den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder: der Hauswirth ist eben so wohl Richter als Fi- nancier in der Verwaltung seines kleinen Ver- mögens; und da, ihm gegenüber, bloß die häus- liche und gesellschaftliche Natur aller Theile die- ses Vermögens in Anschlag kommt: so wird er, nach einem und demselben Gesetze der Gerechtig- keit, zwischen seinen Knechten, Mägden, seinem Vieh, seinem Acker, seinem Feldgeräthe vermit- teln; ohne weitere Verstandes-Distinction, daß jene ja wirkliche Personen, diese aber nur Sa- chen seyen. --
Eben so der wahre Staatsmann: nach dem- selben Gesetze der Gerechtigkeit, unbekümmert um die scharfen Distinctionen der Philosophie des Ta- ges, sieht er in allen Individuen, sogenannten lebendigen und sogenannten todten, sogenannten Personen und sogenannten Sachen, nur ihre ge- sellschaftliche Bedeutung, den Werth, welchen sie für das bürgerliche Leben haben; und das Verhält- niß dieser einzelnen gesellschaftlichen Werthe heißt ihm: Rechtsverhältniß. Diese Rechtsverhältnisse alle gemeinschaftlich aufrecht zu erhalten, oder zu vermitteln, oder zu repräsentiren: das hält er für seine Bestimmung; nicht die bloßen, leben- digen Personen, nicht die bloße Summe der
den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder: der Hauswirth iſt eben ſo wohl Richter als Fi- nancier in der Verwaltung ſeines kleinen Ver- moͤgens; und da, ihm gegenuͤber, bloß die haͤus- liche und geſellſchaftliche Natur aller Theile die- ſes Vermoͤgens in Anſchlag kommt: ſo wird er, nach einem und demſelben Geſetze der Gerechtig- keit, zwiſchen ſeinen Knechten, Maͤgden, ſeinem Vieh, ſeinem Acker, ſeinem Feldgeraͤthe vermit- teln; ohne weitere Verſtandes-Diſtinction, daß jene ja wirkliche Perſonen, dieſe aber nur Sa- chen ſeyen. —
Eben ſo der wahre Staatsmann: nach dem- ſelben Geſetze der Gerechtigkeit, unbekuͤmmert um die ſcharfen Diſtinctionen der Philoſophie des Ta- ges, ſieht er in allen Individuen, ſogenannten lebendigen und ſogenannten todten, ſogenannten Perſonen und ſogenannten Sachen, nur ihre ge- ſellſchaftliche Bedeutung, den Werth, welchen ſie fuͤr das buͤrgerliche Leben haben; und das Verhaͤlt- niß dieſer einzelnen geſellſchaftlichen Werthe heißt ihm: Rechtsverhaͤltniß. Dieſe Rechtsverhaͤltniſſe alle gemeinſchaftlich aufrecht zu erhalten, oder zu vermitteln, oder zu repraͤſentiren: das haͤlt er fuͤr ſeine Beſtimmung; nicht die bloßen, leben- digen Perſonen, nicht die bloße Summe der
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den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder:
der Hauswirth iſt eben ſo wohl Richter als Fi-
nancier in der Verwaltung ſeines kleinen Ver-
moͤgens; und da, ihm gegenuͤber, bloß die haͤus-
liche und geſellſchaftliche Natur aller Theile die-
ſes Vermoͤgens in Anſchlag kommt: ſo wird er,
nach einem und demſelben Geſetze der Gerechtig-
keit, zwiſchen ſeinen Knechten, Maͤgden, ſeinem
Vieh, ſeinem Acker, ſeinem Feldgeraͤthe vermit-
teln; ohne weitere Verſtandes-Diſtinction, daß
jene ja wirkliche Perſonen, dieſe aber nur Sa-
chen ſeyen. —
Eben ſo der wahre Staatsmann: nach dem-
ſelben Geſetze der Gerechtigkeit, unbekuͤmmert um
die ſcharfen Diſtinctionen der Philoſophie des Ta-
ges, ſieht er in allen Individuen, ſogenannten
lebendigen und ſogenannten todten, ſogenannten
Perſonen und ſogenannten Sachen, nur ihre ge-
ſellſchaftliche Bedeutung, den Werth, welchen ſie
fuͤr das buͤrgerliche Leben haben; und das Verhaͤlt-
niß dieſer einzelnen geſellſchaftlichen Werthe heißt
ihm: Rechtsverhaͤltniß. Dieſe Rechtsverhaͤltniſſe
alle gemeinſchaftlich aufrecht zu erhalten, oder
zu vermitteln, oder zu repraͤſentiren: das haͤlt
er fuͤr ſeine Beſtimmung; nicht die bloßen, leben-
digen Perſonen, nicht die bloße Summe der
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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