Zeiten fortge- rissen, kann also auf die Dauer der Freiheit der Einzelnen keine Gefahr bringen, während ein todter Gesetzbegriff, wenn er aufrecht erhal- ten werden könnte, allgemeinen Stillstand be- wirken würde. Ein lebendiges Individuum wird von der Natur unaufhörlich in die verschieden- sten Gesichtspunkte gestellt, durch Jugend und Alter, durch männliche und weibliche Ansichten
zend, oder negativ; ſie befruchtet, ſie ſegnet, ſie begeiſtert. —
Durch den Streit der Freiheit mit der Frei- heit bildet ſich alſo in’s Unendliche fort ein uͤber allen dieſen einzelnen Freiheiten waltendes Recht, Geſetz, oder — um dieſes hoͤhere Erzeugniß der Ge- ſellſchaft noch lebendiger auszudruͤcken — die ver- mittelnde Macht eines Richters, Patriarchen, Monarchen, Fuͤrſten. — Ein unvollkommenes, lebendiges Geſetz iſt, allen meinen Vorausſetzun- gen zu Folge, beſſer als ein noch ſo logiſches, kuͤnſtliches, aber todtes Geſetz. Darin nun beſteht der große Vorzug aller monarchiſchen Ver- faſſung: das Geſetz wird nicht bloß mechaniſch ausgelegt, ſondern wirklich repraͤſentirt durch eine Perſon; es kann gemißbraucht werden, aber nicht erſtarren; ein lebendiges Individuum, wie es auch geſtaltet ſeyn moͤge, wird unaufhoͤrlich in dem Strome fortſchreitender Zeiten fortge- riſſen, kann alſo auf die Dauer der Freiheit der Einzelnen keine Gefahr bringen, waͤhrend ein todter Geſetzbegriff, wenn er aufrecht erhal- ten werden koͤnnte, allgemeinen Stillſtand be- wirken wuͤrde. Ein lebendiges Individuum wird von der Natur unaufhoͤrlich in die verſchieden- ſten Geſichtspunkte geſtellt, durch Jugend und Alter, durch maͤnnliche und weibliche Anſichten
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zend, oder negativ; ſie befruchtet, ſie ſegnet,
ſie begeiſtert. —
Durch den Streit der Freiheit mit der Frei-
heit bildet ſich alſo in’s Unendliche fort ein uͤber
allen dieſen einzelnen Freiheiten waltendes Recht,
Geſetz, oder — um dieſes hoͤhere Erzeugniß der Ge-
ſellſchaft noch lebendiger auszudruͤcken — die ver-
mittelnde Macht eines Richters, Patriarchen,
Monarchen, Fuͤrſten. — Ein unvollkommenes,
lebendiges Geſetz iſt, allen meinen Vorausſetzun-
gen zu Folge, beſſer als ein noch ſo logiſches,
kuͤnſtliches, aber todtes Geſetz. Darin nun beſteht
der große Vorzug aller monarchiſchen Ver-
faſſung: das Geſetz wird nicht bloß mechaniſch
ausgelegt, ſondern wirklich repraͤſentirt durch eine
Perſon; es kann gemißbraucht werden, aber
nicht erſtarren; ein lebendiges Individuum, wie
es auch geſtaltet ſeyn moͤge, wird unaufhoͤrlich
in dem Strome fortſchreitender Zeiten fortge-
riſſen, kann alſo auf die Dauer der Freiheit
der Einzelnen keine Gefahr bringen, waͤhrend
ein todter Geſetzbegriff, wenn er aufrecht erhal-
ten werden koͤnnte, allgemeinen Stillſtand be-
wirken wuͤrde. Ein lebendiges Individuum wird
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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